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© Naitian Tony Wang / unsplash.com

09.01.2020 / ERF GlobalHope / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Sarah-Melissa Loewen

Ein kultureller Genozid

Das Volk der Uiguren wird in China systematisch unterdrückt. Das Radio kann ihnen Hoffnung bringen.

Dass die Menschen in China von der kommunistischen Partei unterdrückt werden, ist nichts Neues. Kulturelle Vielfalt und religiöse Freiheit? Fehlanzeige. Aber die Entschiedenheit, mit der eine ganze Volksgruppe systematisch „umerzogen“ und an den kommunistischen Staat angepasst wird – das ist neu.

„Ich weiß nicht, ob in diesem Moment meine Schwester gerade geschlagen wird, weint oder vor Schmerzen schreit.“ Das sagt Gülziye Taschmamat in einer Videonachricht. Sie bittet verzweifelt um Hilfe. Denn der Kontakt zu ihren in Xinjiang lebenden Eltern riss plötzlich ab. Ihre Schwester, die im Ausland studierte, reiste in die chinesische Provinz, um nach den Eltern zu suchen. Nun ist auch sie verschwunden. Gülziye Taschmamat ist eine von vielen im Ausland lebenden Uiguren, die voller Angst um ihre Angehörigen sind und sich mit Videos an die Öffentlichkeit wenden.

Ich weiß nicht, ob in diesem Moment meine Schwester gerade geschlagen wird, weint oder vor Schmerzen schreit. – Gülziye Taschmamat, im Ausland lebende Uigurin

Ein Jahrzehnte andauernder Konflikt spitzt sich zu

Berichte über die Verfolgung der Uiguren tauchen seit mehreren Monaten immer wieder in den Medien auf. Die ethno-religiöse Minderheit lebt in einer Provinz im Nordwesten Chinas, dem Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Peking annektierte China 1949 das uigurische Siedlungsgebiet Ostturkestan. Han-Chinesen wurden in der Region angesiedelt und werden bei Auftragsvergaben und Arbeitsplätzen bevorzugt.

Dadurch fühlen sich viele Uiguren unterdrückt. Seit den späten 1990er Jahren kam es in der Region immer wieder zu Unruhen und Aufständen gegen die chinesische Besatzung. Im Juli 2009 ereignete sich ein blutiger Aufstand mit 197 Todesopfern und mehr als 1600 Verletzten. Dieser Aufstand war einer der Gründe, dass die chinesische Regierung die Repressionen gegen die Uiguren erhöhte.

Verbrechen gegen Menschenrechte

Vermutlich seit 2017 werden Uiguren systematisch in abgeschotteten Internierungslagern gegen ihren Willen festgehalten. Experten schätzen, dass zurzeit rund eine Million Uiguren und andere Muslime inhaftiert sind. Unter dem Deckmantel der Integration werden die Menschen dort teils mit brutalen Mitteln auf die Linie der kommunistischen Partei eingeschworen. Sie sind politischer Indoktrination, psychischer Manipulation, Folter und körperlichen Misshandlungen ausgesetzt – ohne Kontakt zur Außenwelt.

China bestreitet alles und spricht stattdessen von „Ausbildungs- und Trainingszentren, [die] im Einklang mit dem Gesetz […] diejenigen, die von religiösem Extremismus betroffen sind, ausbilden und schützen“, so Erkin Tuniaz, der Vize-Gouverneur von Xinjiang vor der UN in Genf. Laut ihm sollen diese Lager nur verhindern, dass die Uiguren Terrorismus und Extremismus zum Opfer fielen. Passend dazu sind in propagandistischen Videos tanzende und fröhliche „Schüler“ zu sehen.

Doch die sogenannten „China Cables“ berichten anderes. Die geheimen Dokumente der chinesischen Partei wurden dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten anonym zugespielt und von Experten untersucht und geprüft. Die Unterlagen geben einen tiefen Einblick in die Mechanik des Unterdrückungsapparats des chinesischen Regimes und bestätigen die Vorwürfe. Die Regierung verwendet darin selbst Begriffe wie „politische Umerziehung“ und „Säuberung des Gehirns“. Die UN, westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen werfen China eine der größten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit vor. China weist diese Vorwürfe vehement zurück.

