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© Ilnur Kalimullin / unsplash.com

16.09.2019 / Bericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katja Völkl

Über das Leben türkischer Christen

Wer in der Türkei Christ wird, gilt als Staatsverräter.

 

Wer in der Türkei einen Döner bestellt, wird schnell feststellen, dass er nicht das bekommt, was er vermutlich erwartet hat. Ein echter türkischer Döner ist anders als der Döner in Deutschland. Und so ist es mit vielen Dingen, die in der Türkei anders sind als wir in Deutschland meistens denken.

Detlef Garbers ist Referent für Gebet und Mission bei der Missionsgemeinschaft DMG. Er hat acht Jahre in der Türkei gelebt und kennt die Unterschiede zwischen Deutschen und Türken: Speziell in der Art zu denken und zu leben. Er hat dort einen christlichen Buchladen geführt. Und das mit beachtlichem Erfolg: „Wir haben z. B. türkische Bibeln verkauft“, sagt Detlef Garbers. „Das war ein echter Renner.“

Verleumdungsversuch steigert Verkauf

Das besondere Interesse an den Bibeln entstand paradoxer Weise aufgrund einer Verleumdungsaktion eines türkischen Fernsehteams. „Die Fernsehcrew hatte einen Geldschein in einer Bibel versteckt“, erklärt Detlef Garbers: „Sie wollten die Botschaft verbreiten, dass wir versuchen, die Menschen mit Geld zu locken. Aber die türkischen Pastoren haben deutlich gemacht, was das für Verleumdungen sind. Denn jeder weiß, dass jeder, der dort Christ wird, viele Nachteile hat.“

Die Aktion des Fernsehteams führte dadurch dazu, dass überall über die Christen gesprochen wurde. Viele Menschen fingen an, sich dafür zu interessieren, was die Bibel – das Buch der Christen – denn genau für ein Buch ist.

Wer in der Türkei Christ wird, gilt als Staatsverräter

Dabei ist der Preis, den ein Türke zahlt, wenn er Christ wird, ziemlich hoch. Detlef Garbers schildert den Fall eines Freundes: „Als mein türkischer Freund seiner Familie sagte, er sei Christ geworden, sagte seine Tante zu ihm: ‚Damit hast du die Knochen Attatürks gebrochen. Du bist zum Staatsverräter geworden!‘“

Der Grund dafür, liegt in der Art, wie Türken über Religion und Nationalität denken. Sie sagen: Wer Türke ist, ist Moslem. Wenn ein Türke jedoch Christ wird, wendet er sich nicht nur vom Islam ab, sondern auch vom Türkentum / Türke-Sein .

Die Unterstellung, dass türkische Christen damit ihre türkische Identität verleugnen, macht ihnen oft sehr zu schaffen. Christen, die in der Türkei leben, lieben ihr Land und sehen die Türkei als ihre Heimat an.

Auch Detlef Garbers sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, er sei eine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Deshalb musste er schließlich die Türkei verlassen.

Info
Seit 2000 Jahren hat sich das Christentum auf dem Gebiet der heutigen Türkei verbreitet. Nach Jahrhunderten des Zusammenlebens beider Religionen zu einem fast ausschließlich von Muslimen bewohnten Gebiet gewandelt. Aufgrund historischer Belastungen wie des Völkermords an den Armeniern und Aramäern sowie der Vertreibung der Griechen machen Christen heute als religiöse Minderheit nur noch 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Etwa 100.000 Christen leben heute noch in der Türkei.

Das Hilfswerk Open Doors nennt die Türkei in seinem Weltverfolgungsindex auf Platz 26 und schreibt dazu: „Alle Christen in der Türkei sind durch fanatischen Nationalismus beeinträchtigt, insbesondere Christen mit muslimischem Hintergrund. Die Mischung aus Islam und Nationalismus betrifft auch andere Christen, die überwiegend ethnischen Minderheiten angehören (z. B. Griechen, Armenier, Syrer). Sie werden selten als vollwertige Mitglieder der türkischen Gesellschaft angesehen und stoßen auf alle möglichen rechtlichen und bürokratischen Hindernisse.“

Türkische Christen brauchen Gebet

Detlef Garbers bewundert daher den Mut der türkischen Christen. Die türkischen Gemeinden machen z. B. Straßeneinsätze. Sie sprechen Leute an und singen christliche Lieder. Es gibt diese Möglichkeit und sie wird von den Christen in der Türkei genutzt.

„Trotzdem brauchen unsere türkischen Geschwister Gebet“, betont Detlef Garbers. „Damit sie nicht den Eindruck haben, dass sie von ihren Geschwistern in Europa im Stich gelassen werden.“

 Katja Völkl

Katja Völkl

  |  Redakteurin und Moderatorin

Die gebürtige Münsteranerin ist für aktuelle Berichterstattung zuständig. Von Hause aus ist sie Lehrerin für Deutsch und Philosophie und Sprecherzieherin. Sie liebt Hunde, geht gerne ins Kino und gestaltet Landschaftsdioramen.

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