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© Erik Mclean / pexels.com

26.11.2023 / Gedanken zum Ewigkeitssonntag / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Dem Sterben einen Platz im Leben geben

Gedanken über den Tod lassen wir nur flüchtig zu. Ein Beter der Bibel hat einen anderen Umgang damit gefunden.

Mein Mann und ich, damals noch ohne Kinder, hatten den Urlaub nötig. Der Oktober war für uns ein sehr intensiver und arbeitsreicher Monat gewesen und in den Tagen vor der Abreise hieß es nur noch: „Durchhalten! Ab Montag können wir ausspannen.“ Wir wurden nicht enttäuscht, konnten entspannen und Abstand zum Alltag gewinnen. Der Blick auf die Bucht mit den zwei Inseln im Dunst und die Sonne, die Anfang November noch so warm schien, dass wir einmal sogar auf der Terrasse frühstückten, halfen uns dabei. Das Beste war, dass wir einfach die Zeit miteinander genießen und in den Tag hinein leben konnten, ohne eine Aufgabenliste erledigen zu müssen.

Bei all dem Schönen spürte ich trotzdem immer wieder einen Hauch von Melancholie und Vergänglichkeit. Zum Beispiel dann, wenn mir im grünen Innenhof des Hotels bewusst wurde, dass wir diese kleine Urlaubsperle schon in der zweiten Novemberwoche wieder verlassen würden. Warum gehen die schönen Momente im Leben oft so schnell vorbei oder werden gleich wieder von Katastrophenmeldungen in den Nachrichten überschattet?

Ähnlich ging es mir bei dem Besuch des kleinen Friedhofes am Ort. Wir standen dort kurz am landestypisch geschmückten Grab einer Frau, die 1976 geboren worden war und ihren Mann und zwei Kinder hinterließ. Sie war nur drei Jahre älter geworden, als ich es zum jetzigen Zeitpunkt bin. Rein theoretisch war mir in diesem Moment klar, dass eine Krankheit oder ein Unfall auch mein Leben jederzeit beenden können. Und trotzdem schien die Vorstellung völlig unwirklich, dass dann mein Mann meine Kinder und meine Eltern vor einem Grab stehen würden.

Eine klare Sicht auf Leben und Tod

Mein erster Impuls auf diese nachdenklichen Augenblicke war, sie zu verdrängen. Weg damit! Im Urlaub denkt man doch nicht daran, dass alles Schöne ein Ende hat und man eines Tages stirbt. Im nächsten Moment wurde mir aber klar, dass ich damit die Chance verpassen würde, auf das leise Reden Gottes zu hören. Es bestand für mich in einem Bibelvers, der immer wieder in meinen Gedanken auftauchte: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12).

Hier wird das Nachdenken über den Tod nicht als etwas Negatives gesehen. Stattdessen möchte der Beter, dass Gott ihm die Vergänglichkeit des Lebens deutlich bewusst macht. Eigentlich ein absurder Gedanke: Sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen, damit man mit der richtigen Perspektive lebt. Auf der anderen Seite ist er aber auch wieder logisch: Wie oft hört man, dass Menschen, die knapp dem Tod entkommen sind, das Leben viel bewusster und intensiver gestalten. Ist das nicht besser als das Leben gedankenlos an sich vorbeirauschen zu lassen und irgendwann festzustellen, dass man nie wirklich über wesentliche Fragen nachgedacht hat? Ich selbst spürte, dass diese Momente mir den Blick für eine größere und viel weitere Dimension öffneten: Die Ewigkeit.

Es war, als ob Gott zu mir sagte:

Ihr Menschen seht euer Leben wie jemand, der den Sternenhimmel nur über dem orangenen Dunst einer nie ruhenden Metropole sieht: Verschwommen und begrenzt. Ich will euch zeigen, wie die Sterne, wie das Leben aussieht, wenn man sie in der Wildnis vor einem dunklen, unbegrenzten Horizont sieht: Kristallklar und wunderschön.

Dazu müsst ihr aber einen Schritt zurücktreten und euch der Endlichkeit eures Lebens und eurer Möglichkeiten bewusst werden. Ihr müsst die Grenzen der hell erleuchteten Großstadt, den pulsierenden Alltag für eine Weile hinter euch lassen und euch stattdessen auf den dunklen Horizont konzentrieren.

Es mag sein, dass ihr dabei über Steine stolpert, die ihr im Licht einer Straßenlaterne umgangen hättet. Aber nur, wenn ihr den Mut habt hinauszugehen, könnt ihr zurückkehren und wissen, dass die Grenze der Stadt nicht gleichzeitig eure Grenze ist. Lasst die großen Fragen nach Leben und Sterben in euch zu, auch wenn sie schmerzen.

Dann werdet ihr erahnen, dass es etwas gibt, was über diese Welt hinausreicht. Eine Dimension, die unvergänglich ist. Euer Leben ist aus dieser Perspektive unendlich wertvoll und findet seinen Sinn in der Beziehung zu mir und der Wiederherstellung der Schöpfung.


Im Rückblick auf den Urlaub denke ich, dass es vielleicht diese kurzen Momente waren, die ihn zu mehr gemacht haben, als zu 192 Stunden Entspannung, Ruhe und Gemeinschaft. Das Bewusstsein, dass es mehr gibt, als wir hier auf dieser Erde sehen, gibt mir Geborgenheit. Das will ich mir auch bewusst machen, wenn ich wieder einmal nachdenklich und melancholisch bin, weil ein unbeschwerter Momente schnell verflogen ist, während manche Probleme nie aufzuhören scheinen. Seltsam, welche tiefgreifenden Gedanken ein paar unbeschwerte Tage doch haben können…

Der Toten- oder Ewigkeitssonntag am Ende des Kirchenjahres regt dazu an, über die Endlichkeit unseres Lebens nachzudenken. Der Gedanke dahinter ist nicht, das Leben zu verneinen oder es zu ernst zu nehmen. Vielmehr möchte der Gedenktag im Sinne von Psalm 90 Impulse dafür geben, zu überlegen, welche Bedeutung die sogenannten letzten Dinge wie der Tod, Gottes Richten über diese Erde und das ewige Leben auf unser Leben im Hier und Heute haben.
 

Was gibt meinem Leben Perspektive?

Was bedeutet es mir, dass nach christlichem Verständnis das Leben mit dem Tod nicht vorbei ist? Der Beter aus Psalm 90 hatte den Mut, Gott um eine klare Sicht auf Leben und Sterben zu bitten. Was hindert mich daran, dieses Gebet nachzusprechen? Was könnte ich dadurch gewinnen?
 

Bibeltexte und Impulse, um das Thema weiter zu vertiefen

 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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