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18.10.2012 / Interview / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Rebecca Theis

Fair durch Erlangen

Die Initiative fairlangen.org macht vor, wie man als Christ fair leben kann. Initiator Daniel Hufeisen gibt Tipps.

Die Initiative Fairlangen.org hat für die Stadt Erlangen faire und nachhaltige Einkaufsmöglichkeiten auf einer Webseite zusammengestellt. ERF Online hat mit Daniel Hufeisen, einem Mitbegründer der Initiative, über fairen Handel und Nachhaltigkeit gesprochen.
 

ERF: Was tun Sie in Ihrem privaten Umfeld für einen nachhaltigen Lebensstil?

Daniel Hufeisen: Ich versuche in verschiedenen Bereichen darauf zu achten, nachhaltig zu leben. Wenn ich Kaufentscheidungen treffe, ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium. Konkret achte ich beim Lebensmittelkauf darauf, dass ich ökologische und fair gehandelte Produkte kaufe. Bei Kleidung versuche ich das auch, das ist aber eine große Herausforderung. In anderen Bereichen ist es schwierig, zum Beispiel bei Elektronikgeräten. Da gibt es bisher noch nichts wirklich Faires. Deswegen versuche ich nicht zu viel zu kaufen. Wir haben seit ein paar Monaten auch ein Konto bei einer Bank, die ihr Geld nur nach ethischen Kriterien anlegt. Das ist auch ein wichtiger Punkt.
 

ERF: Sie erwähnten Schwierigkeiten im Bereich Elektronik. Warum fällt Ihnen Nachhaltigkeit in diesem Bereich schwer?

Daniel Hufeisen: In meinem Alltag nutze ich sehr oft Computer und Smartphone und möchte das nicht missen. Doch mein Smartphone funktioniert nicht mehr richtig. Ich bräuchte ein neues, aber ich bin nicht sicher, ob ich es aufgrund der Produktionsbedingungen vertreten kann, mir eines zu kaufen.

Der Einsatz für Gerechtigkeit ist Gottesdienst!

ERF: Die Initiative fairlangen.org wurde von der ELIA Gemeinde in Erlangen gestartet. Was hat Ihr Glaube damit zu tun, dass Sie sich um einen nachhaltigen Lebensstil bemühen?

Daniel Hufeisen: Für mich spielt der Glaube eine wichtige Rolle. Ich sehe es als klaren Auftrag von Gott an uns, dass wir uns für Gerechtigkeit einsetzen und andere Menschen nicht unterdrücken. Darauf weisen auch die Propheten im Alten Testament hin: Ein Gottesdienst ist kein Gottesdienst, wenn gleichzeitig Leute unterdrückt und die Armen ausgebeutet werden. Aber wenn wir ohne Nachzudenken einkaufen, ist das Ausbeutung. Die Bibel sagt sogar, dass der Einsatz für Gerechtigkeit Gottesdienst ist. Wenn ich anderen Menschen Gutes tue und durch mein Handeln armen Menschen Hilfe leiste, dann helfe ich dadurch Jesus. Denn er sagt: „Was ihr einem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“
 

ERF: Manche Christen mögen einwenden: Ich spende für christliche Projekte und für Hilfsprojekte. Wieso muss ich dann noch fair einkaufen?

Daniel Hufeisen: Ich würde umgekehrt sagen: Sie können auf Spenden verzichten, wenn Sie fair kaufen. Dann haben die Leute genug zum Leben durch ihre eigene Arbeit. Es ist effektiver, von vorneherein darauf zu achten, dass bessere Lebensumstände in diesen Ländern herrschen, als nachträglich Spenden zu zahlen. Dazu kann ich durch meinen Konsum beitragen.

Stadtschokolade und Geocach-Rallye für fairen Handel

Über Handy und Karte findet man in Erlangen Orte des fairen Handels.
Erlangen wird am 20.Oktober "Fairtrade-Stadt". Diese Auszeichnung wird vonTransFair (Verein zur Förderung des fairen Handels mit der „Dritten Welt“ e.V.) vergeben. Es gibt rund 1000 „Fairtrade-Towns“ in 24 Ländern weltweit. Städte, die sich auf den Titel „Fairtrade-Stadt“ bewerben, müssen fünf Kriterien erfüllen. (Bild: ERF Medien)

 

 

 

 

 

 

 

 

ERF: Welche Projekte haben Sie konkret vor Ort in Erlangen?

Daniel Hufeisen: Wir führen mit anderen Initiativen zusammen unterschiedliche Projekte in Erlangen durch. Vor einem knappen Jahr haben wir eine Stadtschokolade und einen Stadtkaffee herausgebracht, beide biologisch und fair. Das ist ein schöner Geschenkartikel, mit dem man auf fairen Handel hinweisen kann. Seit kurzem gibt es auch eine faire Rallye, eine Art Schnitzeljagd durch Erlangen. Dabei lernt man per GPS-Gerät als Geocach oder mit einer Karte Orte des fairen Handels kennen. Die größte Sache, an der wir dran sind, ist die Bewerbung zur Fairtrade-Stadt. Am 20. Oktober 2012 ist die feierliche Verleihung des Titels. Dann darf Erlangen sich "Fairtrade-Stadt" nennen.
 

