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© ERF, Oliver Jeske

06.10.2017 / Soziales / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Oliver Jeske

Armut hat viele Gesichter

Angelika Zwering und die Nationale Armutskonferenz

Bei Medizinern sorgt der Marburger Bund dafür, dass der Gehaltszettel der Krankenhausärzte stimmt. In der Industrie sind es die Gewerkschaften, die Tarifverträge aushandeln. Und die Armen in unserem Land? Die haben keine Lobby. Dabei kann Armut jeden treffen, weiß  Angelika Zwering: „Mein Mann war selbstständig als Maler und ich hatte ein Lotto-Geschäft geführt. Wir hatten ein Haus. Das ist alles den Bach runter gegangen, weil die Leute nicht die Rechnungen meines Mannes bezahlt haben.“

„Ich kann nicht ins Kino oder Theater gehen“

In Deutschland ist arm, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zum Leben hat. Ein umstrittener Begriff. Doch egal wie man’s nimmt: Große Sprünge machen kann Angelika Zwering, die inzwischen Witwe ist, nicht: „Ich kann nicht ins Kino oder Theater gehen. Oder dauernd neue Klamotten kaufen, das ist einfach nicht möglich.“

Trotzdem hat Angelika Zwering etwas aus ihrer Situation gemacht. Sie engagiert sich beim Sozialdienst katholischer Frauen, begleitet andere Arbeitslose zu den Ämtern und kocht für Bedürftige. Auf diese Weise profitieren diese von ihren Erfahrungen.

Hartz4-Empfänger werden „in die Trennung getrieben“

Und Angelika Zwering engagiert sich in der Nationalen Armutskonferenz, einem Bündnis aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden Gewerkschaften und Selbsthilfeorganisationen. Hier diskutiert sie unter anderem mit der FDP-Familienpolitikerin Mieke Senftleben. Die kritisiert: Das derzeitige Sozialsystem treibt Hartz4-Empfänger in die Trennung, weil sie als Alleinerziehende mit zwei Haushalten mehr Geld vom Amt bekommen. „Das ist ja eigentlich eine skurrile Situation!“

Senftleben fordert stattdessen ein Kindergeld 2.0. Das soll alle Sozialleistungen umfassen. Außerdem soll es nur ans Kind und nicht an die familiären Verhältnisse gebunden sein. Mit knapper Mehrheit hat die FDP außerdem beschlossen: Wenn Eltern sich schon scheiden lassen, dann sollen sie sich in der Regel die Betreuung der Kinder so gut es geht teilen. Bisher werde, so Senfleben, einer der beiden Partner abgestempelt als jemand, der sich nicht um das eigene Kind kümmern wolle.

„Ich bin ein zufriedener Mensch“

Scheidung und Abrutschen in Hartz4 gehen oft Hand in Hand. Das beobachtet auch Angelika Zwering bei den Menschen, die sie betreut. Doch sie ist selbst der beste Beweis dafür: Armut in Deutschland muss noch lange nicht das Ende der Lebensqualität bedeuten. „Ich bin ein sehr zufriedener Mensch, obwohl ich wenig im Portemonnaie habe.

Freude ist der größte Lohn

Das liegt auch mit an den Menschen, denen es geht wie Angelika Zwering und die sie einmal in der Woche beim Sozialdienst katholischer Frauen mit einem leckeren Essen verwöhnt. „Wenn ich für 25 Leute koche und die hinterher sagen: ‚Mensch, das war wieder lecker!‘ Wenn die sich freuen, das ist der beste Lohn den man sich Vorstellen kann.“

 Oliver Jeske

Oliver Jeske

  |  Redakteur

Sprachlich Hannoveraner, seit einem Vierteljahrhundert in Berlin zu Hause, liebt er Jesus, Tanzen mit seiner Frau, Nordsee-Spaziergänge mit seinen Söhnen und leckeren Fisch. Von Gott ist er fasziniert, weil der ihn immer wieder überrascht und im wahrsten Sinne des Wortes beGEISTert.

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