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© Gerth Medien

05.04.2015 / Buchauszug / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Titus Müller

„Mir reicht’s, ich geh fischen!“ (1)

Buchauszug zu Ostern von Titus Müller.

An Ostern begegnen die Jünger Jesus zum ersten Mal nach der Auferstehung. Doch in den Tagen danach bleiben viele Fragen bei den Jünger offen; besonders bei Petrus. Er schämt sich dafür Jesus verleugnet zu haben. Titus Müller hat in seinem Buch „Der den Sturm stillt. Begegnungen mit Jesus“ eine wichtige Begegnung zwischen Petrus und Jesus nacherzählt. Heute und morgen können Sie diese nachösterliche „Begegnungsgeschichte“ bei uns auf ERF.de lesen. Wir bedanken uns bei Gerth Medien für die Abdruckrechte.


Wieder einmal drehte sich das Gespräch um Jesus. Darum, wie gewisse Dinge gemeint gewesen waren, die er gesagt hatte. Petrus konnte es nicht mehr hören. „Das führt doch zu nichts“, schnaubte er und stand auf. „Mir reicht’s. Ich geh fischen!“

„Hast ja recht“, sagte Nathanael und stand ebenfalls auf. „Essen müssen wir. Ich komme mit.“

Auch Thomas und die Söhne des Zebedäus erhoben sich. Draußen bemerkte Petrus mit Genugtuung, dass eine ordentliche Mannschaft zusammengekommen war. Nur sein Bruder, Andreas, war dringeblieben, mit Philippus. Natürlich, die beiden diskutierten weiter, nichts anderes hatte er erwartet.

Er sagte: „Wir nehmen das Schleppnetz.“ Gemeinsam trugen sie das schwere Netz hinunter zum Boot. Es war eine schwülwarme Nacht, Petrus schwitzte, kaum dass sie das Netz im Boot verstaut hatten. Er zog sich das Obergewand aus. Wegen der Windstille würde das Segel heute nichts bringen. Nathanael und Thomas setzten sich als Erste an die Ruder. Man einigte sich auf die Rabenbucht. Dort war es recht tief, das Wasser war kühler als anderswo, und die Barsche mochten es kühl.

Er hoffte, durch die Arbeit Ablenkung zu finden. Seit Jesus hingerichtet worden war, quälte Petrus eine fürchterliche innere Unruhe. Er hatte sich beschämend verhalten, er war so feige gewesen in dieser Nacht! Obwohl er vorgehabt hatte, Jesus beizustehen, hatte er am Ende vor Angst behauptet, ihn nicht zu kennen, und hatte sich verdrückt. In der schwersten Stunde hatte er Jesus im Stich gelassen. Er verdiente es nicht, weiter zu den Schülern des Messias gezählt zu werden.

Sie fuhren nah an das Ufer heran. Nathanael und Thomas stiegen mit dem hinteren Ende des Netzes aus dem Boot und wateten an Land. Jakobus und Johannes wechselten auf die Ruderbank und legten sich in die Riemen. Während sie sich vom Ufer entfernten und Nathanael und Thomas in der Dunkelheit außer Sicht gerieten, hob Petrus Stück für Stück das Netz über den Bootsrand und ließ die Gewichte ins Wasser sinken. Schwimmer hielten den oberen Rand des Netzes an der Oberfläche. Es war ein neues, teures Netz, fünfhundert Schritt lang. Es hatte ein Vermögen gekostet.

Aus der Spannung des Netzes konnte er schließen, dass Nathanael und Thomas noch am Ufer standen und das Ende festhielten. Das ist es, was ich wirklich kann, dachte er. Ich bin Fischer. Ich habe Kraft in den Armen und weiß, wo es sich lohnt, das Netz auszuwerfen. Mehr nicht. Der Messias hat mich überschätzt. Ich selbst habe mich überschätzt.

Als das Netz in seiner ganzen Länge ausgelegt war, gab er den Brüdern ein Zeichen, und sie drehten bei und fuhren eine Viertelkreisbahn, wieder hin zum Ufer. Fünfhundert Schritt Netzmaschen strichen lautlos durch das Wasser und trieben die Fische vor sich her.

Sie kamen in Ufernähe. Die Brüder hatten gut gesteuert, Nathanael und Thomas standen nur ein paar Schritte entfernt da. Petrus warf den Anker aus und alle drei verließen sie das Boot und wateten mit dem Netzende in ihren Händen ans Ufer. Dann begann die Plackerei. Zu fünft hievten sie das Netz heran, Petrus, Johannes und Jakobus zogen am einen Ende, Thomas und Nathanael am anderen, bis ihnen die Oberarme schmerzten. Menschen sollte er fischen, hatte Jesus ihm gesagt. Aber das hatte er ihm lange vor der grausigen Nacht aufgetragen, vor seinem Verrat. Jetzt würde er so etwas nicht mehr sagen. Wie sollte er, eine Memme, für den heiligen Gott Menschen gewinnen?

Er runzelte die Stirn. Müssten nicht langsam die ersten Fische über das Ufer springen? Es gab immer ein paar, die an Land zu entkommen versuchten und die man dann ins Netz zurückscheuchen musste. Wo blieben sie?