ERF: In vielen Gemeinden wird das Thema nachhaltiger Lebensstil angesprochen, doch aktiv werden nur wenige. Wie können Sie sich erklären, dass das Thema zwar viele Christen bewegt, es aber so wenig christliche Initiativen in dem Bereich gibt?

Daniel Hufeisen: Ich finde es schade, dass sich so wenig Gemeinden für fairen Handel und Nachhaltigkeit einsetzen. Das hat verschiedene Gründe. Einmal sind wir Gewohnheitstiere und machen das, was wir schon immer machen. Wenn wir theoretisch etwas gut finden, heißt das noch nicht, dass wir es in die Praxis umsetzen. Andererseits ist es so, dass die Bibel in vielen Gemeinden recht einseitig gelesen wird und manche Themen ganz groß gemacht werden. Andere Themen wie Armut und Gerechtigkeit werden eher ausgeklammert oder vergeistlicht. Aber Jesus hat den Armen konkret geholfen, er ist ihnen begegnet. Das soll auch für uns ein wichtiger Aspekt der Nachfolge sein. Doch das wird in vielen Gemeinden nicht thematisiert.

„Besser das Produkt mit dem Frosch der Rainforest Alliance als gar kein Siegel“

Fairtrade-Siegel von TransFair: Der gemeinnützige Verein TransFair wurde 1992 gegründet. TransFair handelt nicht selbst mit Waren, sondern vergibt das Fairtrade-Siegel für fair gehandelte Produkte in Deutschland. Dabei richtet sich TransFair nach den internationalen Standards von Fairtrade Internatioal (FLO). www.fairtrade-deutschland.de www.fairtrade.net

FLO-CERT: FLO-CERT ist das unabhängige Zertifizierungsunternehmen der Fairtrade (Labelling Organizations) International. Die Inspektoren von FLO-CERT überprüfen regelmäßig vor Ort die Einhaltung der Fairtrade-Standards bei Produzenten und Händlern. Zudem kontrolliert FLO-CERT die Auszahlung des Mindestpreises. https://www.flocert.net/glossary/flo-cert-gmbh/

GEPA The Fair Trade Company: Größter europäischer Importeur fair gehandelter Waren, bis 2007 unter dem Namen gepa Fair Handelshaus bekannt. Im Handelsregister eingetragener Name der Firma ist Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt e.V. GEPA beliefert vor allem Weltläden, hat aber auch Produkte im Supermarkt. www.gepa.de

UTZ CERTIFIED: UTZ CERTIFIED ist eine unabhängige Non-Profit-Organisation. UTZ bedeutet in der Sprache der Maya gut. Die Organisation fördert einen faireren Umgang mit den Bauern im Bereich des Kaffee-, Kakao- und Tee-Anbaus und lehnt Kinderarbeit explizit ab. Allerdings wird den Produzenten kein Mindestpreis für ihre Waren garantiert. www.utzcertified.org

Rainforest Alliance: Rainforest Alliance ist eine unabhängige Non-Profit-Organisation, deren Ziel mehr Nachhaltigkeit beim Anbau verschiedener Rohstoffe wie Kaffee und Kakao ist. Es wird kein Mindestpreis für die Produkte gezahlt, der Schutz der Umwelt steht gegenüber fairen Handelsbedingungen im Vordergrund. www.rainforest-alliance.org

ERF: Sie führen auf Ihrer Webseite auf, wo man in Erlangen Bio- oder Fairtrade-Artikel kaufen kann. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Produkte aus?

Daniel Hufeisen: Diese Frage wird uns häufig gestellt, gerade was Bio- und Fairtrade-Produkte in Discountern und Supermärkten angeht. Uns ist wichtig, dass die Produkte ein Siegel haben, das unabhängige Kontrollen garantiert. Wenn nur fair draufsteht, kann ich nicht sicher sein, dass es wirklich fair ist. Uns ist bewusst, dass die Art, wie Lidl arbeitet, oft nicht fair ist, aber uns ist wichtig, die Schwelle nicht zu hoch zu setzen. Die Leute sollen da, wo sie normal einkaufen, einen kleinen Schritt zu einem nachhaltigen Lebensstil machen. Wenn sie diesen Schritt gemacht haben, kommen sie vielleicht ins Nachdenken darüber, ob es wirklich fair ist, wenn sie beim Discounter einkaufen.
 

ERF: Es gibt unterschiedliche Gütesiegel bei Bio-Produkten und im Fairtrade-Bereich. Worauf muss ich achten, wenn ich tatsächlich fair einkaufen will?

Daniel Hufeisen: Bei Fairtrade gibt es gegenüber den Bioprodukten keine gesetzliche Regelung. Es gibt also keinen Mindeststandard. Jeder kann "fair" auf seine Produkte draufschreiben. Das bekannte Fairtradesiegel von TransFairist recht gut. Doch es gibt Unternehmen, die schon immer fair handeln und höhere Standards haben, aber auf dieses Siegel verzichten. Das sind Produkte, die ich in Weltläden finde. Bei denen kann ich sicher sein, dass sie fair gehandelt sind.

