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© Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Sachsen-Anhalt

24.03.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Regina König

Reformationsjubiläum − ein Christusfest

2. Interviewteil mit Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt

Er sieht in der Reformation, die durch Martin Luther vor 500 Jahren ausgelöst wurde, eine kirchliche, politische und kulturhistorische Dimension, Dr. Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Wie steht der katholische Christ zur protestantischen Reformation, wie will er sein Bundesland präsentieren und wie sollten Christen in der heutigen Zeit für ihren Glauben einstehen? Regina König hat dazu den Ministerpräsidenten für Calando auf ERF Plus befragt. Im Folgenden lesen Sie den zweiten Teil der wichtigsten Auszüge aus dem Gespräch, den ersten Teil finden Sie hier

ERF: Eigentlich hat es das seit Menschengedenken noch gar nicht gegeben, dass eine Gesellschaft versucht, ohne bindende Religion und ohne Ideologie, wie zum Beispiel den Kommunismus, gemeinsam zu leben. Und es gibt genug Philosophen, die bezweifeln, dass etwa der Humanismus oder das Grundgesetz allein eine Gesellschaft auf Dauer kitten kann. Was ist Ihr Eindruck - bekommen Politiker mittlerweile kalte Füße bei der Vorstellung, dass uns das Bindeglied innerhalb der Gesellschaft verloren geht? Sogar Gregor Gysi sagt: „Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der niemand an Gott glaubt.“

Dr. Reiner Haseloff: Dieses Zitat von Gysi hätte ich jetzt auch gebracht. Er geht sogar in Teilen so weit, dass er sagt, er möchte sich keine Gesellschaft ohne Christen vorstellen und ohne Kirchen. Daran merkt man, dass es auch für einen Atheisten wichtig ist, dass es Institutionen gibt, die Orientierung geben und die eine klar gefestigte Position rüberbringen. Als Politiker machen wir uns natürlich Gedanken, wie der Zusammenhalt einer Gesellschaft sichergestellt werden kann. Oftmals ist man froh, wenn es in einem Ort, indem die  Kirche geschlossen ist, wenigstens noch die Jugendfeuerwehr gibt, die bestimmte Grundwerte des Füreinander-Einstehens vermittelt. Aber wer erklärt in 20, 30 Jahren noch die Präambel des Grundgesetzes „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“, wenn der erste Begriff faktisch wie eine mathematische Lehrstelle ist? Und was leitet sich daraus für das gesellschaftliche Leben in einer modernen, digitalisierten Welt ab, die globalisiert ist, aber deswegen ja nicht geringere Probleme hat? Wie kann Christentum als Sauerteig oder als Senfkorn wirken, auch wenn es nicht Mehrheitsstrukturen und volkskirchliche Strukturen aufweist, aber trotzdem gesellschaftlich wichtig ist? Diesen Fragen müssen wir uns stellen.

Staat muss Religionsfreiheit gewährleisten

ERF: Nun drängt besonders mit den Flüchtlingen aus hauptsächlich muslimischen Ländern eine neue Religion in unser Land. Sie selbst betonen das Recht auf Religionsfreiheit, mahnen aber gleichzeitig, dass das Christentum gegenüber dem Islam gestärkt werden müsse. Wie stellen Sie sich das denn konkret vor?

Dr. Reiner Haseloff: Erst mal muss der Staat dafür sorgen, dass die Religionsfreiheit gewährleistet wird und dass die Religionen sich nicht politisch instrumentalisieren lassen. Auf der einen Seite merke ich, dass die größten Aversionen gegenüber den Migranten gerade bei denen stark ausgeprägt sind, die keinerlei Erfahrung mehr mit eigener Religion haben. Auf der anderen Seite: Wenn wir das, was wir in unserer Kultur aus dem Christentum heraus mit Aufklärung verbunden entwickelt haben, nicht zur Disposition stellen wollen gegenüber anderen kulturellen Vorstellungen, die wir als nicht so optimal einschätzen, dann müssen wir klarer Position ergreifen.

