
Interview Lesezeit: ~ 5 min
Die Koreaner schmunzeln über uns
Bibelschulleiter Heinrich Derksen über seinen Besuch in einer Megagemeinde in Südkorea.
In Asien leben die Christen ihren Glauben anders. Die Gemeinden wachsen. Und der Gemeindebau scheint dort anders zu funktionieren als in Europa. Solche oder ähnliche Berichte hört man immer wieder – und staunt als deutsches Gemeindemitglied nicht schlecht. Doch was ist dran, und wenn es stimmt, woran liegt es, dass in asiatischen Ländern so viele Menschen zum Glauben kommen? ERF Online sprach mit einem, der dort war. Heinrich Derksen ist Schulleiter am Bibelseminar Bonn und besuchte Ende letzten Jahres die SaRang-Gemeinde in Seoul.
ERF Online: Herr Derksen, warum reist ein deutscher Bibelschulleiter nach Südkorea?
Heinrich Derksen: Ich hatte vor einigen Jahren hier in Deutschland Koreaner kennengelernt. Die erzählten mir von der SaRang-Gemeinde in Seoul und das ich die doch mal besuchen sollte. Ich habe mir das erst mal nur als Idee vorgemerkt, bis ich schließlich eine Einladung direkt von der Gemeinde bekam. Vermutlich haben meine koreanischen Freunde aus Deutschland die Gemeinde auf mich aufmerksam gemacht. 2012 war ich das erste Mal dort und habe in der Gemeinde gepredigt. An einem Sonntag finden dort sechs Gottesdienste statt. Wenn der Pastor da mal durch einen Gastredner aus Deutschland vertreten wird, ist das eine willkommene Ergänzung.
So habe ich die Gemeinde kennengelernt. Das war für mich eine interessante Erfahrung, weil mir Südkorea und der gesamte asiatische Raum bis dahin weniger vertraut waren. Ich kam inspiriert zurück nach Deutschland und hatte die Einladung im Gepäck, in zwei Jahren wiederzukommen, wenn die Gemeinde ihr neues Gemeindezentrum einweiht. Deshalb bin ich im November 2013 als deutscher Vertreter bei der Einweihung der neuen Räumlichkeiten dabei gewesen.
ERF Online: Sie meinen, dass deutsche Christen solchen lebendigen Glauben in Europa kaum noch kennen, wie sie ihn in Asien erlebt haben. Was macht diesen Glauben aus?
Heinrich Derksen: Es gibt ein paar Faktoren, an denen man das fest machen kann. Damit will ich nicht sagen, dass die Südkoreaner bessere Christen sind als andere. Aber ein Aspekt ist zum Beispiel das Frühgebet, das mich tief beeindruckt hat. Schon als ich 2012 dort war, haben sich 3000 Christen morgens zum Gebet getroffen. Als ich zuletzt in der Gemeinde war, kamen morgens fünf bis siebentausend Menschen zusammen, um zu beten.
Es ist faszinierend, welche Bedeutung es für diese Christen hat, sich morgens um fünf Uhr in der Gemeinde zu treffen, um ein bis eineinhalb Stunden zu beten. So beginnt ihr Tag. Auch wie sie ihren Glauben im Alltag leben ist besonders. Sie geben wirklich das Evangelium weiter, bringen Arbeitskollegen mit in Hauskreise und nutzen intensiv den persönlichen Kontakt. Die Christen in Südkorea sind in der Öffentlichkeit besonders sichtbar. Eine Gemeinde mit über 50.000 Mitgliedern wird in einer Stadt nicht übersehen, allein die Größe macht da einiges aus.
„Wir machen es in Deutschland nicht grundsätzlich falsch“
ERF Online: In den von Ihnen besuchten Gottesdiensten wurde viel und lang gebetet, gesungen und auf Gottes Wort gehört. Das tun Christen in Deutschland ebenfalls. Was ist der Schlüssel für die Entstehung von Megagemeinden in Asien?
Heinrich Derksen: Ein Schlüssel für große Gemeinden ist das Gebetsleben. Deutsche Christen können sich in dieser Hinsicht noch mehr bemühen und von den Südkoreanern lernen. Darüberhinaus ist die SaRang-Gemeinde vor allem durch persönliche Evangelisation gewachsen, so sagen sie von sich selbst. Ihr Konzept besteht aus Kleingruppenarbeit und gezielter Anleitung in der Nachfolge Jesu, also Menschen nicht nur zum Glauben zu führen, sondern auch darin anzuleiten im Alltag als Christ zu leben. - zum Beispiel durch Jüngerschaftskurse. Das sind ganz klassische Instrumente.
Ich kann nicht sagen, dass sie manche Dinge völlig anders machen als wir am Bibelseminar Bonn zum Beispiel. Mein Eindruck ist aber, dass sie geistliche Dinge mit einer stärkeren Intensität und Zielstrebigkeit tun. Wie die SaRang-Gemeinde Menschen in der Jüngerschaft anleitet, ist wirklich vorbildlich.
