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© Zoe Gayah Jonker / unsplash.com

21.08.2020 / Bericht / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Regina König

Von der Weide in den Käsekessel

Wie aus der Milch von „glücklichen Kühen“ schmackhafter Käse wird.

 

 

Sie wollen „Gottes gute Schöpfung bewahren und bewirtschaften“: die Brüder Thomas und Bernd Vetter aus Wehrsdorf im Oberlausitzer Bergland. Thomas Vetter ist Milchbauer und liefert den Rohstoff für die Käserei seines Bruders Bernd. Beide leben mit ihren Familien und ihrer Mutter im selben Dorf. Regina König hat sie besucht.
 

Später Vormittag, die Kühe liegen gemächlich im Gras. Doch als ihr Chef erscheint, stehen sie auf und kommen zum Gatter. Sechzig Milchkühe nennt Thomas Vetter sein Eigen. Anders als die meisten Rinder in Deutschland stehen sie nicht im Stall, sondern verbringen den Sommer auf der Weide. Manche haben Kosenamen wie „Kathy“ oder „die Blinde“, die gar nicht blind ist. „Aber sie hat einen eigenartigen Charakter“, erzählt Thomas Vetter, „immer, wenn man irgendwo erscheint, kommt diese Kuh dazu.“

Und dann ist da noch die ‚Spaßigkuh‘, „sie hat die Angewohnheit, sich mit ihren Vorderpfoten auf das Podest zu stellen, um höher zu sein als die anderen. Das hat meiner Tochter Spaß gemacht und so heißt sie heute die `Spaßigkuh´.“

„Der persönliche Kontakt zum Tier ist uns sehr wichtig“

Bernd und Thomas Vetter (Foto: Vetter)
Bernd und Thomas Vetter (Foto: Vetter)

Gegenüber vom Wohnhaus steht der Stall. Nach 30 Jahren muss die Melkmaschine ausgetauscht werden. Doch Vetters wollen das Melken nicht automatisieren, sie wollen weiter Hand anlegen. „Der persönliche Kontakt zum Tier ist ganz wichtig, sonst verliert der Landwirt den Bezug zu seinen Rindern.“

Nur einen Kilometer vom Bauernhof entfernt lädt Bernd Vetter ein in seine Käserei. Zwei große Kessel stehen bereit, in denen große Quirle die Rohmilch, die sein Bruder Thomas geliefert hat, in Bewegung setzen. Heute wird Camembert hergestellt: „Dazu brauche ich ganz normale Buttermilch, dann kommt die Camembert-Kultur dazu. Und damit es cremiger wird, schütten wir unseren eigenen Joghurt hinein. Entscheidend ist auch die Lab-Menge.“ Nach einer Dreiviertelstunde Rühren dickt die Masse im Kessel ein. Bernd Vetter holt die große Käseharke vom Haken und schneidet den sogenannten ´Käsebruch´.

Mit Geduld und Gefühl entsteht aus Rohmilch Camembert und Schnittkäse

Bei der Arbeit darf die Uhr nicht aus dem Blick geraten, aber auch das Gespür des Käsemachers ist wichtig. So greift Bernd Vetter mit der Hand hinein in die weiße Masse, um zu fühlen, ob der Käsebruch, der zäher ist als weiche Butter, nun geschöpft werden kann. Ja!, es ist so weit und schnell werden kleine Käse-Formen bereitgestellt. Nun ruht die Masse in der Form, doch noch mehrmals wird der Käse an diesen Tag mit der Hand gedreht, damit die Molke abtropft.

Geduld ist nötig beim Käsen, aber auch die zeitgenaue Aktion, sonst gelingt es nicht. „Eigentlich sind Käsereien in der Oberlausitz überhaupt nicht beheimatet“, erzählt die Mutter der beiden Brüder, Inge Vetter. Sie hatte in den 90er Jahren die Idee, das Käsemachen einfach mal auszuprobieren. Mit einem Topf auf dem Herd fing es an. Heute arbeiten fünf Angestellte in der Käserei. „Die Produktion ist mit dem Absatz gestiegen,“ erzählt Inge Vetter, „und nicht umgedreht. Nach Bedarf haben wir produziert. Und so machen wir das heute noch.“

Vor dem Wohnhaus ragt ein Kreuz gen Himmel

Zusammen mit ihrem Mann hat sie die Käserei in den 90er Jahren gegründet. Es gab Höhen und Tiefen. Ohne Nachbarschaftshilfe und viel Eigenarbeit beim Bau der Käserei hätten sie es nicht geschafft, das Unternehmen auf gesunde Füße zu stellen, so Inge Vetter. Direkt neben den Werksräumen ist ein kleiner Laden eingerichtet, in dem sie den Käse verkauft. Plakate mit Bibelversen und christlichen Sinnsprüchen hängen an den Wänden. „Das gibt Kraft“, so die 76-Jährige, „und viele gucken sich die Plakate an und fragen, ob sie sich die Sprüche abfotografieren dürfen.“

