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02.09.2023 / Porträt / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Anika Lepski

Tolkien und die Hobbits

Zum 50. Todestag von J.R.R. Tolkien: Rückblick auf sein Leben, Werk und Glauben.

 

Am 2. September 1973 starb J.R.R. Tolkien. Der britische Schriftsteller ist vor allem für seine Fantasy-Romane „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ bekannt, die zu den erfolgreichsten Büchern des 20. Jahrhunderts zählen und noch heute Millionen Leser begeistern. Heute, an seinem 50. Todestag, blicken wir zurück auf sein literarisches Werk, sein Leben und seinen Glauben. 

Ein Professor in Oxford

Foto: Unknown photo studio commissioned by Tolkien's students 1925/6 (private communication from Catherine McIlwaine, Tolkien Archivist, Bodleian Library), Public domain, via Wikimedia Commons
J. R. R. Tolkien um 1925 (Foto: Catherine McIlwaine, Tolkien Archivist, Bodleian Library, Public domain, via Wikimedia Commons)

John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973) war katholisch im anglikanisch geprägten England. Seine Mutter war nach dem Tod des Vaters zum Katholizismus konvertiert, weil sie dort Halt in ihrer schwierigen Lage als Witwe gefunden hatte. Ihre Verwandten missbilligten diese Entscheidung und versagten ihr jegliche Hilfe.

Als auch die Mutter starb, wurden Tolkien und sein jüngerer Bruder deshalb von einem katholischen Pater aufgezogen. Was Tolkien in seiner Kindheit liebte? Sprachen – so sehr, dass er sogar selbst welche erfand.

Seine spätere Ehefrau Edith lernte Tolkien schon in jungen Jahren kennen, er war gerade mal sechzehn Jahre alt und sie neunzehn. Doch sein Ziehvater war gegen die aufblühende Beziehung, vor allem, weil Edith protestantisch war. Erst wenn er die Volljährigkeit erreiche, dürfe Tolkien Edith wieder schreiben. Genau das tat der junge Tolkien auch – und kam fast zu spät. Denn Edith hatte sich in der Zwischenzeit schon mit einem anderen Mann verlobt.

Doch es wendete sich alles zum Guten und sie heirateten 1916. Die Liebe zueinander und zu ihren vier Kindern bildete einen wichtigen Grundstein in Tolkiens Leben.

Tolkien erlebte jedoch auch die Grausamkeiten des Krieges. Er war in der Schlacht an der Somme dabei, die als die grausamste und verlustreichste des Ersten Weltkrieges in die Geschichte eingegangen ist. Sicherlich ist diese Schlacht ein Anstoß zu der Grundthematik seiner Werke: Das Böse fällt unvermittelt in das friedliche Leben ein und es ist der unerschrockene Mut der „kleinen“ Leute, der das Schicksal zum Guten wendet. In der Zeit des Krieges entstanden auch die ersten Fragmente der Geschichten, die in seiner fiktiven Welt Mittelerde spielen.

Tolkiens Leben wurde nach dem Krieg wieder in beschaulichere Bahnen gelenkt. Er wurde Dozent und Professor an verschiedenen Universitäten, zuletzt in Oxford. Er war – kaum verwunderlich – Sprachwissenschaftler. Ebenfalls in Oxford lehrte der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller C.S. Lewis, der ein enger Freund Tolkiens wurde. Sie teilten ihre Leidenschaft für Fantasiewelten, nordische Mythologie und Sprachwissenschaften. Gemeinsam mit anderen Schriftstellern bildeten sie in den 1930-er Jahren den literarischen Zirkel The Inklings. Dort diskutierten sie die zeitgenössische Literatur und lasen sich gegenseitig ihre Werke und Entwürfe vor. Eine der Geschichten, die Tolkien C.S. Lewis vorlas, war „Der Hobbit“.

Tolkien und seine Hobbits

„In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.“ Mit diesem Satz beginnt die Geschichte, die Millionen von Lesern in das Fantasiereich „Mittelerde“ entführt hat. Hobbit, wird sich manch einer fragen, was ist ein Hobbit? Hobbits lieben gemütliche Wohnhöhlen, Pfeiferauchen und Essen. Außerdem laufen sie barfuß, haben aber zum Schutz vor Widrigkeiten behaarte Füße. Und sie sind klein, kaum größer als ein Meter. Hobbits leben im Auenland, einem beschaulichen Fleckchen Erde abseits von den Siedlungen der großen Menschen.

