Navigation überspringen
© Gerth Medien

06.04.2015 / Buchauszug / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Titus Müller

"Mir reicht's, ich geh fischen!" (2)

Buchauszug zu Ostern von Titus Müller

An Ostern begegnen die Jünger Jesus zum ersten Mal. Doch in den Tagen danach bleiben viele Fragen bei den Jünger offen; besonders bei Petrus. Er schämt sich dafür Jesus verleugnet zu haben. Titus Müller hat in seinem Buch „Der den Sturm stillt. Begegnungen mit Jesus“ eine wichtige Begegnung zwischen Petrus und Jesus nacherzählt. Mit Zustimmung des Verlages präsentieren wir heute den zweiten Teil dieser kurzen Geschichte.


Stunden später verblassten die Sterne und der Himmel färbte sich zartrot. Die vergoldeten Dächer der fernen Burg in Tiberias glänzten im ersten Licht des Tages. Längst war das Feuer niedergebrannt, das Jesus am Seeufer angezündet hatte. Thomas, Andreas und Philippus hatten aber noch lange nicht alle ihre Fragen gestellt. Was genau sollten sie den Menschen sagen? Wie lange würde er bleiben? Was hatte es mit den Wohnungen auf sich, die er für sie errichtete, dort, wo Gott war? Wann würde er sie dahin bringen?

Petrus beteiligte sich nicht am Gespräch. Er wartete auf ein freundliches Wort von Jesus, auf ein Zeichen, dass er ihm verziehen hatte. Es kam nicht. Im Gegenteil, er hatte sogar das Gefühl, dass Jesus kaum zu ihm hersah.

Seine Freude über das Wiedersehen verwandelte sich mehr und mehr in lähmende Traurigkeit. Er spürte deutlicher denn je, dass sein Verrat in der Nacht der Kreuzigung zwischen ihnen stand. War es nicht schon ihre vierte Begegnung seitdem? Jesus sprach die Sache nicht an, und er selbst, Petrus, besaß nicht den Mut dazu.

„Ich kenne diesen Mann nicht!“, hatte er beteuert, dreimal. Anstatt Jesus in der schwersten Stunde beizustehen, hatte er ihm den Rücken gekehrt. Dann war Jesus auferstanden, und er hatte ihn von allen Jüngern zuerst gesehen, kurz nur allerdings. Anschließend war Jesus zu ihnen ins Obergemach gekommen, dorthin, wo sie das letzte Abendmahl gefeiert und sich nach der Kreuzigung eingeschlossen hatten, voller Angst, dass die Abgesandten des Sanhedrins kämen, um auch sie festzunehmen. Eine Woche später besuchte er sie noch einmal und ließ sich von Thomas berühren, er bewies ihm, dass er kein flüchtiges Geistwesen war, sondern real und wirklich auferstanden.

Aber zwischen ihnen beiden, Jesus und ihm, war es nicht wieder dasselbe gewesen. Auch heute, wo er vor Freude ins Wasser gesprungen und zu Jesus hingeschwommen war, hatte Jesus ihn eher reserviert empfangen, so fühlte es sich zumindest an. Wie konnte er ihn um Vergebung bitten, was sollte er sagen, um seinen schrecklichen Verrat zu entschuldigen?

Nathanael, der begonnen hatte, die Fische zu zählen, rief begeistert: „Hundertdreiundfünfzig! Die verkaufen wir an die Einsalzer in Jerusalem. Oder was meint ihr?“

„Nicht alle“, widersprach Jakobus. „Die Größten können wir gleich hier loswerden. Das bringt mehr ein und wir müssen nicht die ganze Menge nach Jerusalem transportieren.“

Jesus stand auf. Er nickte Petrus zu und fragte leise: „Gehen wir ein Stück?“

Petrus begriff. Nun würde sie kommen, die Aussprache. Sie gingen schweigend am Seeufer entlang. Er wusste, Jesus wartete darauf, dass er die Sache ansprach. Aber seine Kehle war wie zugeschnürt.

