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© Stefan Stefancik / unsplash.com

01.01.2019 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Wolf-Dieter Kretschmer

Frieden erleben – mitten in unfassbarem Leid

Wolf-Dieter Kretschmer zur Jahreslosung 2019.

 


Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,

ob Stürme auch drohen von fern,

mein Herze im Glauben doch allezeit singt:

Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn!



Ich bin mit diesem Kirchenlied aufgewachsen. Mir reichen die ersten Worte, und ich kann die Melodie summen. So vertraut ist mir das Lied. Nie hätte ich mir träumen lassen, welche unglaubliche Geschichte hinter diesem Lied steckt.

Horatio G. Spafford (1822 bis 1888) hat es gedichtet. Er war Rechtsanwalt und hat mit seiner Frau Anna und den gemeinsamen vier Töchtern in Chicago im US-Bundesstaat Illinois gelebt.

Was kaum einer weiß: Horatio Spafford hat Schlimmes miterleben müssen. Beispielsweise sind sein Haus, samt Hab und Gut in Flammen aufgegangen. Damit nicht genug, zwei Jahre später hat er seine vier Kinder bei einem schweren Schiffsunglück vor der Küste Großbritanniens verloren. Alleine seine Frau Anna überlebte. 

Was für eine Tragik! Ich habe mich gefragt, wie dieser Mann ein solches Lied schreiben konnte. 

Die Antwort ist einfach und zugleich überraschend: Horatio G. Spafford hat in der christlichen Hoffnung auf geheimnisvolle Weise trotz unfassbarer Schicksalsschläge Frieden gefunden. 

Mit dieser Erfahrung steht er nicht alleine da. Vor und nach ihm haben Menschen Ähnliches erlebt. Das Vertrauen in Gott hat ihnen einen unerklärlichen, tiefen Frieden gebracht.

Frieden suchen

König David dichtete vor gut 3.000 Jahren ein Lied, das als Psalm 34 Eingang in das Gesangbuch des Volkes Israel gefunden hat. In diesem Lied lese ich folgenden Rat:

Suche Frieden und jage ihm nach. (Psalm 34,15)

Dieser Satz wurde von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen als Jahreslosung für 2019 ausgewählt. In der Bibelübersetzung Hoffnung für alle klingt das so: Setzt euch unermüdlich und mit ganzer Kraft für den Frieden ein!

Was David mir rät, hat er selbst vorgelebt. Er hat sich um äußeren und inneren Frieden bemüht. Genauso wie Horatio G. Spafford hat König David Schweres erlebt. Spafford verlor Haus und Kinder, David verbrachte 20 Jahre auf der Flucht vor einem Herrscher, der ihm nach dem Leben trachtete. David hat mehrfach die Möglichkeit gehabt, sich seines schlimmen Feindes zu entledigen. Jedes Mal hat er den Weg des Friedens gewählt und das Leben seines Feindes verschont. 

Mich beeindruckt die Haltung solcher Menschen. Sie ist grundlegend anders als das, was ich in meinem Umfeld beobachte. Sie weckt in mir den Wunsch, das genauso zu leben. Und so stellt sich mir die Frage: Wo muss ich suchen und wie finde ich Frieden? 

Am Anfang steht ein Entschluss

Bevor ich Frieden suche, geschweige denn ihm nachjage, muss ich ihn erst einmal haben wollen. Dazu muss ich einen ehrlichen Blick auf mein Leben riskieren und mich fragen: Lebe ich in friedlichen und versöhnten Verhältnissen? Je nach Antwort muss ich mich aufmachen und den Frieden suchen. Ich muss einen Entschluss treffen.

Interessant finde ich die Formulierung von David: „Jage dem Frieden nach.“ Das klingt ziemlich engagiert. Auf jeden Fall schwingen Entschlossenheit, Tempo und auch ein bisschen Hartnäckigkeit in diesem Wort mit.

Zwei Arten des Friedens

In der Bibel wird zwischen zwei Arten des Friedens unterschieden: der, den Menschen miteinander vereinbaren und Frieden, der von Gott kommt. Beide Arten des Friedens sind wichtig und lassen sich nicht gegen einander ausspielen.

  1. Jesus bringt es in seiner Grundsatzrede im Matthäusevangelium, die Kapitel 5-7, auf den Punkt. Er sagt: „Seelig (oder auch glücklich) sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Söhne genannt werden“, Matthäus 5,9. Mit anderen Worten: Friedensstifter sind besondere Menschen. Ihnen gelingt, wovon andere nur träumen können. Sie stiften dauerhaft Frieden. – vermutlich gelingt ihnen das, weil sie sich dazu entschlossen haben, Davids Rat zu verinnerlichen: Suche Frieden und jage ihm nach.
     
  2. Es gibt aber noch einen zweiten Frieden. Er kommt von Gott und hat eine ganz besondere Qualität, denn er entstammt einem versöhnten Verhältnis zwischen mir und meinem Schöpfer. Mir fällt es schwer, diesen Frieden zu beschreiben. Vielleicht so viel: Er ist das Ergebnis einer tiefen und heilen Beziehung zu Gott. Er bringt auf übernatürliche Weise Ruhe und Geborgenheit selbst in chaotische Verhältnisse. Jedes Mal, wenn ich diesen Frieden spüre, erlebe ich ihn als ein kostbares Geschenk. 
     

Was ich Ihnen und mir für 2019 wünsche

Ich verstehe die Jahreslosung aus Psalm 34 als einen Handlungsauftrag. Ich werde aufgerufen, Frieden zu suchen und ihm nachzujagen. Das bedeutet: Konflikte nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, sondern mich einmischen und überlegen, wie ich zu Frieden und Versöhnung beitragen kann.

Für das kommende Jahr wünsche ich Ihnen und mir aber auch den zweiten Frieden, den, der direkt von Gott kommt und mich tröstet und stärkt, wenn ich emotional, gesundheitlich oder anders mit dem Rücken zu Wand stehe.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein friedvolles und in jeder Hinsicht gutes Jahr.

 Wolf-Dieter Kretschmer

Wolf-Dieter Kretschmer

  |  Leiter Redaktion Theologie/Verkündigung

Der Theologe, Autor und Redakteur verantwortet die Verkündungssendungen, leitet die Redaktion Theologie und das Seelsorgeteam. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

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Kommentare (1)

Gerhard S. /

Neben der Aufforderung von David, den Frieden zu suchen, steht andererseits die Tatsache, dass er wegen seiner kriegerischen Handlungen den Tempel nicht bauen durfte. Seine Aufforderung, den Frieden zu suchen hat er also nicht immer selbst befolgt.
Mit freundlichem Gruß
Gerhard S.

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