Tolkien verglich sich manches Mal gern mit ihnen. „Ich bin selber ein Hobbit“, schrieb er einmal, „in allem bis auf die Größe. Ich liebe Gärten, Bäume und Ackerland ohne Maschinen; ich rauche Pfeife, esse gern gutbürgerlich (nichts aus dem Kühlschrank) und verabscheue die französische Küche; ich trage gern – ein Wagnis in dieser öden Zeit – dekorative Westen. Ich mag Pilze (vom Felde), habe einen sehr einfachen Humor (den sogar meine wohlwollendsten Kritiker störend finden); ich gehe spät zu Bett und stehe spät auf (wenn möglich). Ich reise nicht viel.“1

Der Ring, den Bilbo im Hobbit findet, spielt im Herrn der Ringe noch eine große Rolle.
Der Ring, den Bilbo im „Hobbit“ findet, spielt in „Herr der Ringe“ noch eine große Rolle.

Geht es also im „Hobbit“ nur um ein beschauliches, ruhiges Leben? Weit gefehlt: Der Hobbit Bilbo Beutlin bekommt überraschend Besuch von Gandalf dem Zauberer und dreizehn Zwergen. Er soll zusammen mit ihnen nach Osten aufbrechen, um dem Drachen Smaug einen Schatz zu entreißen. Denn Hobbits sind „Leisetreter“: Wenn sie es vermeiden wollen, gesehen zu werden, dann sieht man sie auch nicht. Bilbo fällt daher die Aufgabe des „Meisterdiebs“ zu.

Der kleine Mann ist von dieser Idee wiederum überhaupt nicht begeistert, denn Hobbits sind nicht unbedingt reisefreudig. Noch weniger wollen sie mit Abenteuern zu schaffen haben. Doch Gandalf ist ein Überredungskünstler – er vermag es sogar, einen Hobbit umzustimmen. Deshalb ziehen alsbald dreizehn Zwerge, ein Zauberer und ein Hobbit nach Osten. Auf der Reise begegnet Bilbo den geheimnisvollen Elben, er durchquert ein ganzes Gebirge und findet sogar einen geheimnisvollen Ring, der ihn unsichtbar machen kann.

Angesiedelt ist die Geschichte um Bilbo in Tolkiens fiktiver Welt Mittelerde, an der er schon länger arbeitete. „Der Hobbit“ war anfänglich nur lose mit Tolkiens sonstiger Schöpfung verbunden. Auf Drängen seines Verlegers schrieb Tolkien eine Fortsetzung zum „Hobbit“, die sich schnell von der beschaulichen Hobbit-Geschichte zum Krieg um einen Ring entwickelte: „Der Herr der Ringe“. Beide Geschichten sind miteinander verknüpft, deshalb war es notwendig, dass Tolkien im „Hobbit“ nachträglich einige Änderungen vornahm. Die Fassung, die man heute lesen kann, ist also nicht diejenige, die 1937 erschien.

„Der Hobbit“ erscheint

Tolkien las seinen vier Kindern stets gern vor oder erfand Geschichten für sie. So auch seine Geschichte von einem Hobbit und seinen Abenteuern. Über eine seiner Studentinnen kam das Manuskript in die Hände des Verlegers Stanley Unwin. Dieser war der Meinung, dass ein Kind ein Kinderbuch am besten einschätzen könne. Weil sein zehnjähriger Sohn begeistert von der Geschichte war und sogar eine Rezension schrieb, veröffentlichte Unwin das Buch. „Der Hobbit“ erschien am 21. September 1937 und die erste Auflage war bereits nach drei Monaten ausverkauft. In der Times erschien eine sehr wohlwollende Rezension des neuen Kinderbuchs. Kein Wunder, der Kritiker war C.S. Lewis.

J.R.R. Tolkien schrieb „Das Silmarillion“ (1977), „Der Hobbit“ (1937) und „Der Herr der Ringe“ (1954/55). Sie erzählen die Geschehnisse in chronologischer Reihenfolge vom Beginn von Mittelerde bis zu den Ringkriegen, die in „ Der Herr der Ringe“ behandelt werden. „Das Silmarillion“ wurde posthum von Tolkiens Sohn Christopher herausgebracht.

