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03.01.2008 / / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Elke Allaert

Mein Gott – und die Welt...: »Das Wunder Deutschland«

Natürlich bezieht sich dieses "Wunder" auf das Phänomen Fußball während der WM. 2006 ist ein wundervolles Jahr, in dem sich Fußballfans unterschiedlichster Couleur in den Armen liegen - wenngleich sie sich in "normalen" Zeiten der Bundesliga nicht einmal freundlich anschauen würden...

Wenn ein Chirurg und sein Team nach 93-minütiger Operation ein Leben wieder zusammengenäht hat und seine Gummihandschuhe in den Müll schießt, fallen ihm bestenfalls ein paar Angehörige um den Hals.

Wenn dagegen elf plus vier Mann auf der Ersatzbank endlich mal für 90 und ein paar Minuten ihren Job vernünftig machen, gibts Böllerschüsse, Hupkonzerte und Freibier. Dreifarbig bemalte Leute liegen sich, auch wenn sie sich gar nicht kennen, in den Armen und verstopfen bis in die frühen Morgenstunden laut singend die Straßen.

Um 7:30 Uhr schwanken uns an einer Tankstelle zwei handwarme Bierflaschen entgegen.

Sonsss sssinn wir immer so verschiiiin aba jezzzz sssin wir alle Deuschschland.

...strahlt mich der eine an. Der andere ist sich noch nicht schlüssig, ob er schon wach ist. Ich kann noch verhindern, dass er mir zur Bekräftigung um den Hals fällt. Ich glaubs ihm ja auch so. „Habt ihr hier im Auto übernachtet?“ staune ich. 
Nee, auffffm Paakplaßß. Unn jezz gehßß wieder ins Schtaadjonn.

Schon ein Phänomen. 22 Männer und ein Ball entscheiden nach weniger als zwei Stunden über die Stimmung in Stadion, Stadt, Land, Kontinent und manchmal noch darüber hinaus. Und über die Gesundheit derer, die sich nach dem Spiel begegnen.

Sonst immer: Nordkurve und Südkurve. Und dazwischen am besten ein E-Zaun mit der Spannung einer Jungbullenweide. Auf einmal geht’s. Sogar einige „nicht integrierbare Ausländer“ sollen sich mangels eigener Mannschaft solidarisiert und vorübergehend eingedeutscht haben. Bitte versteht mich nicht falsch – ich finds fantastisch!

Die Werbeindustrie verzeichnet einen gigantischen Umsatz – besonders der Erfinder der Fähnchen, die man in die Autofenster kurbelt! Das Stuttgarter Brauhaus schiebt Sonderschichten. Überhaupt hat die Gastronomie einerseits und die Entsorgungsbranche andererseits jede Menge Arbeitslose – wenigstens vorübergehend – von der Straße geholt.

Von jener Straße in der ein paar Christen Polizisten und anderem „Sicherheitszubehör“ mit einer Rose und einem christlichen Text „Dankeschön“ sagten, dass sie auf ihren Urlaub verzichtet haben und uns das Gefühl geben, da zu sein, wenn wir Schutz brauchen.

Politiker saßen einträchtig auf der Tribüne nebeneinander, für Maradonna wurde das Rauchverbot aufgehoben und Ghana durfte „God bless America and let Ghana win“ in die Kameras halten...

Vor Gott und der Großbildleinwand sind wir halt alle gleich.

Schade eigentlich, dass dieser paradiesische Zustand vermutlich bald wieder vorbei ist.

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