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© Tobias Schuffenhauer / ERF

24.01.2017 / Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Tobias Schuffenhauer

Ein Wochenende im Kloster

Ein Selbstversuch von ERF Jess Moderator Tobias Schuffenhauer.

Worauf kommt es im Leben wirklich an? Wie komme ich zur Ruhe? Das sind die beiden Fragen, die ERF Pop aktuell seinen Hörern stellt. Doch damit nicht genug: Sie wagen auch den Selbstversuch! Die Moderatoren Miri Langenbach und Tobias Schuffenhauer haben sich für ein Stille-Wochenende in ein Kloster zurückgezogen, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Tobias hat über seine Zeit bei der Jesus-Bruderschaft im Kloster Volkenroda einen Erlebnisbericht verfasst.
 

13.1.2017 − 17 Uhr

Da bin ich also! Ein Stille-Wochenende in einem Kloster. Gerade habe ich mein Smartphone nicht nur auf „Lautlos“ gestellt, sondern AUS-gemacht. Unerreichbar. Moment, naja… Eigentlich isoliere ich mich ja selbst von der Außenwelt. Ich kapsele mich ab. Bin ich eigentlich immer so unter Strom?
 

Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 
Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 

Mein Kopf ist aufgebracht und nervös, so dass ich als Erstes dieses weiße Blatt hier handschriftlich füllen muss mit meinen Gedanken. Ich habe ewig nicht mehr mit der Hand geschrieben.

Worauf kommt es im Leben wirklich an und wie finde ich Ruhe? Diese beiden Fragen werden mich die nächsten Tage beschäftigen und vielleicht auch hart treffen. Das iPhone ist aus, die Smartwatch zeigt nur noch die Uhrzeit a: Der 1. Schritt zur „Ruhe“ ist getan. Ab jetzt befinde ich mich in einem Schneckenhaus. Ohne Ablenkung, News-Feed, Social-Media, Musik und SMS begegne ich nur noch mir selbst. Werde ich mir dabei ruhig in die Augen, in den „Spiegel der Seele“ schauen können und „Tach auch“ wünschen?
 

19 Uhr

Also eins kann ich jetzt schon nach den ersten zwei Stunden mit Gewissheit sagen: Beim ruhig herumsitzen werde ich wahnsinnig. Das berühmte „Beten und Arbeiten“ macht jetzt noch viel mehr Sinn, zumindest für mich. Ich brauche echt was zu tun.

Interessant ist, wie langsam die Zeit vergeht, wenn man auf nichts angewiesen ist. Ich bewege mich sogar langsamer, in der Hoffnung, die Zeit vergehe dann schneller. Was jedoch schon jetzt klar geworden ist: Je weniger Worte ich konsumiere oder laut ausspreche, desto stärker werden die Worte und Lieder der Gebetszeit. Gut, ist ja auch logisch: Mathematisches Prozentespiel… Aber die wenigen Worte bewege ich viel stärker in meinem Herzen. Ich gehe ihnen nach, spüre nach einer tieferen Bedeutung.

Erschreckend zu erkennen, wie sehr ich mich doch an Zerstreuung und Ablenkung gewöhnt habe. Und ich muss ehrlicherweise zugeben: Es fehlt mir! Die Zerstreuung meiner Gedanken… Ich sehne mich wirklich danach, meinen Kopf mal mit was anderem ablenken zu können. Ich habe das Gefühl, mein Kopf platzt sonst unter der Gedanken-Schwemme…
 

14.01.2017 – 8:51 Uhr

Die Gebetszeiten in der ältesten Zisterzienser Klosterkirche Deutschlands helfen wirklich zur Ruhe zu kommen. Dabei fällt mir auf: Im Grunde sind alle Worte, die ich laut ausspreche, Gebete oder Lieder an Gott. Abgefahren. Wirklich „Still“ ist es aber nicht in mir geworden. Alle zwei Minuten meldet sich eine Stimme in mir: „Du müsstest das mal googlen.“ – „Davon wär doch ein Foto schön!“ – „Was passiert eigentlich grad in der Welt – willst du nicht mal nachschauen?“

Dann fühle ich mich dumm, naiv und einsam. Weil ich es nicht weiß, weil ich mir einrede, ich müsste den Augenblick allein in meinen Erinnerungen festhalten und weil ich merke, dass ich den Austausch mit Frau, Freunden und Familie brauche.

Erkenntnis des frühen Tages

An Gott zu glauben heißt, ihm zu vertrauen. Wie könnte ich an einen unsichtbaren Gott glauben, wenn ich ihm nicht vertraute? Wenn ich ihm nicht alles anvertrauen könnte? Diese Erkenntnis lässt mich ein Stück ruhiger werden. Weil ich weiß, dass ich mich auf Gott verlassen kann. Egal, was auch passiert: Gott kann ich vertrauen, ihm kann ich mich anvertrauen. Das gibt mir Frieden ins Herz.
 