Das Ausmaß: Die totale Überwachung

Auch außerhalb der Lager wurde ein engmaschiges Überwachungssystem installiert. Xinjiang ist eine der am stärksten überwachten Regionen weltweit. Alle paar hundert Meter gibt es eine Polizeistation, entlang der Straßen sind überall Observierungskameras installiert. Mit künstlicher Intelligenz und Gesichtserkennungssoftware kann jeder Einzelne in der Masse ausfindig gemacht werden. Am Eingang von nahezu jedem öffentlichen Gebäude werden Sicherheitskontrollen durchgeführt, an einigen Stellen bekommen die Menschen nur Zutritt, nachdem ihr Personalausweis erfasst und die Daten kontrolliert wurden. Regierungsbeamte kommen in die Dörfer und Familien, um zu überprüfen, wer wirklich an die Partei glaubt.

Alle gesammelten Daten werden in eine zentrale Polizei-Datenbank eingetragen. So manch einer wird sich hier an den Stasi-Apparat des ehemaligen DDR-Regimes erinnern. Was deutsche Vergangenheit ist, ist in Xinjiang alltägliche Realität. Die moderne Technik ermöglicht sogar eine noch umfassendere Überwachung, als es damals in der DDR möglich war. Die Uiguren-Region ist zu einem verschlossenen Polizei- und Überwachungsstaat geworden. Es gibt keinen unabhängigen Zutritt, weder für Diplomaten noch für Journalisten.

Die Tragweite: „Kultureller Genozid“

Adrian Zenz, einer der weltweit führenden Experten für religiöse Minderheiten in China, schätzt die Lage für die Uiguren in einem Interview mit der ARD folgendermaßen ein:

„Dort spielt sich etwas noch nie Dagewesenes ab. Die systematische Internierung einer ganzen ethno-religiösen Minderheit ist, vom Ausmaß her, vermutlich die größte seit dem Holocaust. Es ist eine beispiellose Kampagne der Assimilierung, der Unterdrückung und der Umerziehung. China geht es dabei – anders als beim Holocaust – aber nicht darum, ethnische Minderheiten zu eliminieren. Sondern es geht darum, sie langfristig und auf eine ganz intensive Art und Weise in den chinesischen Staat zu integrieren. Kulturell, religiös, sprachlich, in jeder Hinsicht. Es handelt sich um einen kulturellen Genozid.“

Dort spielt sich etwas noch nie Dagewesenes ab. Die systematische Internierung einer ganzen ethno-religiösen Minderheit ist, vom Ausmaß her, vermutlich die größte seit dem Holocaust. – Adrian Zenz, Experte im Interview mit ARD

Die Uiguren sollen ihre kulturellen Wurzeln vergessen und ihre Religion aufgeben. Traditionell gehören die Uiguren dem Islam an. Wie steht es in dieser Konstellation um die Christen? Gibt es unter den Uiguren überhaupt Christen?

Unerreicht, überwacht und ohne gemeinsame Schriftsprache

Generell sind Christen in diesem Teil der Welt sehr rar und die wenigen Gemeinden, sind noch sehr jung. Willi Epp, der Leiter der christlichen Radioarbeit in Zentralasien, sagt, dass 1990 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf dem gesamten zentralasiatischen Gebiet gerade einmal  100 Christen vermutet wurden. Heute sind es mehr. Aber von ihnen haben sich die meisten in die Anonymität der Großstädte zurückgezogen, weil sie in den ländlichen Gebieten unterdrückt und verfolgt werden.

In Bezug auf die Volksgruppe der Uiguren ist völlig unklar, wie viele Christen es unter ihnen gibt. Tatsache ist jedoch, dass die Uiguren die größte Volksgruppe sind, die nahezu unerreicht vom Evangelium ist.

In Zentralasien gibt es wenig gute Informationskanäle. Besonders in der Autonomieregion Xinjiang haben die Menschen keine Möglichkeit, sich selbstständig über den christlichen Glauben zu informieren. Es gibt keine Kirchen und jeder Klick im Internet ist nachvollziehbar. Zwar wurde die Bibel inzwischen in die uigurische Sprache übersetzt. Darüber hinaus gibt es jedoch kaum christliche Literatur.

Denn die Uiguren pflegen eine mündliche Kommunikations-Kultur. Einer der Gründe hängt mit der geografischen Verteilung der Volksgruppe zusammen: Rund neun Zehntel aller Uiguren leben in China. Größere uigurische Minderheiten leben insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion in Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Turkmenistan und Russland. Mit der uigurischen Sprache können sie alle sich zwar mündlich verständigen, aber es gibt keine einheitliche uigurische Schriftsprache. Stattdessen stellen die Uiguren ihre Sprache mit dem Alphabet des jeweiligen Landes dar, das vom Persischen über das Arabische und Kyrillische bis zum Lateinischen reicht. Hinzu kommt, dass insbesondere viele der uigurischen Frauen nicht lesen und schreiben können. Daher ist das gesprochene Wort umso wichtiger.