Das Netz glitt auf den nassen Sand. Es war an etlichen Stellen gerissen. Nur zwei dicke zuckende Leiber hingen darin, wertlose Welse. Kurz überlegte Petrus, ob er vorschlagen sollte, dass sie die Fische versteckten und heimlich an die Heiden verkauften, am See Genezareth lebten genug Römer und Griechen. Welse waren dem Gesetz nach unrein, ein Jude aß so etwas nicht. Aber dann packte er die sich windenden Fischleiber und warf sie zurück in den See. Die Welse klatschten auf die Wasseroberfläche und tauchten mit einem Schwanzschlag ab.

„Nichts!“, rief Thomas voller Enttäuschung. „Wie kann das sein?“

„Und das Netz ist auch hinüber“, stöhnte Jakobus. „Das wird ’ne Sisyphusarbeit, die gerissenen Stellen zu flicken.“

Petrus stampfte zum Boot, Wasser spritzte an seinen Beinen herauf. Er stieg ins Boot und sah vorn im Stauraum nach. Als er das kleine Wurfnetz fand, setzte er sich grimmig auf die Ruderbank.

„Was machst du?“, fragte Johannes. „Das hat doch keinen Zweck!“

Er war zu wütend, um sich zu erklären. „Rein oder raus“, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

„Und das Schleppnetz?“ Johannes hob tadelnd die Brauen. „Soll das hier liegen bleiben?“

Die anderen konnten nichts dafür, dass kein Fang im Netz gewesen war. Trotzdem funkelte er sie zornig an, er konnte nicht anders. „Wenn ihr keine Lust habt zu fischen, dann bleibt eben am Ufer.“

Da kamen sie, sichtlich ungehalten. Am Ufer bis zum Morgengrauen herumsitzen, das wollten sie auch nicht. Er ließ niemanden neben sich auf die Ruderbank, er brauchte jetzt eine Aufgabe, um sich abzureagieren. Mit kräftigen Zügen brachte er das Boot hinaus auf den See. So ruppig ruderte er, dass ein Ruder über die Wellen schlug und Johannes nass spritzte.

Moment mal, machte sich da jemand am Netz zu schaffen? „He!“, brüllte er. „Hände weg von unserem Schleppnetz!“ Es tat gut zu schreien. „Hast du mich nicht gehört?“ Jetzt war er ganz sicher, da war eine Gestalt am Ufer.

„Kinder“, rief die Gestalt, „habt ihr was gefangen?“

Kinder?

Bevor er eine wütende Antwort geben konnte, rief Johannes: „Nichts, leider.“

„Werft das Netz auf der rechten Seite aus“, rief die Gestalt. „Dann werdet ihr eine große Menge Fische fangen.“

Wie erstarrt saßen sie im Boot. Nahezu dasselbe hatte Jesus vor drei Jahren gesagt, als er in Petrus’ Boot gestiegen war, um zu den Menschen am Ufer zu predigen. Es war der Tag gewesen, an dem er ihn beauftragt hatte, andere für Gott zu gewinnen. Machte sich da jemand über sie lustig? Aber er hatte überzeugend geklungen, nicht so, als wollte er scherzen.

Petrus ließ die Ruder sinken. Er kroch nach vorn zum Stauraum und zog das kleine Wurfnetz hervor. Die anderen sagten nichts, jeder von ihnen rang mit derselben Frage. Er warf das Netz aus. Weit aufgefächert klatschte es aufs Wasser.

Einige Momente wartete er, während das Netz hinabsank. Dann zog er an der Leine, um das Netz zu schließen, und wollte es einholen. Aber es gelang ihm nicht. „Helft mir mal“, sagte er. „Ich glaube, es hängt fest.“

Die anderen griffen zu. Schwerfällig bewegte sich das Netz nach oben. Das Wasser kam in Bewegung, Dutzende Karpfen und Barsche wühlten die Oberfläche auf. Das Netz war prallvoll! Jeden Moment konnte es reißen. Sie würden es unmöglich an Bord hieven können.

Waren sie nicht immer noch in dem Bereich, den sie eben schon befischt hatten? Kein einziger Fisch war zu sehen gewesen. Wo kamen plötzlich diese Barsche und Karpfen her?

Genau dasselbe war damals geschehen, als Jesus zum ersten Mal in seinem Boot mitgefahren war. Petrus ließ das Netz los. Er richtete sich auf und sah zum Ufer hin. Das Herz schlug mit solchem Übermut gegen seine Rippen, dass er meinte, ihm müsste gleich die Brust zerbersten. Jesus gab ihn nicht auf, ganz egal, was er getan hatte.

Er stieß sich vom Bootsrand ab und sprang ins Wasser. Das kühle Nass des Sees schmiegte sich an ihn, er wollte juchzen vor Freude. Jeden Schwimmzug machte er mit Schwung. Als er das flache Wasser erreichte, stürzte er ans Ufer.

Jesus hatte ein Feuer entzündet und röstete Fische darauf. Auch Brot lag auf einem Stein. „Komm“, sagte Jesus, „iss erst mal was. Du brauchst Kraft, mein Freund.“


Wie geht die Geschichte weiter? Lesen Sie den zweiten Teil morgen hier auf ERF.de. 

Titus Müller über sein Buch bei "Gott sei Dank":

 

 

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