Den Glauben leben im Stall und im Umgang mit den Tieren

Von seinem Glauben an Jesus Christus spricht auch Thomas Vetter gern und offen. Vor seinem Wohnhaus ragt ein frisch gezimmerte Holzkreuz gen Himmel und an der Haustür grüßt ein Segensspruch die Gäste. Vetters sind engagiert in der evangelischen Kirchengemeinde in Wehrsdorf. Doch ihren Glauben wollen sie nicht nur sonntags im Gottesdienst leben, sondern auch im Stall und im Umgang mit den Tieren. Ein Bio-Siegel hat Thomas Vetter nicht. Die Auflagen seien zu hoch. Doch ihm liegt das Wohl seiner Tiere am Herzen. Deshalb will er die Milchproduktion pro Kuh auf Dauer verringern.

Bisher arbeitet Vetter mit dem ´Holsteiner Rind´, einer der bedeutendsten Milchviehrassen weltweit und ein Garant für hohe Milchproduktion. „Doch die Kuh ist ein Lebewesen und keine Milchmaschine“, sagt der Landwirt. „Ich kann es nicht mit ansehen, wenn junge Kühe ausgemerzt werden, nur weil sie zu wenig Milch produzieren. Das ist nicht der richtige Weg. Klar, jeder Betrieb muss existieren können, aber es gibt auch eine Frage des Gewissens und der Verantwortung.“

„Die Kuh ist ein Lebewesen und keine Milchmaschine!“

Vetter will in Zukunft mehr auf Robustheit achten. Deshalb kreuzt er seinen Bestand mit dem ´Schwarzbunten Niederungsrind´. Die Milchproduktion wird dann geringer, doch das Leben der Kuh länger. Ein Experiment, das er mit Gottvertrauen angeht: „Das ist eine langwierige Sache. Aber wir hoffen, dass wir richtig liegen und dass darauf Segen liegt, denn wir sind uns bewusst, dass wir Gottes gute Schöpfung bewahren und bewirtschaften dürfen und damit auch verantwortungsbewusst umgehen müssen.“

Kühe, die weniger Milch geben und länger leben dürfen – klingt gut, aber rechnet sich das denn? „Das klingt auf den ersten Blick nicht gewinnbringend,“ erklärt der Milchbauer, „aber wenn ich die Herde gesund halte, habe ich robuste Kühe und weniger Tierarztkosten. Dadurch entsteht für mich selbst weniger Stress. Ich bin mir sicher: das kommt zurück.“

Tierwohl rechnet sich

In der Käserei reift unterdessen der Camembert. Bernd Vetter wird ihn in den folgenden Tagen in weiße Laken hüllen und mehrmals umbetten, nach zwei Tagen entsteht der erste weiße Schimmel. Frühestens nach einer Woche kann der Käse dann aufs Brot. Der herzhafte „Alte Wehrsdorfer“-Schnittkäse hat einen längeren Reifeprozess: mindestens drei Monate, in denen er jeden Tag einmal gedreht werden muss. Bernd Vetter führt durch die Reiferäume. Bei 12 Grad ruhen hier Blauschimmel, Butter- und Schnittkäse. Auch Joghurt und Quark produziert der Käsemacher.

Der Käse bleibt in der Region

Käserei Vetter (Foto: Regina König)
Käserei Vetter (Foto: Regina König)

Regelmäßig fährt er persönlich seine Kunden an: Hofläden, Bauernmärkte, Weinhandlungen und Fleischereien. Alle in der Umgebung, denn „regionale Vermarktung ist uns wichtig“, so Bernd Vetter. Gemeinsam mit seinem Bruder setzt er auf kurze Wege. Und so soll es auch bleiben. „Ich habe nichts gegen Leipzig oder Berlin, aber ich muss dort meinen Käse nicht verkaufen, denn auch dort gibt es in der Region Bauern, die ihre Sache gut machen. Also bleibe ich mit meinem Käse in der Oberlausitz.“

Auf der Weide seines Bruders stehen die Kühe noch immer am Gatter, schließlich wechselt ihr Chef noch ein paar Worte mit ihnen. Aber jetzt muss Thomas Vetter weiter, die Arbeit wartet. Mit der Scheibenegge wird er Stoppeln ins Feld einarbeiten, schließlich baut er 95 % des Tierfutter selbst an. Die Kühe am Gatter gucken ihm hinterher. Vielleicht ist es ´Kathy´ oder die ´Spaßigkuh´, die noch einmal „Muh“ macht, dann liegen die großen Tiere wieder in aller Ruhe auf der Weide und malmen mit den Kiefern. Am Nachmittag wird Thomas Vetter sie in den Stall bitten zum Melken, damit in den großen Kesseln in der Käserei seines Bruders der kostbare weiße Rohstoff nicht ausgeht.

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs mit dem Schwerpunkt Aktuelles/Gesellschaft. Sie ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.

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