Über Radio kommt das Evangelium zu den Uiguren

Wie also kann das Evangelium zu diesen Menschen gelangen? Wie kommen Uiguren überhaupt mit der guten Nachricht von Jesus Christus in Kontakt? Das Radio spielt hier eine entscheidende Rolle. Schon seit langem versucht ERF-Partner TWR verschiedene Regionen Zentralasiens über Radiosendungen mit dem Evangelium zu erreichen. Es sind nur eine Handvoll christlicher Programme, die die Uiguren in ihrer Herzenssprache empfangen können. Aber sie sind sehr wichtig.

Sowohl in Zentralasien als auch in China unterstützt ERF Medien Projekte für unterdrückte und verfolgte Christen. Ihre Spende hilft uns dabei, dies weiterhin tun zu können.

Seit Sommer 2019 ermöglicht der neue „Seidenstraßen-Sender“ von TWR jetzt noch mehr Radioprogramme in den verschiedenen Sprachen Zentralasiens auszustrahlen als bislang. Durch die gute Lage können die unterschiedlichen Regionen noch besser als zuvor erreicht werden. Viermal die Woche sind nun Sendungen für die Uiguren zu empfangen. Besonders wichtig sind die Bibelsendungen, in denen Texte aus der Bibel vorgelesen und in ihren Grundlagen erklärt werden. Denn die christlichen Glaubensinhalte sind für die meisten Menschen völlig neu.

Eine besondere Bedeutung hat dabei das Programm „The Way of Righteousness“ (Weg der Gerechtigkeit), dessen Ausstrahlung in der uigurischen Sprache ERF Medien finanziell unterstützt. Denn diese Sendereihe wurde speziell für Menschen mit einem muslimischen Hintergrund entwickelt. Die 15-minütige Sendung erklärt die Bibel in 100 Folgen anhand der Geschichten des Alten Testaments – und zwar so, dass Muslime Schritt für Schritt zum Evangelium hingeführt werden.

Weil die Autonomieregion Xinjiang völlig abgeschottet ist und nahezu jeder Schritt, sowohl im Internet als auch auf der Straße, überwacht wird, erhält TWR kaum Reaktionen von Hörern der Sendungen. Die Mitarbeiter produzieren täglich Radioprogramme ganz in dem Vertrauen, dass Jesus den Menschen auf diese Weise begegnet und Hoffnung in ihr Leben spricht. Denn sie wissen: Nur Radiowellen können die Grenze nach China überwinden. Deshalb sind die christlichen Sendungen besonders für die Uiguren in Xinjiang von großer Bedeutung.

Nur Radiowellen können die Grenze nach China überwinden. Deshalb sind die christlichen Sendungen besonders für die Uiguren in Xinjiang von großer Bedeutung.

Bitte beten Sie:

  • dass die Uiguren den Radiosender finden und durch die Sendungen Jesus kennenlernen
  • für die wenigen Christen unter den Uiguren, die es sehr schwer haben, ihren Glauben frei zu leben und oft auf sich allein gestellt sind
  • dass die Menschen im uigurischen autonomen Gebiet Xinjiang wieder selbstbestimmt und in Freiheit leben können

 

 Sarah-Melissa Loewen

Sarah-Melissa Loewen

  |  Redakteurin

Sie hat Literatur- und Kulturwissenschaften studiert und war schon immer von guten Geschichten in Buch und Film begeistert. Doch sie findet, die besten Geschichten schreibt Gott im Leben von Menschen. Als Redakteurin erzählt sie diese inspirierenden Lebens- und Glaubensgeschichten. Sie lebt mit ihrem Mann in der schönsten Stadt am Rhein.

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Kommentare (3)

Autor /

Mit unserem Partner TWR setzen wir uns für die verfolgten Christen unter den Uiguren ein, indem wir über den „Seidenstraßensender“ Radioprogramme für sie ausstrahlen. Dadurch sollen sie in ihrer mehr

Jörg /

Ich kann Frank nur zustimmen. Die Uiguren werden von antichristlichen Deutschen Medien verklärt, weil sie 1. Muslime und 2. Christenverfolger sind. Eines der zeitgeistigen, mit antichristlichen mehr

Thomas F. /

Beim Missionswerk Open Doors beten wir, weil Christen von den Uiguren unterdrückt werden. Wenn hier in dem Artikel Freiheit für die Uiguren gefordert wird, dann sollten sie zuerst mal Freiheit für mehr

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