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08.08.2014 / Interview / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Theresa Folger

Was tun bei Brustkrebs?

Gynäkologe Dr. Michael Kiworr rät zu Gebet statt Panik.

ERF.de: Man kann sich vor vielen Dingen in Acht nehmen, um Brustkrebs zu vermeiden – und trotzdem kann er ausbrechen. Wie weit ist die Sorge davor berechtigt?

Dr. Michael Kiworr: Wenn man das Internet oder Laienveröffentlichungen durchschaut, kann einem in der Tat Angst und Bange werden. Aber die vielen Er­fahrungs­berichte und Leidensgeschichten im Internet sind nicht kontrolliert.

Auch werden viele positive Nachrichten zu Brustkrebs im Internet nicht kommuniziert: Kaum eine Krebserkrankung ist so gut untersucht wie Brustkrebs, gerade weil er häufig vorkommt. Prinzipiell kann man sagen: Eine gesunde Vorsicht ist ange­raten. Man sollte Vorsorgemöglichkeiten wahr­nehmen, ohne in Panik zu verfallen.

Die Pharmaindustrie steht oft am Pranger

ERF.de: Es gibt es eine Fülle an Möglichkeiten zur Vorsorge, seien es Vitamine oder extra Untersuchungen. Nutzen Pharmakonzerne die Angst vor einer Erkrankung aus, um damit Geld zu verdienen?

Dr. Michael Kiworr: Die Pharmaindustrie steht oft am Pranger. Manchmal zu Recht, manchmal auch zu Unrecht. Grundsätzlich gilt, dass Medikamente erst ihren Nutzen bewiesen haben sollten und gegenüber Nebenwirkungen abgewogen werden müssen. Bei vielen Vitaminpräparaten ist ein Nutzen beispielsweise nicht bewiesen, oder sie lassen sich mit gesunder Ernährung viel besser zuführen.

Generell braucht jedes Medikament eine klare Indikation. Was man ebenfalls sicher sagen kann: Eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung, regelmäßiger Sport und Vermeiden von Übergewicht bedeuten ein geringeres Risiko für Brustkrebs. Ist dieser bereits aufgetreten, verbessern diese Maßnahmen die Prognose deutlich!

Es gibt immer ein Zuviel und ein Zuwenig

ERF.de: Wie sieht es mit dem Mammographie-Screening aus? Das steht zurzeit ebenfalls in der Kritik.

Dr. Michael Kiworr: Auch hier gibt es ein Zuviel und ein Zuwenig. Das ist das Dilemma der Mammo­graphie: Einerseits werden dadurch manche Karzinome aufgedeckt, andererseits aber auch viele nicht relevante Vorstufen entdeckt. In Holland schafft man das flächendeckende Screening gerade mit folgendem Argument ab: Bis man überhaupt Frauen mit einem Karzinom entdeckt, hat man mehrere Frauen unnötig behandelt. In Deutschland wird der Nutzen des Screenings noch diskutiert.
 

ERF.de: Das klingt für einen Laien alles ziemlich verwirrend. Wo kann ich mich vernünftig informieren?

Dr. Michael Kiworr: Man sagt so schön „bei einem Arzt des Ver­trauens“. Aber wer weiß schon, welcher Arzt sich mit welchem Thema speziell auskennt? Wo man sich auf jeden Fall nicht informieren sollte, ist das Internet. Die Informationen dort sind viel zu ungeprüft und unkritisch. Es gibt zertifizierte Brustkrebszentren, die mit ihrer großen Erfahrung besser und gezielter helfen können. Es ist auch sinnvoll, sich bei einer Erkrankung wie Brustkrebs oder schwierigen Therapieentscheidungen eine Zweitmeinung von einem anderen Arzt einzuholen.

Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit

ERF.de: Wie kann man eine Entscheidung treffen, wenn die Meinungen auseinandergehen?

Dr. Michael Kiworr: Für mich ist es wichtig, bei jeder Überlegung das Gebet voranzustellen. Gerade bei Entscheidungen, die nicht so klar zu treffen sind. Oft bespricht der Arzt mit der Patientin mehrere Möglichkeiten, die sie abwägen muss. Das kann man negativ sehen, weil viel Verantwortung auf die Patientin abgewälzt wird. Andere sehen es positiv, weil die Patientin in die Entscheidung aktiv miteinbezogen wird. Aber das überfordert manchmal auch. Hier kann das Gebet eine Hilfe sein, um in dieser Situation den richtigen Weg zu finden.
 

ERF.de: Manche dieser Wege sind sehr radikal. Im letzten Jahr hat sich Angelina Jolie vorsorglich die Brust  amputieren lassen, weil ein Gentest ein erhöhtes Krebsrisiko gezeigt hat. Ist so ein extremer Schritt zur Prävention notwendig?