Nach einer Weile fragte Jesus: „Liebst du mich mehr, als mich die anderen lieben?“

Es schnitt ihm tief in das wunde Herz, tiefer als jeder Vorwurf, den er erwartet hatte. Er erinnerte sich gut an den Weg zum Ölberg, dunkel war es gewesen, sie waren nach dem letzten Abendmahl spazieren gegangen, zumindest hatte er damals geglaubt, dass es ein Spaziergang sein würde. Jesus hatte wieder einmal davon gesprochen, dass er sterben müsse und auferstehen würde, und hatte angekündigt, in dieser Nacht würden sich alle von ihm abwenden. „Wenn dich auch alle anderen verlassen – ich halte zu dir!“, hatte er, Petrus, stürmisch beteuert. Und Jesus erwiderte ihm, er würde noch in dieser Nacht dreimal geleugnet haben, ihn zu kennen, bevor der Hahn krähte. Stolz hatte er

geschworen: „Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, würde ich das nicht tun!“

Heute dachte er anders über sich. Seine frühere Arroganz beschämte ihn. Trotzdem liebte er Jesus, er liebte ihn sogar mehr als damals. „Du weißt“, sagte er mit Tränen in den Augen, „dass ich dich lieb habe.“

Jesus nickte. „Weide meine Lämmer.“

Sie gingen wortlos einige Schritte. Wenige Mannslängen vom Ufer entfernt durchbrach ein Fisch springend die Wasseroberfläche. Es platschte leise, als er wieder im See landete. In den Bäumen zwitscherten die Vögel und begrüßten den neuen Tag.

Jesus fragte: „Petrus, schlägt dein Herz für mich?“

Noch einmal dieselbe Frage? Er musste an Judas denken. Der hatte sich nach seinem Verrat umgebracht. War er, Petrus, denn wirklich besser? Er hatte geleugnet, Jesus überhaupt zu kennen! Er schluckte. „Ja, Herr“, brachte er heraus, „du weißt, dass ich dich lieb habe.“

„Hüte meine Schafe.“

Vielleicht hätte er sich doch andere Nachfolger suchen sollen. Welche aus der Oberschicht, gebildete Leute. Was hatte es Jesus eingebracht, sich mit Fischern und Zöllnern zu umgeben? Sie waren nicht nur begriffsstutzig, sondern hatten sich obendrein allesamt als unzuverlässig erwiesen.

Jesus blieb plötzlich stehen. Er sah Petrus ins Gesicht und sagte: „Brennt wirklich dein Herz für mich?“

Er zitterte vor Schmerz. Dreimal fragt er mich, dachte Petrus. Dreimal, so wie ich ihn dreimal verleugnet habe. „Jesus, du bist Gottes Sohn“, keuchte er, „du weißt alles. Auch in mein schwaches Herz kannst du sehen und kennst mich durch und durch. Ich habe dich lieb.“

Jesus legte ihm die Hand auf den Arm und sagte: „Weide meine Lämmer.“

Erst allmählich sank in Petrus’ Denken ein, was Jesus da eigentlich sagte. Er gab ihm einen Auftrag! Er erneuerte, was er damals gesagt hatte: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Die Aufgabe, Menschen für Gott zu gewinnen, war ihm nicht entzogen worden, er sollte wie ein Hirte für die Suchenden sorgen, er sollte die Schafe zur Weide führen, zur köstlichsten Weide, die es gab, zum Schöpfer!

„Es wird schwer für dich werden“, sagte Jesus. „Du wirst am Ende einen grausamen Tod sterben.“

Aber das erschreckte ihn nicht mehr. Er fühlte eine neue Kraft in sich, eine unbändige, tanzende, zuckende Freude, die ihn durchfuhr, sodass er nicht anders konnte: Er fiel Jesus um den Hals.

Jesus erwiderte die herzliche Umarmung. Er drückte Petrus fest an sich. Als sie sich wieder voneinander lösten, lächelte Jesus ihn an. „Rufe alle Menschen dazu auf, mir nachzufolgen“, sagte er, „taufe sie, und lehre sie, so zu leben, wie ich es euch geboten habe. Ich verspreche dir, ich werde bei dir sein.“


Weitere Geschichten mit Jesus erzählt Titus Müller in seinem Buch „Der den Sturm stillt. Begegnungen mit Jesus“.

Titus Müller über sein Buch bei "Gott sei Dank":

 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren