Navigation überspringen
© Cristofer Jeschke / unsplash.com

20.01.2020 / Andacht / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Michael vom Ende

Das Schweigen des Thomas

Wenn Gott uns vor Staunen den Mund offen stehen lässt.

In die Geschichte ging es ein als das „Schweigen des Thomas“: 1265 begann der größte katholische Theologe nicht nur des Mittelalters, Thomas von Aquin, seine dreiteilige „Summa theologiae“ (Die Summe der Theologie) zu schreiben. Es sollte die bestmögliche Zusammenfassung der gesamten Theologie werden. Sie sollte aber nie vollendet werden. Wie kam es dazu?

Nach dem Studieren…

Es war der 6. Dezember 1273, Thomas schrieb am dritten und letzten Band seiner Theologie-Trilogie. Dieser Tag veränderte für den großen Theologen alles. Was an diesem Tag geschah, berichtet Bartholomäus von Capua: „Als Bruder Thomas die heilige Messe in der Kapelle des hl. Nikolaus feierte, ergriff ihn eine erstaunliche Veränderung. Nach seiner Messe hat er nicht mehr geschrieben, noch irgendetwas diktiert, vielmehr das Schreibgerät bei der Tertia seiner Theologischen Summe, beim Traktat über die Buße, weggelegt."

… kommt das Staunen und das Schweigen

Auf die Frage eines Bruders, warum er nichts mehr schreiben wolle, meinte Thomas:

Ich kann nicht mehr, denn alles, was ich geschrieben habe, scheint mir wie Stroh zu sein im Vergleich mit dem, was ich gesehen habe und was mir offenbart worden ist. – Thomas von Aquin

Bis heute ist sich die historische Forschung zwar nicht sicher, ob es sich bei dem überlieferten Ereignis mehr um eine Krankheit oder um ein mystisches Erlebnis handelt, aber: Thomas hat etwas gesehen und etwas in der Tiefe des Verstands, der Seele und des Gefühls verstanden. Das war mehr, größer, wertvoller als alles, was er bedacht und niedergeschrieben hatte. Das Ergebnis: „Ich kann nicht mehr schreiben“ – und so wurde seine Trilogie niemals beendet. Im darauf folgenden Jahr, 1274, starb dieser brillante Theologe.

Die Bibel berichtet in seinem ersten Teil (Altes Testament) einmal von einem ähnlichen Phänomen. Erlebt hat es einer der großen Propheten, Elia. Auch ihm begegnet Gott, und das war eindrücklicher als alles bisher Erlebte. Wie auch immer das „in echt“ abgelaufen sein mag, Gott selbst lud ihn zur Begegnung mit ihm ein. Die Bibel beschreibt es so:

„Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen“ (1. Könige 19,11).
 

Als Elia dieses „stille, sanfte Sausen“ hörte, wusste er, dass Gott da war. Nach dem anschließenden Gespräch zwischen den beiden notiert der biblische Bericht, dass Elia sein Prophetenamt an seinen Nachfolger übergab.

Wie bei Elia, wie bei Thomas von Aquin ist es gut, viel Wissen über Gott zu haben. Aber noch viel besser ist es, ihm zu begegnen. Diese Begegnung ist ein Geheimnis, dass mit Worten nicht zu fassen ist, sondern mit Schweigen. Seien Sie bereit, wenn er zu Ihnen kommt. Sehnen Sie sich nach diesem Moment?

 

Michael vom Ende

Generalsekretär von „Christen in der Wirtschaft e. V.“

www.ciw.de

 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren