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© LOGAN WEAVER | @LGNWVR / unsplash.com

09.12.2015 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Christine Keller

Arbeit, die sich lohnt (2)

Wie Sie an Ihren Schwächen arbeiten können.

Kein Mensch besteht nur aus einer kakaoüberzogenen, süßen Schokoladenseite. Stattdessen besitzen wir Stärken und Schwächen; gute und schlechte Eigenschaften. Über die guten Eigenschaften definieren wir uns gerne und andere Menschen schätzen sie an uns. Was ist aber mit den schlechten Eigenschaften: Wie gehen wir mit ihnen um? Halten wir sie für einen unabänderlichen Teil unserer Persönlichkeit oder sind wir bereit, an ihnen zu arbeiten?

Jörg Berger ist Psychotherapeut und überzeugt, dass es sich lohnt, an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Es ist zwar ein langer Prozess und kostet Kraft und Mühe. Aber:  Nicht nur man selbst profitiert von dieser Arbeit, sondern auch die Menschen um einen herum. Zuerst ist es jedoch notwendig, zu erkennen, welche Schwächen man hat, wo die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten liegen können und auf welche Art man dieses Verhalten ändern kann.

Stacheln identifizieren

Berger unterscheidet zwischen acht grundsätzlichen Stachel-Typen: Grenzen überschreiten, Blenden, Energie rauben, Einschüchtern, Abwerten, Vermeiden, Rächen und Menschen ohne Stacheln. Es ist durchaus möglich, dass man sich in mehreren Beschreibungen wiederfindet. Die ersten vier Stachel-Typen wurden bereits im Artikel „Arbeit, die sich lohnt“ (1) vorgestellt; dieser Artikel beschäftigt sich mit den letzten vier.

Abwerten

Gehen Sie mit einem kritisch-distanzierten Blick durch die Welt? Fällt Ihnen schnell auf, wenn andere Fehler machen und weisen Sie sie gerne darauf hin? Wenn „Abwerten“ Ihr Stachel ist, machen Sie sich zu einem allgemeingültigen Maßstab. Menschen fühlen sich in Ihrer Gegenwart häufig bedroht, verteidigen Ihr Verhalten oder gehen zum Gegenangriff über.

Vielleicht wurde Ihr Selbstwert in der Vergangenheit oft verletzt. Aus diesem Grund wenden Sie Maßstäbe, an denen Sie sich messen mussten, bei anderen an. Um von dieser negativen Perspektive loszukommen, sollten Sie Ihren Blickwinkel ändern: Betrachten Sie Ihr Verhalten von außen; so, wie es auf andere Menschen wirkt. Und betrachten Sie Menschen aus Ihrem Umfeld von innen: Warum handelt eine Person so, wie sie es tut? Welche Ursachen liegen möglicherweise dahinter? Aus dieser Sichtweise entwickelt man Verständnis für das Verhalten anderer Menschen.

Vermeiden

Ein größerer Konflikt zeichnet sich in Ihrem Freundeskreis ab. Was tun Sie? Sie umgehen die Situation. Sie wechseln das Thema, lassen sich für bestimmte Zeit nicht mehr blicken oder ziehen sich zurück. Sie gehen Situationen, die Ihnen Angst machen, nämlich grundsätzlich aus dem Weg. Das kann Menschen in Ihrem Umfeld verunsichern. Sie wissen nicht, woran Sie bei Ihnen sind.

Möglicherweise handelt es sich bei diesem Verhalten um eine Angewohnheit Ihrer Familie: Wenn Ihre Eltern Konflikten auch lieber aus dem Weg gegangen sind, kann es gut sein, dass Sie dieses Muster unbewusst übernommen haben. Aber auch diese Verhaltensweise kann man ändern: Versuchen Sie zunächst, in beängstigenden Situationen Ruhe zu bewahren. Überlegen Sie sich: Was können Sie dazu beitragen, die Situation zum Positiven zu verändern? Welche Fähigkeiten besitzen Sie, die in dieser brenzligen Situation gefordert sind? Vereinbaren Sie dann mit anderen Beteiligten Grenzen und Bedingungen, die Ihnen helfen, sich dem Problem zu stellen. Klären Sie anschließend die Erwartungen beider Seiten. Denn nur wenn man Gedanken und Gefühle offen anspricht, können andere Rücksicht auf sie nehmen.

Rächen

Jemand hat Sie enttäuscht, verletzt oder Ihnen etwas Gutes vorenthalten. Sie meiden diese Person daraufhin, distanzieren sich oder enthalten ihr im Gegenzug auch etwas Gutes vor. Sie schmieden zwar keine konkreten Pläne, aber es läuft darauf hinaus, dass Sie sich an der Person rächen. Das passiert häufig unbewusst. Deswegen ist es gar nicht einfach, sich selbst bei diesem Verhalten zu entlarven.

Vielleicht haben Sie ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und legen Ihr Verhalten und das Verhalten anderer auf eine Waagschlage: Was Sie von anderen nicht erhalten, geben Sie denjenigen auch nicht. Um zu vermeiden, dass Sie sich direkt oder indirekt an Menschen rächen, sollten Sie Auseinandersetzungen wagen. Sprechen Sie an, was Sie stört und sagen Sie, was Sie erwarten oder sich wünschen. Wenn Sie Fehler gemacht haben, geben Sie diese zu; im Gegenzug vergeben Sie, wenn andere Fehler gemacht haben. So können zwischenmenschliche Konflikte schnell aus dem Weg geräumt werden und ziehen keine unangenehmen Konsequenzen nach sich.

Menschen ohne Stacheln

Können Sie sich gut anpassen und streiten Sie fast nie? Stört Sie nicht, was andere stört? Dann sind Sie vermutlich stark harmoniebedürftig. Deswegen führen Sie ein gedankliches Bügeleisen in Ihrem Kopf mit sich und bügeln Konflikte, negative Eigenschaften von Personen oder Konsequenzen von schwierigen Situationen einfach glatt. Wo man keine Probleme wahrnimmt, gibt es keine.

Möglicherweise hatten Sie als Kind das Gefühl, nicht stören zu dürfen. Wenn Sie sich über etwas geärgert oder beschwert haben, hat es nichts verändern. Darum haben Sie gelernt, dass es einfacher ist, den Ärger einfach runterzuschlucken. Auf Dauer ist das natürlich keine Lösung. Außerdem: Ihr Umfeld wünscht sich von Ihnen, dass Sie auch mal Kontra geben.

Fazit

Erkennen, verändern und die Früchte seiner Arbeit genießen: Das ist die Art und Weise, die Jörg Berger im Umgang mit eigenen Stacheln empfiehlt. Auch, wenn es ein langer Weg mit vielen Stolpersteinen ist – die Mühe wird sich im Endeffekt lohnen.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Artikels Arbeit, die sich lohnt.

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

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