Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) schrieb einmal „Alles Leben ist Leiden“. Als ich dieses Zitat das erste Mal las, bäumte sich in mir die Wut auf. Was war das für eine pessimistische Aussage! Dagegen sprachen doch so viele schöne Momente im Leben, gefüllt mit Freundschaft, Erfolgserlebnissen, Veränderung und Hoffnung.
Doch als ich über das Zitat nachdachte, stellte ich fest, dass das Zitat den wunden Punkt eines menschlichen Lebens ziemlich gut trifft. Denn ist man nicht täglich mit großen oder kleinen Leiden konfrontiert? Schon der ganz normale Alltag trägt viele Herausforderungen in sich. Die hoch aufgestapelten Teller in der Spüle und die eng terminierten Aufgaben im Berufsalltag können einem leicht die Freude am Leben stehlen.
Leiden in jeder Hinsicht
Und was ist erst mit den selbstkritischen Gedanken, die manchmal innerhalb kürzester Zeit ins Ominöse wachsen und einem beinahe die Luft zum Atmen rauben? Was ist mit dem Gedanken, dass man nichts auf dem Kasten hat und daher auch nichts bewegen kann? Auch der Wunsch, endlich mehr in der Nachbarschaft zu tun, ist schon längst in den Hinterhalt gerückt. Die Vision und die Leidenschaft dafür ist verblasst und hinterlässt eine Leere. Bevor es losgeht, ist es schon zu Ende.
Das Leben ist hart. Permanent kämpfen, um etwas zu bewegen, weiterzukommen, sich zu verändern, das Leben in Fülle zu ergreifen. Doch das gelingt trotz Bemühung und Eifer nicht. Statt Perfektion erkenne ich Unebenheiten, Schattierungen, Löcher, Kanten und Ecken. Alles Leben ist Leiden. Wie wahr!
Auch Jesu Leben war Leiden. Noch mehr Leiden als mein Leben überhaupt zulässt. Er wurde verfolgt, niedergemacht und starb letztlich den brutalen Tod am Kreuz. Doch trotz des Leidens entschied er sich für das Leben auf der Erde. In einer muffigen, dreckigen Umgebung wurde er geboren und in ein sauberes Bettchen … nein, in eine alte Futterkrippe gelegt, aus der Tiere zuvor gefressen hatten. Da war nix mit Hygiene oder Desinfektion.
Doch das störte ihn nicht. Jesus hatte keine überhöhten luxuriösen Vorstellungen, wie seine Umgebung zu sein hatte. Ihm war das Geringe, das Unperfekte, das Unvollkommene gut genug. Diesen Ort füllte er mit seiner Gegenwart aus. Er machte diesen Ort zu etwas Heiligem, etwas ganz Besonderem.
Jesus entscheidet sich für mein halbfertiges Leben
Genauso entscheidet Jesus sich auch für mich und mein unvollkommenes Leben. Ich muss ihn nicht mit erreichten Zielen und einem erfolgreichen Lebensweg locken. Ich muss ihn nicht davon überzeugen, dass er es gut bei mir hat. Nein, er kennt mein Leben ziemlich gut und hat alles Unschöne im Blick. Trotzdem will er genau dieses Leben mit mir erleben, feiern und erleiden. Er stellt sich zu mir und entscheidet sich, nie mehr von meiner Seite zu weichen. Die Worte an seine Jünger gelten auch mir: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt. 28,20) Auch wenn mein Leben halbfertig und unperfekt ist, sagt Jesus entschieden „Ja“ zu mir. Lasse ich dieses „Ja“ auf mich wirken?
Ihr Kommentar
Kommentare (11)
Ja die echte liebe verzeiht, wartet, hofft, lässt sich an kreuz kreuzigen und auch auferstehen. Und das nicht nur für einen Menschen, sondern für alle anderen auch, die diese Opfer annehmen. Das ist der Zweck diser großartigen Liebe.
Genau das ist wahre Liebe von Nelli beschrieben:
Jesus hatte keine überhöhten luxuriösen Vorstellungen, wie seine Umgebung zu sein hatte. Ihm war das Geringe, das Un perfekte, das Unvollkommene gut genug!
lieben wir unsere Kinder nicht auch so?
Diese Gedanken sind sehr hilfreich, denn oft, wenn ich bete, plagen mich meine Unzulänglichkeit und Versäumnisse und lassen die Freude am Herrn verkümmern. Ich weiß zwar, dass das nicht richtig ist, will aber jetzt mehr über das hier Gelesene nachdenken.
Gesegnete Festtage wünscht
Erika J.
Vielen Dank für diese aufmunternde Andacht.
Es hat sehr gut getan zu lesen und zu wissen, ich muss nicht perfekt sein. Jesus ist immer bei mir, egal in welcher Situation.
Gottes Segen
Ja, Jesus ist bei jedem und er möchte bei jedem die auf Erden wohnen Gast sein. Ich finde dies was hier steht sehr gut.
Thomas aus Mähren, ich halte das nicht für legitim, die Europäer als "leidlose" , höchstens von selbst gebastelten Sorgen geplagte zu deklarieren, um nicht zu sagen zu diffamieren. Es gibt in … mehrunseren Breitengraden viel Leid in und nicht nur Wehwehchen. Es gibt viele Menschen die keine Lobby haben. Es gibt Ärztepfusch und Alleingelassen-Sein. Krebserkrankungen, dass einem davon schwindelig wird. Selbständige leben nicht ihr eigenes Wohlstandsleben. Sie sind ihre eigenen Knechte, mit voller Verantwortung für Arbeitsplanung, Kalkulation, Risiko und Mitarbeiter. immer die Zeitkeule im Rücken.... von wegen super abgesichert in Notzeiten!! Nicht viele vermeintlich Tapfere, die (nicht wegen unseren Wehwehchen jammern würden) wollten dieses Sklaventum mit hoher Steuerbelastung und immer klammen Rentenkassen mitmachen. Wenn wir doch aus uns heraus zufriedener wären, dann könnten wir wenigstens schön an der Sonne sitzen, den Tag mit smal-talk gemütlich an uns vorbeiziehen lassen.. warum widersprechen Sie sich und machen sich Sorgen wo das doch ein Affront gegen Gott und die Menschen ist?? Ich empfinde es als einen Affront, den Menschen nicht dort zu begegnen, wo sie stehen. Dass man für vieles dankbar sein kann steht außer Frage. Dieser Dank beflügelt und gibt den extrem Benachteiligten Gebets- und materielle Unterstützung und wir müssen uns nicht ständig als Wohlstands-Jammerlappen selbst beschimpfen, dafür, dass auf dem ganzen Erdball sinnlose Kriege geführt werden.
Danke für diese Ermutigung. Die brauch ich heut dringend.
Trotz der Begrenztheit, Vergänglichkeit, Fehlerhaftigkeit, Geldknappheit im Alltag und trotz der im Alter zunehmenden Wehwehchen halte ich das Sprechen vom Leid in meinem persönlichen Leben (und ich … mehrmeine auch im Leben vieler mitteleuropäischer Christen) für einen Affront Gott und den Menschen gegenüber, denen es wirklich dreckig geht. Man denke etwa an die Gewalt in Syrien, an Christen in Nordkorea, oder an die vielen Obdachlosen. Ich müsste eigentlich Gott für seine Bewahrung und Hilfe loben. Trotzdem erstickt dieses Lob und dieser Dank, weil man vor lauter Sorgen Gottes helfenden Arm nicht sieht. Und da gebe ich dem Autor Recht. Dass jemand halbwegs gesund ist, ein Dach über dem Kopf hat, gehen, laufen, sehen, genügend zu essen hat, warm gekleidet geht, Menschen um sich herum hat, die ihn lieben, und sonst noch an materiellen Gütern hat, ist nur und nur Gottes Gnade und niemals eigener Verdienst.
Danke für diese Ermutigung, sie kommt gerade zur rechten Zeit zu einem für mich ganz aktuellen Thema. Danke!
Vielen Dank f. diese Darstellung - besonders den letzten Abschnitt! Mut machend zu Mir zu stehen! Gleichzeitig auf dem Weg sein ... mit JESUS! Gesegnete Adventszeit!
Einfach klasse! Das Leben selbst nicht unrealistisch glatt gebügelt, und trotzdem Lebenswertes aufgezeigt. So gilt es also wieder einmal, das Jesus-Geschenk lebenslang auszupacken überallhin mitzunehmen, es nie langfristig zu verlegen oder gar ganz zu verlieren.