Heute morgen habe ich Psalm 147,6 gelesen:
„Gott richtet den Unterdrückten auf, er wirft den Gottlosen zu Boden.“
Auf dem Lausanne-Kongress sehe ich immer wieder mit eigenen Augen, wie genau das durch die Gemeinde Jesu passiert – weltweit:
Ich denke an die zierliche junge Frau aus Indien, die nach einem Hirntumor nur mit schwacher Stimme sprechen kann – aber die entrechteten Sklaven in Indien eine Stimme gibt. Sie berichtet mit versteckter Kamera von Familien, die seit drei Generationen als Angehörige der Dalit-Kaste in Indien versklavt sind und in einer Ziegelfabrik arbeiten müssen. Von einem menschenverachtenden Sklavenhalter, der sich damit brüstet, dass diese Menschen nie freikommen werden. Und vom Einsatz der Gemeinde Jesu vor Ort, der diese Familien befreit und den Sklavenhalter ins Gefängnis gebracht hat.
Ich denke an das Mädchen aus Kambodscha, das mit 5 Jahren Arbeit suchen musste, um ihre Familie mit zu ernähren. Das mit 16 Jahren unter dem Vorwand einer guten Arbeitsstelle in ein Bordell gelockt und zur Prostitution gezwungen wurde. Das über Jahre als Sexsklavin arbeiten und täglich mit bis zu 10 Männern schlafen musste, von denen sie nicht selten geschlagen und vergewaltigt wurde. Als diese junge Frau von Christen befreit wurde, sah sie zum ersten Mal seit Jahren wieder die Sonne. Nun lebt sie in einem Trauma Recovery Center, wo sie seelsorgerlich betreut wird und eine Berufsausbildung erhält.
Ich denke an die junge Frau aus einem kleinen Dorf aus Simbabwe, die beide Eltern an AIDS verloren hat und die selbst HIV-positiv ist. Die als Teenager ihren kranken Vater über Kilometer zum nächsten Krankenhaus getragen hat nur um zu hören, dass AIDS-Medikamente unbezahlbar sind. Die immer wieder hört, dass sie selbst an ihrem Schicksal schuld sei. Die sich ohne höhere Schulbildung nun mit einer christlichen Hilfsorganisation zusammen in den Korridoren der Macht ihres Landes dafür engagiert, dass AIDS-Kranke in ihrem Land zumindest eine einfache medizinische Versorgung erhalten.
Sklavenhandel, Kinderprostitution, Völkermord, Verfolgung, Armut, misstrauische Kontrolle durch islamische Regierungen, Zusammenleben mit großen Bevölkerungsanteilen aus anderen Religionen, HIV-Waisen…, man könnte den Eindruck bekommen, dass die allermeisten Christen auf diesem Planeten deutlich andere Fragen beschäftigen, als unsere Gemeinden in Deutschland.
Die weltweite Gemeinde Jesu…
…kümmert weniger, ob Frauen predigen dürfen oder nicht
…kümmert weniger, welches der richtige Gottesdienststil ist
…kümmert weniger, wie fehlerfrei unsere Theologie ist
…kümmert weniger, ob wir nicht zu charismatisch sind
…kümmert weniger, wie Evangelikale in den Medien dargestellt werden
Für manche Diskussionen, die wir in Deutschland so führen, muss man aus der weltweiten Perspektive ganz klar sagen: Wir sind damit allein.
Und doch ist es auf dem Lausanne-Kongress wieder und wieder mit Händen zu greifen: Wir sind als Nachfolger Jesu keineswegs allein Teil der weltweiten Gemeinde Jesu.
Im Westen haben wir halbwegs akzeptiert, dass die Kirche Werkzeug Gottes ist, damit Menschen „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2,4). Ich habe den Eindruck, dass wir an vielen Stellen neu lernen müssen, dass Gott auch zur Erfüllung von Psalm 147,6 ein Werkzeug benutzen will – die weltweite Gemeinde Jesu.
John Piper sagte dazu heute morgen: „For Christ’s sake we as the church care about all suffering in this world, especially eternal suffering – if we resist one of both, we either have a defective view of hell or a defective heart.“ – „Um Christi willen lässt uns als Gemeinde das Leid der Welt nicht kalt, vor allem das ewige Leid. Und wenn wir eins von beidem außen vor lassen, dann haben wir entweder ein verkorkstes Verständnis von Hölle oder ein verkorkstes Herz.“
Weitere persönliche Eindrücke vom 3. Lausanner Kongress lesen Sie im Blog des Autors pixelpastor.com, aktuelle Interviews und Berichte vom Kongress finden Sie in der ERF Radio-Rubrik ERF aktuell
Ihr Kommentar
Kommentare (4)
Ist das wirklich so, daß es einen Christen nicht kümmert, wenn Gott in seinem Wort dazu klar, etwas sagt?
Die weltweite Gemeinde Jesu…
…kümmert weniger, ob Frauen predigen dürfen oder nicht
…kümmert … mehrweniger, welches der richtige Gottesdienststil ist
…kümmert weniger, wie fehlerfrei unsere Theologie ist
…kümmert weniger, ob wir nicht zu charismatisch sind
…kümmert weniger, wie Evangelikale in den Medien dargestellt werden.
Genauso wie das gehört werden will, was Gott zur Nächstenliebe, zum Dienst in der Welt und zu Evangelisation etwas sagt und dies gehört werden will, muß auch gehört werden, was es zu anderen Fragen sagt. Manches mag zu unterschiedlichen Zeiten bedeutsam sein, aber immer kümmert es einen Christen, was die Bibel dazu sagt.
Hervorragender Artikel! Wir Gläubige in Deutschland sind tatsächlich ganz schön mit unserer Selbstdarstellung beschäftigt und sind stark in der Disziplin "Grabenkämpfe". Und doch muß ich mich an die … mehreigene Nase fassen: Wie stark bin ich, um andern zu helfen, um den Namen Jesus weiterzutragen, um müde Füsse und schmutzige Hände einzuhandeln?...
hallo grace, ich gebe dir in vielem recht. es gibt eigene probleme, themen und sichtweisen in europa, die mit denen in drittweltländern nicht vergleichbar sind. m.e. gibt es jedoch eine große gefahr … mehrbei uns, um zweitrangiges zu kreisen und aus den augen zu verlieren, dass es total schwer geworden ist, menschen in europa Jesus nahezubringen. und dass es mehr konzentration auf diesen punkt auf gemeinsame strategien und gemeinsames gebet geben sollte.
Hallo Jörg,
danke für diesen Bericht! Es ist bewegend zu sehen, wo Gott durch seine Gemeinde wirklich Menschen aus misserablen Lebensumständen befreit.
Trotzdem würde ich Deinen Schlussfolgerungen … mehrnicht ganz zustimmen. Wir sind in Europe nun einfach mal sehr stark intellektuel geprägt und in dieser Situation sehe ich es auch als Aufgabe der Gemeinde in einer solchen Gesellschaft sich diesen Herausforderungen zu stellen. Ich bin überzeugt: Jeder Gemeinde in jedem Kontinent hat ihre ganz besondere Aufgabe und wir brauchen uns nicht miteinander zu vergleichen oder zu schauen, wer den besseren Fokus hat. Gleichwohl können wir voneinander lernen. Wir von den Christen in Schwellen- und Entwicklungsländern und umgekehrt sie von uns. Denn gerade in vielen lateinamerikanischen und afrikanischen Gemeinden gibt es m.W. intern viele Probleme, weil die Pastoren und Leiter sich kein so fundiertes Bibelwissen aneignen konnten, wie hier im Westen.
Und ob die "Frauenfrage" so nebensächlich ist, wage ich zu bestreiten. Für mich spiegelt sich in dieser Frage etwas von Gottes Schöpfungsordnung wider und ich weiß nicht, ob wir uns auf lange Sicht gesehen etwas Gutes tun, wenn wir hier meinen, verschiedenen Rollen sind nicht so wichtig. Das würden die meisten afrikanischen und indischen Kirchen vermutlich auch eher konservativ sehen...
Liebe Grüße Dir und noch einen guten Kongresse,
Grace