Dr. Michael Kiworr: Nur etwa 5 bis 10 Prozent aller Brust­krebs­erkrankungen sind genetisch bedingt. Das bedeutet nicht, dass Frauen mit dieser Veranlagung automatisch Brustkrebs bekommen – sondern dass sie es statistisch gesehen 20 Jahre früher bekommen können als ohne diese Mutation.

Andersherum ist es genauso: Selbst wenn man das Brustgewebe entfernt, kann man Brustkrebs bekommen. Zwar ist das Risiko gemindert, aber es gibt nie eine hundertprozentige Sicherheit. Deshalb muss man eine präventive Amputation sehr genau überlegen. Das ist ein massiver Eingriff in den Körper und kein Schritt, den man unbedingt gehen muss. Man kann ihn gehen. Aber eine Patientin sollte mit dem Arzt genau besprechen, ob das für sie sinnvoll ist.

Zurückschauen hilft nicht weiter

ERF.de: Bei Behandlungsfragen scheint es keine einfachen Antworten zu geben. Zudem heißt es, dass viele Frauen übertherapiert seien und Brustkrebs kein medizinischer Notfall sei. Was sagen Sie dazu?

Dr. Michael Kiworr: Das ist umstritten. Die einen halten jeden Krebs für einen Notfall, der zügige Behandlung erfordert. Andere sagen: Brustkrebs ist so gut behandelbar, dass man auch noch eine gewisse Zeit zum Abwägen von Therapien hat. Die Wahrheit liegt dazwischen. Jeder Tumor ist anders. Daher muss man sehr genau überlegen, welche Therapie für die spezielle Patientin die sinnvollste und wichtigste ist.
 

ERF.de: Haben erkrankte Frauen manchmal den Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben, weil es so viele Vorsorgemöglichkeiten gibt?

Dr. Michael Kiworr: Ja, das kommt vor. Aber ich erlebe es nicht häufig. Ist die Erkrankung aufgetreten, ist das Zurückschauen müßig. Dann muss man nach vorn blicken und die aktuellen Möglichkeiten abwägen. Eine mögliche Lehre ist, Töchter in der Familie frühzeitig zu untersuchen. Sie sollten Vorsorgemöglich­keiten umso mehr wahrnehmen.

Gott in die Behandlung miteinbeziehen

ERF.de: Wie kann der Glaube helfen, um mit Angst vor einer Krebserkrankung umzugehen?

Dr. Michael Kiworr: Der Glaube an Jesus Christus ist für mich das A und O. Manchmal wenden wir uns erst an Gott, wenn die Ärzte nicht weiterhelfen können. Aber ich finde es wichtig, Jesus immer und von vornherein miteinzubeziehen. Die richtige Behandlung durch Ärzte kann ja auch eine Antwort auf unsere Gebete sein. Außerdem ist der Glaube ein Fundament, das einen durch die Behandlung trägt. Brustkrebs gilt heutzutage eher als chronische Erkrankung, die keinesfalls zum Tode führen muss. Aber man muss mit ihr leben, und das oft über einen längeren Zeitraum.

 

ERF.de: Auch Christen werden krank. Kann sich da der Glaube nicht auch als Bumerang entpuppen?

Dr. Michael Kiworr: An Jesus zu glauben bedeutet nicht, dass man automatisch vor allem gefeit wäre. Aber es bedeutet, einen Begleiter zu haben, der einen nie alleine lässt. Das finde ich unglaublich wichtig und hilfreich. So empfinden das auch viele Patientinnen. Die Diagnose Brustkrebs ist ein tiefer Lebenseinschnitt. Manch eine Patientin sagt: Ich habe durch diese Diagnose gelernt, mein Leben viel bewusster zu leben und mich mehr auf Gott einzulassen. Andere haben darin sogar langfristig etwas Positives gesehen und Gottes Segen erlebt. Keiner wünscht sich diese Diagnose. Aber der Glaube an Gott kann helfen, damit gut umzugehen.
 

ERF.de: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Dr. Michael Kiworr ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Zudem hat er eine Fachweiterbildung in gynäkologischer Onkologie absolviert. Er arbeitet als Oberarzt an einer Klinik in Baden-Württemberg. Dr. Kiworr ist verheiratet und hat zwei Söhne.  

 Theresa Folger

Theresa Folger

  |  Redakteurin

Diplomkulturwirtin und Redakteurin, beschäftigt sich vor allem mit den Themenfeldern „mentale Gesundheit“ und „Persönlichkeitsentwicklung“. Mit ihren zwei aufgeweckten Mädels entdeckt sie dabei regelmäßig neue spannende Aspekte.

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Kommentare (1)

Dr. med. Marlis R. /

Sehr geehrter Herr Kollege,
Ihre Einstellung kann ich nur bejahen.
Vor 4 Jahren wurden bei mir durch Mammographie verschiedene Brustkrebsnester in e i n e r Brust entdeckt, dazu noch mehr

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