In Deutschland erschien das Buch unter dem Titel „Der kleine Hobbit“ jedoch erst 1957. Schuld daran war nicht das mangelnde Interesse der deutschen Verleger in den 30er-Jahren. Doch sie forderten einen Nachweis von Tolkien, dass er kein Jude war. Erbost darüber lehnte Tolkien jegliche Zusammenarbeit ab.

Tolkiens Religiosität im Leben und Werk

Tolkien war wie seine Mutter Katholik und nahm seinen Glauben immer sehr ernst. Der christliche Glaube war seine Quelle der Zufriedenheit und Freude. „Religiosität war also einer der tiefsten und stärksten Züge seiner Persönlichkeit“2, schrieb sein Biograf Humphrey Carpenter. Und dieser Zug kommt neben seiner Begeisterung für Altenglisch und Altnordisch in seinen Werken deutlich zum Ausdruck.

Tolkiens Religiosität gab immer wieder Anlass, seine Werke theologisch auszudeuten. Manche übertrieben es: Frodo, der Handlungsträger in „Der Herr der Ringe“ wurde durchaus schon mit Jesus verglichen – eine Deutung, der Tolkien nie und nimmer zugestimmt hätte. Doch natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich Tolkiens Weltbild und sein Glaube auch in seiner fiktiven Welt wiederfindet.

Im „Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ wird der Leser allerdings selten über konkrete Hinweise auf den christlichen Glauben stolpern. Zwar wird erwähnt, dass die Geschehnisse kein Zufall sind, sondern Fügung. Aber Tolkien vermeidet es, eine bestimmte Lesart vorzugeben. Es war typisch für ihn, in diesen beiden Büchern nur Andeutungen und Hinweise auf einen viel größeren Zusammenhang zu geben. Die Hinweise erschließen sich erst, wenn man seine anderen Werke über Mittelerde kennt.

Weil Tolkien seine Fantasy-Welt möglichst detailgetreu gestalten wollte, existiert auch ein Schöpfungsmythos, der durchaus Ähnlichkeiten zur biblischen Schöpfungsgeschichte aufweist. Tolkien lag es fern, eine eigene „Bibel“ zu schreiben. In seinen Schöpfungsmythos fließen deshalb auch andere Elemente ein, wie etwa Vorstellungen aus der nordischen Mythenwelt. Doch er erschuf einen Mythos, der in seiner Gesamtheit zu seinem christlichen Weltbild passte.

Tolkiens Einfluss

Am 13.12.2012 erschien der erste Teil des Kinofilms zum „Hobbit“. Es wurde jedoch nicht allein die Geschichte von „Der Hobbit“ verfilmt, sondern es fanden auch zahlreiche Szenen aus anderen Werken Eingang in den Dreiteiler.

Tolkiens Werke sind nicht nur weltberühmt geworden, sie prägten und prägen auch eine gesamte Literatursparte. Er gilt als Begründer der modernen Fantasy-Literatur und noch immer müssen sich Autoren von Fantasy-Literatur mit Tolkien messen. Manche tun das, indem sie sich bewusst von Tolkiens Form der Fantasy abgrenzen. Andere wollen wiederum ebenso detailreiche Welten erschaffen.

Das Besondere an Tolkiens Fantasy-Reich Mittelerde ist schließlich seine hohe Detaildichte. Der Leser wird immer wieder bemerken, dass die Bücher, die er liest, nur kleine Ausschnitte des Geschehens von Mittelerde sind. Dass Tolkiens Welt aber überhaupt erst so plastisch und detailreich werden konnte, liegt schließlich am Perfektionismus seines Schöpfers: Über fünfzig Jahre hat er erdacht, geschrieben und gefeilt.

Die Mühe hat sich gelohnt. Nach wie vor – seit nunmehr über 80 Jahren – begeistern seine Bücher kleine und große Leser. Tolkiens Welt kann noch immer so bezaubern wie damals.

 

1 Humphrey Carpenter, J.R.R. Tolkien - Eine Biographie. München 1991, dtv/Klett-Cotta, S. 202.
2 Ebd. S. 151.

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Kommentare (1)

G.W. /

DANKE das ist sehr passend und lebensnah beschrieben, welch außergewöhnlicher Mensch, welche Persönlichkeit Tolkien war. Und besonderer Freund von Lewis! Sehr bemerkenswert!
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