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© Anastasiia Chepinska / unsplash.com

28.03.2020 / Kommentar / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Wenn Corona mein Innerstes trifft

Was macht das Virus mit mir als Persönlichkeit? Und was kann ich daraus lernen?

Was macht das Corona-Virus eigentlich mit uns? Das frage ich mich immer wieder, wenn ich über bestimmte Reaktionen nachdenke, die mir in den letzten Tagen begegnen. In sozialen Medien wird derjenige vehement beschimpft, der es noch wagt, außer Haus zu gehen. Ich höre Vermutungen, dass das Virus möglicherweise bewusst in die Welt gesetzt worden ist.

Die einen klagen darüber, dass die Regierung nicht schon längst strengere Maßnahmen eingeleitet hat. Die anderen betrachten die ganzen Einschränkungen  als völlig unverhältnismäßig. Ich stolpere über eine plötzliche Empfindlichkeit, was humorvolle Bemerkungen angeht oder stehe staunend vor den leer gekauften Regalen im Supermarkt (nur nebenbei: beim Biosortiment sieht es meistens besser aus).

Corona macht etwas mit mir!

Während ich noch distanziert und scheinbar erhaben über solche Reaktionen nachdenke, merke ich, dass ich mich durchaus auch an meine eigene Coronanase fassen kann: Abgesagte Termine spornen meinen Ehrgeiz an, eine Alternativlösung zu finden. Wo kämen wir schließlich hin, wenn jedes dahergelaufene Virus meinen Terminplan durcheinanderbringen würde?! Hier füge ich mich offen gestanden nur zähneknirschend in das Unausweichliche.

Wo kämen wir hin, wenn jedes dahergelaufene Virus meinen Terminplan durcheinanderbringen würde?! Hier füge ich mich nur zähneknirschend in das Unausweichliche.

Außerdem lebe ich nach der Maxime, dass ein Worstcase-Szenario grundsätzlich nur in den wenigsten Lebenslagen tatsächlich eintritt. Deshalb fällt es mir auch schwer zu akzeptieren, wenn andere an dieser Stelle sensibler oder ängstlicher sind. Ich selbst reagiere hingegen vorschnell, wenn es darum geht, anderen meine Hilfe anzubieten – wie man das als guter Christ in einer solchen Lage schließlich tut. Im Nachhinein frage ich dann, wie ich es bloß stemmen soll, wenn tatsächlich alle Angesprochenen auf das Angebot zurückkommen.

Was mache ich mit Corona?

Einige Vorfälle und Beobachtungen verwundern und irritieren mich. Andere machen mich einfach nur traurig oder lassen mich in einem Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Das sind dann die Momente, in denen ich erahne, wie tief die Coronakrise manche Menschen trifft und noch treffen wird: Selbstständige, die um ihr Geschäft bangen. Alleinerziehende, die sich durch unbezahlten Urlaub, den sie für die Betreuung ihrer Kinder brauchen, um Gehaltseinbußen Sorgen machen. Ältere Menschen, die völlig isoliert und einfach nur dankbar für den kleinsten Kontakt sind – und sei er auch im virtuellen Raum. Und all das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, von dem, was Corona mit sich bringt und mit uns macht.

Corona macht etwas mit uns, mit mir. Das steht außer Zweifel! Die Frage, die sich mir in all dem stellt, ist: Was mache ich mit diesen ganzen Begegnungen, Reaktionen und Beobachtungen? Für eine abschließende Antwort darauf ist es noch viel zu früh, und die Fragstellung wird mich sicherlich noch eine ganze Weile beschäftigen.

Corona macht etwas mit uns, mit mir. Das steht außer Zweifel! Die Frage, die sich mir in all dem stellt, ist: Was mache ich mit diesen ganzen Begegnungen, Reaktionen und Beobachtungen?