11:15 Uhr

Jetzt war ich spazieren – bei der Kälte und der Nässe aber keine gute Idee. Meine Schuhe sind vollkommen durchgenässt. Aber immerhin mal ‘ne kleine Runde von 3 Kilometern durch den Wald gegangen. Interessant, dass mir bei der Stille im verschneiten Wald und im Takt meiner gehenden Füße alte Lieder aus der Kinderzeit wieder ins Gedächtnis kommen. Auch ein Zeichen, dass sich die Ruhe so langsam in mir einstellen möchte?

Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 
Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 

So wirklich gedanklich ruhig geworden bin ich aber erst gerade beim Malen. Ich kann nicht malen. Aber diese Konzentration auf die Details, die lassen meinen Kopf ruhig werden. Das blendet alle tobenden Gedanken einfach aus.

Apropos: Analoge Bibeln sind echt… puh … Aber auf meine digitale darf ich ja nicht zugreifen… Ich suche nämlich folgenden Vers aus der Bibel: „Mein … ist unruhig, bis es Ruhe findet, oh Gott, in Dir.“
Gibt es diesen Vers überhaupt? Das Leben ohne Internet ist so dermaßen krass und kompliziert… Man bewegt sich in so unsicheren Sphären… Ich weiß gar nicht, ob es den Vers überhaupt gibt oder ob ich ihn mir gerad nur ausgedacht habe. Ja, auswendig lernen hilft, werden viele sicher sagen. War ich noch nie der Typ für… Und selbst wenn – ich könnte es ja jetzt auch nicht überprüfen… Egal, was ich über den Vers denke ist: Nicht nur das Internet und die ständige Erreichbarkeit lassen uns unruhig werden. Auch schon in biblischen Zeiten haben Menschen gemerkt: Mein Herz ist unruhig. Und wo fanden sie Ruhe? Bei Gott, ihrem Schöpfer. Der ihr Herz kennt wie keiner sonst. Das stand für sie offenkundig fest.

Erst jetzt kommt das erste Mal der Gedanke in mir auf: Wenn man die Ruhe einmal erlebt, dann merkt man, dass man ohne sie tatsächlich auch nicht leben kann. Beziehungsweise – nur so lange, wie man die Kraft hat, es zu verdrängen. Aber man kann sich nicht ewig „overpowern“. Irgendwann ist der Akku alle. Was für mein Smartphone gilt, gilt auch für meinen Kopf und mein Herz.
 

16:53 Uhr

Beglückt und beschenkt bin ich ob der Gabe der Musikalität, die in mich hineingelegt wurde in der ausgeschütteten, mystischen Eleganz unseres Schöpfers, und die ich eben in der großartigen Akustik der ältesten Zisterzienser Klosterkirche Deutschlands selbst erleben durfte. Besonders nach geht mir der Choral: „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude. A und O – Anfang und Ende bist Du.“

Jesus ist gekommen. Das ist ein Grund zur Freude. Er ist der Grund unserer Freude. Bei jedem Freuden-Juchzer ist es Jesus, der das in uns bewirkt. Er ist Anfang und Ende unserer Freude, unseres Lebens. Er ist Beginner und Vollender unserer Freude und unseres Lebens. Und mit seiner Freude zieht auch sein Frieden in uns ein. So, wie es die Engel den Hirten wünschen: „Frieden sei (in) den Menschen seines Wohlgefallens.“ Das ist der himmlische, göttliche Wunsch für unser Leben. Jesus ist gekommen, damit wir wieder echten Frieden finden können. Aufgemerkt: Finden, nicht machen! Seinen Frieden machen ist was anderes…! Ich glaube, nach dem echten Frieden können wir uns nur ausstrecken, können Gott sagen: „Ja, wir wollen deinen Frieden haben!“ Es liegt dann allerdings in Gottes Weisheit verborgen, wann und wie er uns in diesen Frieden mithineinnimmt.

Ganz interessant ist, dass der Jesus-Bruderschaft, bei der ich hier zu Gast sein darf, dieser Friede besonders wichtig ist. Jeden Abend sprechen sie sich gegenseitig zu: „Friede sei mit dir!“ Das hat mich wirklich tief berührt. Ehepaare, die sich vielleicht gestritten haben, schauen sich in die Augen und wünschen sich gegenseitig Gottes Frieden. Eltern sprechen das ihren Kindern zu, die vielleicht heute etwas angestellt haben. Gottes Frieden dürfen wir uns ehrlich zusprechen.
 

15.01.2017 – 8:15 Uhr

Ich glaube, man muss nicht in ein Kloster, um diese zwei Fragen zu beantworten, um die es mir hier ging. Worauf kommt es im Leben wirklich an? Und: Wie komme ich zur Ruhe? Aber gut, das war mir eigentlich auch schon vorher klar.

Aber die Isolation oder Abkapselung von den Irrungen und Wirrungen dieser Welt hilft durchaus, wieder einen Schritt auf sich selbst zuzumachen. Was im Alltag in dieser Form sicherlich schwierig wird. Was sind also meine Erkenntnisse?

Worauf kommt es im Leben wirklich an?

Es kommt nicht darauf an, wer du bist, sondern was Gott in dir sieht. Du musst nicht ins Kloster gehen, musst nicht auf Technik verzichten. Es reicht, wenn du ehrlich bist zu dir selbst. Und dann den Weg in die Begegnung mit Gott gehst. Gott will mit dir sprechen und er will alles von dir wissen. Was dich niederdrückt, bewegt und erfreut. Und dabei gibt es lauter „Fails“ auf dem Weg, klar. Du bist noch nicht bei den 100-prozentig fertig. Aber Gott sieht in dir schon die 100 Prozent und er geht mit dir auf dem Weg dahin, wenn du ihn lässt. Steh dir daher selbst nicht im Weg. Behindere dich nicht. Lass Jesus in dein Herz und dann lass es flowen. Vielleicht wirst du dich verändern – bestimmt sogar. Aber darauf kommt es an: Hin zu den 100 Prozent!

Wie finde ich Ruhe?

Auch bei der zweiten Frage kann ich nur meinen persönlichen Blickwinkel weitergeben und tue mich schwer damit, hier eine Pauschal-Antwort zu verfassen.

Zur Ruhe kommen, Frieden finden – ich tue mich da ehrlich schwer mit. Ich finde es schlimm in der Stille und Abgeschiedenheit. Es ist mir schlichtweg zu still, zu ernst. Es wühlt mich auf. Was aber durchaus auch an der kurzen Zeit liegen kann. Wahrscheinlich bräuchte ich eine Woche, um wirklich runterzukommen und still zu werden.

Trotzdem war der Verzicht auf Smartphone und Co absolut sinnvoll. Denn mit 24/7 Beschallung und Ablenkung kann ich ja keinen klaren Gedanken fassen. Geschweige denn im Herzen bewegen und zu Ende denken. Aber solche Dinge sind auch wichtig, wenn ich wissen will, wie es um mein Herz bestellt ist.
 

Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 
Bild: Tobias Schuffenhauer / ERF 

Gedanklich zur Ruhe komme ich beim Malen. Emotional zur Ruhe komme ich beim Musik machen. Mit dem wunderbaren Nachhall der Klosterkirche und bei jedem Oberton des Klaviers macht mein Herz einen Schritt auf Gottes Frieden zu. Die Musik bringt mein Innerstes nach außen, das ist ein Punkt meines Ausdrucks an Gott. Metaphysische Begegnung mit Gott, wenn man so will. Seinen Frieden schenkt er aber auf zahlreiche, unterschiedliche Art und Weise, glaube ich. Er ist der Erfinder der Kreativität. Er gibt sich nicht mit einem Schlag Menschen zufrieden, er kreiert und macht es für jeden so, wie er es braucht. Er kann gar nicht anders. Faszinierender Gedanke.

Übrigens − und das möchte ich am Ende auch noch erwähnen: Mein Klavierspiel diente nicht nur zum eigenen Wohl und Auferbauung. Wie ich eben mitbekommen durfte, hatte ich eine heimliche Lauscherin meines Spiels. Die junge Frau bedankte sich für mein Spielen und die schönen Lieder. Lieder, die sie tief berührt und angesprochen hätten. Und so hat Gott etwas, dass ich dachte nur für mich zu tun, wiederum gebraucht, um anderen Mut zu machen. Ich hatte ja keine Ahnung davon… So geheimnisvoll ist Gott, ist der Glaube, ist es ihm zu vertrauen.

Aber ich weiß: Wenn ich mich Gott hundertprozentig anvertraue, dann wird er mich nicht enttäuschen. Und er wird mich gebrauchen, um seine Herrlichkeit hier auf die Erde zu bringen. Er wird mir geben, was mein Herz sich wünscht – was es braucht. Meinen Frieden schenke ich euch – dann wird eure Freude vollkommen sein. In diesem Sinne.

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Kommentare (2)

Gerli /

Als 1. Antwort, worauf es mir im Leben ankommt, möchte ich zugeben, daß die jetzige Weltlage mich sehr verunsichert - vom Wetter bis zur Gesellschaft und Politik.
Aber selbst wenn ich das kenne und mehr

Julia /

Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich danke Ihnen, Tobias, dass Sie uns an diesen Gedanken teilhaben lassen. Ich war auch 3 Wochen alleine, in einem schweizerischen Bergdorf, um zur Ruhe zu kommen. Ich mehr

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