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© Heike Knauff-Oliver / ERF

05.12.2017 / Bericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Heike Knauff-Oliver

„Das Handy ist mein bester Freund“

Fast alle Flüchtlinge haben ein Handy. Warum ist das so und was hat ein Smartphone mit dem Thema Heimat zu tun?

„Wieso stehen die da auf dem Marktplatz rum und spielen mit ihren Handys? Die haben doch kein Geld, aber teure Handys!“ Das sind gängige Vorurteile von Menschen, die Flüchtlinge argwöhnisch beobachten. Smartphones zählen bei uns zu den Statussymbolen: Schon Schulkinder haben teure Handys. Kaum gebraucht werden sie entsorgt, um Neuerungen Platz zu machen. Auch zur Weihnachtszeit  halten die Hersteller wieder die aktuellsten Modelle bereit: Noch schneller, noch schlauer, noch teurer. Smartphones stehen auf den Wunschzetteln für große und kleine Nutzer. Aus unserem Alltag sind sie kaum mehr wegzudenken.

Für den einen ein Statussymbol, für den anderen lebensnotwendig

Viel mehr als Statussymbole sind Smartphones für Menschen, die ihrer ursprünglichen Heimat fern sind. „Ohne Handy geht nichts“, sagt Mohamed. Vor zwei Jahren ist er aus Syrien nach Deutschland gekommen. Im letzten Jahr hat er eine Ausbildung als Hotelfachmann begonnen. Für seinen Alltag ist das Smartphone äußerst wichtig: Es navigiert, gibt Orientierung, übersetzt und ist die Integrationshilfe schlechthin. „Wenn ein Gast nach einem besonderen Wein fragt, dann schau ich schnell im Internet nach“, erklärt der Syrer stolz.

 

Vor allem aber ist es die Verbindung zur Familie und zu den Freunden in der Heimat. Es ist so etwas wie „eine Nabelschnur“ nach Hause für ihn. Sein Handy hat er mitgebracht. Es war eine teure Angelegenheit für den 23-jährigen, doch die Familie in Syrien hat dafür zusammengelegt. Auf dem langen und beschwerlichen Weg durch die Türkei, Griechenland und die lebensgefährliche Schlauchbootfahrt über das Mittelmeer war das Smartphone lebensnotwendig. In eine Plastiktüte gewickelt erlitt es bei der Überfahrt keinen Schaden.

Ein Smartphone: Oftmals wichtiger als der Pass

Für Mohamed und viele andere Flüchtlinge ist das Handy wichtiger als der Pass und alles andere. In ihm sind oft sämtliche Erinnerungen an zu Hause gespeichert. „Alle wichtigen Dokumente, Adressen und Fotos sind auf den Handys der Flüchtlinge gespeichert“, weiß Julia Barke. Sie ist Amerikanerin und leitet eine Unterkunft für schutzbedürftige Frauen und Kindern aus Eritrea, Syrien, Somalia und anderen Ländern, in denen Krieg und Verfolgung herrscht.

Julia Barke kann die Frauen und ihre Sehnsucht nach der Heimat und ihrer Muttersprache gut verstehen. Dadurch dass sie selbst als Ausländerin in Deutschland lebt, hat Mobilfunk und Internet auch für sie eine besondere Bedeutung. „Es ist schön, wenn man seine Muttersprache hören kann, das ist erholsam und vermittelt ein bisschen Heimat“, erklärt sie. Immer wieder werden Papiere benötigt, die helfen den Aufenthaltsstatus zu legitimieren. Ein Dokument per Smartphone zu übertragen, kann Vorgänge erleichtern und Zeit und hohe Versandkosten ersparen. Regelmäßige Telefonate und Video Calls mit Freunden und Familie geben Gewissheit über das Leben im Heimatland. Auch das ist sehr wichtig.

Handys sind einzige Verbindung zur Heimat

Dima, eine Frau aus Syrien, ist mit ihrer 7-jährigen Tochter ganz allein in Deutschland. Ihre gesamte Familie lebt noch in Damaskus. „Wenn mein Handy kaputt ist, habe ich viele Probleme“, entfährt es der jungen Mutter.

 

„Mir bedeutet das Handy viel, es ist die Verbindung zu meinen Eltern“, sagt auch Mohamad al Husein aus Syrien. „Es gibt Krieg in meinem Land. Für mich ist es wichtig, dass es meiner Familie gut geht, dass sie noch am Leben sind.“ Wenn er zwei oder drei Tage nichts von ihnen hört, weiß er: Es ist etwas passiert. Ein Tag ohne Handy ist schlimm für ihn. „Da fühl ich mich ganz schlecht und einsam“, erklärt er.

 

Auch Murrat aus dem Irak muss sein Smartphone immer dabei haben. Er nutzt es zum Lernen und zur Arbeitsuche. Überzeugend und inbrünstig macht er klar: „Das Handy ist ein Freund für mich. Ich kann nicht ohne ein Handy leben.“

Das Handy ist ein Segen für Menschen auf der Flucht

Was würden wir mitnehmen, wenn wir kurzfristig unser Zuhause verlassen müssten und nur das Nötigsten mitnehmen könnten? Dann würden wir uns sicher auch für das Smartphone entscheiden. Für Menschen auf der Flucht sind Handys ein Segen. Daran können wir uns erinnern, wenn das neueste Smartphone wunschgerecht unterm Tannenbaum liegt. Wir dürfen uns darüber freuen. Doch wir können wir auch überlegen, wem wir mit unserem alten Handy eventuell noch eine Freude machen können.

 Heike Knauff-Oliver

Heike Knauff-Oliver

  |  Freie Mitarbeiterin

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Kommentare (4)

Michael /

Ich hatte mir auch erst gedacht, es hätte auch ein normales (Knopf-)Handy sein können. Die sind schließlich billiger.
Als ich bei einem bekannten Flüchtling dann sah, dass sein Smartphone zig Macken mehr

Jörg /

Der Pass ist ohnehin ohne Bedeutung für die Einreise nach Deutschland. Lediglich für die Ausreise wird er benötigt. Schließlich ist es inzwischen so, dass man nach Deutschland ohne Pass einreisen darf, aber ohne Pass nicht ausreisen darf/muss.

G. W. /

...wohlwollender gegenüber den Smartphone-Besitzern bei den Flüchtlingen bin ich geworden, aber ich gebe allen Verantwortlichen (auch beim BAMF) zu bedenken, daß VIEL unterlassen wurde, was die mehr

Annemarie V. /

Ich danke Euch für den guten Bericht über die Flüchtlinge bzw. über das Handy!
Ich bitte Gott und den Flüchtlingen um Vergebung für meine Vorurteile die ich bis heute hatte. Gott sei es gedankt, mehr

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