Es gibt eine natürliche Aufnahmegrenze für Flüchtlinge

ERF: Die Zahl der Muslime in Sachsen-Anhalt ist verschwindend gering. Trotzdem hat es die AfD bei der letzten Landtagswahl im März 2016 mit 24,3 Prozent in den Landtag geschafft. Auch Sie haben sich für eine Obergrenze ausgesprochen bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Dr. Reiner Haseloff: Ich habe immer von einer Integrationsobergrenze einer Gesellschaft gesprochen im Unterschied zu einer Obergrenze. Das Asylrecht ist unbegrenzt. Wo ein Asylgrund da ist, sind wir in der Lage, zu helfen, um Menschenleben zu retten. Der nächste Schritt ist: Wie viele Flüchtlinge können ohne Verwerfung innerhalb einer Gesellschaft integriert und versorgt werden mit Kitaplätzen, Wohnungen, Arbeits- und Schulplätzen? Da hat jede Gesellschaft auf dieser Erde eine natürliche Aufnahmegrenze, wenn sie sich nicht selber überfordern will. Und der Wähler und die Wählerin gibt in einem Wahllokal die Position vor, wenn das politische Augenmaß verlorengeht. Und das ist uns am 13. März des letzten Jahres passiert, dass es eine klare Ansage von fast einem Viertel der Wähler gegeben hat, die gesagt haben: Das schaffen wir nicht. Wir haben selber in Sachsen-Anhalt um die 10 Prozent Arbeitslose, die die deutsche Sprache sprechen und Qualifikationen besitzen. Dann darüber hinaus noch teilweise weniger qualifizierte Personen zu integrieren, das funktioniert auf Dauer nicht. Integration hat eine Grenze und die macht sich auch im Bundeshaushalt fest. Angela Merkel hat selber eine Obergrenze für die Integrationsleistung in ihren Haushalt eingebucht: sie zahlt als Bund für ein Drittel der Flüchtlinge in Deutschland. Und die anderen zwei Drittel müssen wir, die Länder, aufbringen.

Es muss die Anstrengung aller sein, für Sicherheit zu sorgen

ERF: Zurück zu den Wurzeln – und damit zurück zu unserem Thema „500 Jahre Reformation“. Viele Gäste werden auf jeden Fall am Himmelfahrtswochenende im Mai nach Wittenberg kommen. Etwa 200.000 Leute werden dann erwartet zum Kirchentagsabschlussgottesdienst auf den Elbwiesen. Was steht dabei für Sie als Landesvater im Vordergrund - die Chance für so viele Christen ihren Glauben zu feiern oder gibt es auch massive Sicherheitsbedenken, gerade nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt?

Dr. Reiner Haseloff: Inzwischen leben wir in einer Welt, in der man das nicht mehr voneinander trennen kann. Die Freude kann sich nur entwickeln, wenn alles friedlich verläuft und die Sicherheit gewährleistet ist. Es muss die Anstrengung aller sein, für die Sicherheit zu sorgen. Deswegen wird das Sicherheitskonzept, das die EKD und der Trägerverein des Kirchentages zu entwickeln haben, sehr stark von uns begleitet und wir werden alles dafür tun, dass sich unsere Gäste wohlfühlen.

Reformationsjubiläum: ein Christusfest

ERF: Zum Schluss an Sie noch eine Frage als gläubiger Katholik:  „feiern“ Sie das Reformationsjubiläum oder bleiben Sie doch beim Sprachgebrauch Ihrer Kirche: „gedenken“ Sie der Reformation?

Dr. Reiner Haseloff: Es ist für mich ein Christusfest. Wenn das nicht zum Schluss rauskommt, dann war es umsonst, was die evangelische Christenheit da veranstaltet hat. Denn Luther würde sich nie selber feiern lassen, sondern würde immer auf Christus zeigen. 

ERF: Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

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