Wenn ich mich weiter informiere, ist das entscheidende Kriterium, ob ein Unternehmen FLO (Fairtrade International) zertifiziert ist. Das steht nicht auf den Produkten, lässt sich aber über das Internet herausfinden. Fair gehandelte Waren aus dem Supermarkt haben entweder das Fairtrade-Siegel oder sind von GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH). Derzeit ist es noch kompliziert zu erkennen, welche Produkte fair sind. Ich hoffe, dass das klarer wird. Denn es gibt eine Vielzahl anderer Siegel wie UTZ (siehe Infobox) oder Rainforest Alliance, bei denen die Standards deutlich niedriger sind. Das ist nicht wirklich fairer Handel. Aber Ware mit dem Frosch der Rainforest Alliance darauf ist besser als ein Produkt ohne Siegel.
 

ERF: Wie finde ich bei Unternehmen heraus, wie die Produktionsbedingungen sind?

Daniel Hufeisen: Es ist für Kunden eine große Herausforderung, das herauszufinden. Auf die Angaben der Unternehmen kann ich mich nicht verlassen. Es gibt kaum noch eine Webseite eines Bekleidungsherstellers, auf der nicht steht "Wir nehmen unsere soziale Verantwortung wahr.“ Das ist eine nichtssagende Aussage. Ich achte darauf, ob die Unternehmen in Verbänden sind, in denen es unabhängige Kontrollen gibt. Ansonsten gibt es immer wieder Tests, wo einzelne Unternehmen unter die Lupe genommen werden. Sogar Stiftung Warentest achtet immer häufiger auf die Produktionsbedingungen. Sehr zu empfehlen ist die Kampagne für saubere Kleidung. Sie setzt sich für gerecht hergestellte Kleidung ein und bewertet verschiedene Unternehmen. Aber grundsätzlich gilt: Ich muss mich informieren, im Internet, in Zeitungen und Zeitschriften.

„Von heute auf morgen fair zu leben ist eine Utopie“

Die Webseite fairlangen.org gibt Tipps für einen nachhaltigen Lebensstil und informiert über faire Einkaufsmöglichkeiten in Erlangen. (Bild: Screenshot fairlangen.org)

 

 

 

 

 

 

 

 

ERF: Das klingt nach viel Arbeit. Welche Tipps können Sie für die Umsetzung eines fairen Lebensstils geben?

Daniel Hufeiesen: Wichtig ist, einen ersten Schritt zu machen und sich ein Produkt auszusuchen, mit dem man anfängt. Man sollte sich für ein Produkt entscheiden, sich darüber informieren und das dann konsequent umsetzen. Dann kann ich Schritt für Schritt weitergehen. Aber von heute auf morgen fair zu leben ist eine Utopie. Das geht nicht. Wir möchten Mut machen, an einer Ecke etwas fairer zu werden, aber das konsequent durchziehen.
 

ERF: Sie sprachen am Anfang von Kaufentscheidungen. Ist es auch eine Möglichkeit, Sachen gebraucht zu kaufen oder so lange zu warten, bis man etwas dringend braucht?

Daniel Hufeisen: Sehr gut, dass Sie das ansprechen, denn es ist ein wichtiger Punkt. Ohne Verzicht und Reduzierung ist ein nachhaltiger Lebensstil nicht möglich. Wir verbrauchen in allen Bereichen zu viel, ganz gleich ob es um Konsum, um Energie oder um natürliche Ressourcen geht. Wir müssen uns zurücknehmen und da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Ich kann mit Käufen warten oder nicht so häufig neue Sachen kaufen. Gerade bei Kleidung bietet es sich an, sie gebraucht zu kaufen. Es gibt qualitativ hochwertige Second Hand-Kleidung. Das ist eine super Alternative und viel günstiger. Fairer Handel kostet mehr, das ist klar. Deshalb muss ich an anderen Stellen sparen. Wenn ich weniger konsumiere, spare ich. Wenn ich gebrauchte Sachen statt neuen kaufe, spare ich. Dann bleibt im Endeffekt vielleicht sogar Geld übrig und ich zahle nicht mehr.
 

ERF: Vielen Dank für das Interview.

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

I. Kocher /

Vielen Dank für den Artikel.
Ich finde es total gut, dass Ihr vom ERF Euch in der letzten Zeit immer wieder mit dem Thema des fairen Handes auseinandersetzt und viele Informationen dazu liefert. Das mehr

Harry Puschel /

Es ist schon richtig,was die Jungen Leute dort Inizieren.Aber es gibt so viele Bewegungen.
Eigenlich ist es ganz einfach,ich gebe den zehnten von allen , und die Ungerechtigkeit,Umweltzerstörung,Habgier,usw. hören von alleine auf.Ich habe zum beispiel keinen eigenen Wagen.
shalom

Ute H /

Danke für diesen Artikel.
Auch Bürger der Stadt Eutin setzen sich ein,dass es in Eutin fair gehandelte Produkte gibt und berichten über Zeitungen von ihrer Absicht. Ich werde diesen Artikel mehr

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