Corona ist eine Chance zur persönlichen Veränderung

Fünf Punkte sind mir bislang aber schon wichtig geworden:

  1. Wo ich Verhaltensweisen als übertrieben oder überängstlich empfinde, möchte ich barmherzig sein. Jeder reagiert seinem Naturell und seiner Geschichte entsprechend anders auf die Herausforderung durch Covid-19. Selbst wenn ich gewisse Befürchtungen und Gefühle nicht nachvollziehen kann, will ich sie weder leichtfertig abtun noch mich darüber lustig machen. Wo es geht, möchte ich Mut machen oder zumindest einfach mal zuhören.
     
  2. Wo abstruse Theorien verbreitet werden, möchte ich freundlich, aber bestimmt widersprechen, ohne der Person dabei gleich ihren gesunden Menschenverstand abzusprechen. Frei nach dem schon etwas älteren Werbespruch: Sind wir nicht alle ein bisschen corona?
     
  3. Wo ich merke, dass ich vorschnell über ein Verhalten den Stab gebrochen habe, möchte ich Gott um Vergebung bitten – und um ein verändertes, weniger besserwisserisches Herz. Außerdem möchte ich lernbereit bleiben. Neue Fakten kommen täglich auf den Tisch, die Situation ist für alle Beteiligten neu. Da wäre es absurd, von Anfang an wissen zu wollen, was, wieso, weshalb und warum jetzt genau das Richtige ist. Das gilt auch im geistlichen Bereich. Christen können in dieser Krise viel voneinander und über Gott lernen, wenn sie bereit dazu sind.
     
  4. Wo ich in der Gefahr stehe, meinen christlichen Glauben vorschnell durch irgendwelche Taten oder Worte beweisen zu wollen, möchte ich innehalten. Vielleicht ermöglicht es mir meine eigene Situation nicht, großzügig Hilfsbereitschaft zu demonstrieren. Vielleicht muss ich das aber auch gar nicht. Möglicherweise hat Gott stattdessen kleinere Dinge vorbereitet, die ich tun kann, ohne dass sie mich überfordern. Trotzdem soll mich Hilfsbereitschaft kurzfristig auch mal herausfordern können und aus meiner Komfortzone herauslocken dürfen.
     
  5. Wo mir echte Not begegnet, möchte ich für die Person oder Situation beten – vielleicht wie selten zuvor in meinem Leben. Denn in manchen Fällen geht es auch um so viel wie selten zuvor. Vieles, was in diesen Tagen geschieht, geht über unseren menschlichen Wirkungsbereich heraus, macht uns verletzlich und hilflos – und das in einem historischen Ausmaß.
    Als Christin glaube ich, dass ich mich, meine Familie und Freunde aber auch unsere Gesellschaft Gott ganz anvertrauen kann. Ich will darauf vertrauen, dass er die Lage unter Kontrolle hat. Das in dieser Krise täglich neu durchzubuchstabieren ist vielleicht die größte Herausforderung, vor der sicherheitsverwöhnte, westliche Christen wie ich in dieser Ausnahmesituation stehen. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass auch Menschen, denen der christliche Glaube bisher eher fremd war, diesen Halt in Gott neu für sich entdecken.

 

Ach ja, und bevor ich es vergesse - Corona macht noch etwas mit mir, mit uns: Ich entdecke Eltern, die, ohne groß zu fragen, die Kinder anderer mitbetreuen. Ich staune über den unverwüstlichen Humor von Bekannten, die das Virus wirklich vor ungewöhnliche Herausforderungen stellt. Ich freue mich über die Nachbarn, die die Situation gelassen nehmen und mit ihren Möglichkeiten das Beste daraus machen. Auch hier gilt: Das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange dessen, was Corona mit sich bringt und aus uns macht.
 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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Kommentare (1)

Ina /

Sehr schöner Artikel und gute Gedanken zum Mitnehmen. :) Besonders, was das ab und zu besserwisserische eigene Herz angeht.. Danke!:)

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