ERF Online: Südkorea hat 13.000 Missionare in die Welt ausgesandt. Wer genau sendet sie aus – und in welche Länder?
Heinrich Derksen: Unabhängig von den konfessionellen Ausrichtungen schicken alle Gemeinden in Südkorea Menschen in die Mission, weil das ihr Anliegen und ihr Steckenpferd ist. Denn Korea wurde erst vor etwas mehr als einhundert Jahren mit dem Evangelium erreicht. Der christliche Glaube ist im Vergleich zu Europa also noch sehr jung. Die ersten Missionare haben dafür ihr Leben geopfert. In Seoul gibt es einen Friedhof für christliche Missionare. Heute wollen Südkoreaner das tun, was andere für sie getan haben: Missionare aussenden.
Selbst in Deutschland gibt es Koreaner, die das Evangelium verbreiten, obwohl wir ja eigentlich ein christliches Land sind. Aber weil es Not in Gemeindebau und Evangelisation gibt, wollen die Koreaner uns unterstützen. Solche Impulse tun uns gut, gerade was die Bereitschaft angeht, Menschen das Evangelium weiterzugeben. Dabei machen wir es in Deutschland ja nicht grundsätzlich schlecht oder falsch, aber wir senden eben auch nicht viele Missionare in die Welt.
„Nicht von Ritualen blenden lassen“
ERF Online: Das Land, das sie bereist haben, ist immer öfter aufgrund seiner politischen Spaltung in den Nachrichten. Waren die Spannungen zwischen Nord und Südkorea während Ihrer Reise für sie spürbar?
Heinrich Derksen: Ich war nur eine Woche dort und habe durch meine starke Einbindung in Gespräche und Veranstaltungen wenig davon mitbekommen. Aber bei meinem letzten Besuch vor zwei Jahren war ich an der Grenze zu Nordkorea und hatte dort die Gelegenheit, mit Menschen über die politische Situation zu reden. Daraufhin habe ich zusammen mit Wolfgang Baake den Pastor mit Volker Kauder in Kontakt gebracht, damit die Leute dort mehr Unterstützung erfahren. Denn Koreaner bewundern die Wiedervereinigung in Deutschland und wollen daraus lernen.
Im Wesentlichen ist das ganze Land darauf fokussiert, dass es irgendwann zu einer Wiedervereinigung kommt. Dabei ist nicht sicher, ob das wirklich alle im Land wollen. Es gibt natürlich Gruppen die Bedenken haben und fürchten, Nordkorea würde sie wirtschaftlich herunterziehen. Andere aber erinnern an die Zusammengehörigkeit und ihre Verwandten jenseits der Grenze. Die Gemeinden beten für eine Wiedervereinigung. In der SaRang-Gemeinde sind einzelne Gruppen sogar politisch aktiv. Einmal in der Woche trifft man sich abends, um bewusst für den Zusammenschluss zu beten.
ERF Online: Wie hat dieser Besuch Ihren Glaubensalltag verändert?
Heinrich Derksen: Am Bibelseminar Bonn haben wir das Frühgebet gestartet. Die Koreaner lachen zwar, weil wir es erst um sieben Uhr morgens veranstalten, aber wir wollen es einfach mal ausprobieren. Ich selbst mache eine sehr gute Erfahrung damit. Das Gebet am Morgen stärkt meinen Glauben, auch wenn es nicht automatisch alles radikal verändert. Man darf sich auch nicht von solchen Ritualen blenden lassen. Man wird nicht sofort ein besserer Christ, aber es stärkt definitiv den Glauben.
ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!
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Ihr Kommentar
Kommentare
Herr Derksen erwaehnt das Fruehgebet, Koreanisch Saebyeokgido. Darueber habe ich eine Dissertation geschrieben (Augustana-Hochschule Neuendettelsau 2010). Ich nenne es Fruehmorgengebet.
Danke für diesen Bericht aus Korea.
Luther sagte: Wenn ich viel Arbeit habe muss ich viel beten. Oder auch: "man(n) soll beten ob alles arbeiten nichts nützt und arbeiten ob alles beten nichts nützt".
Wir in Deuschland sind fleißige Leute wie unsere Geschwister in Korea auch. Aber wir beten zu wenig. Jesus gibt uns in seinem Wort die Verheisung, wenn wir ehrlichen Herzens zu ihn beten und in seinem Namen ihn bitten, dass er uns helfen und antworten wird.
das habe ich in meinem Leben erlebt … mehrund kann das bezeugen. Wir beten in unserer Gemeinde für unsere Dorf. Und es hat schon sehr positiv gewirkt. Schöne Grüße aus dem Vogtland Jürgen F.
vielen Dank für diesen ermutigenden Artikel.
Davon brauchen wir mehr in unserer festgefahrenen Kirche.
Wir brauchen solche Zeugnisse, wo Christen im Gebet "den Himmel auf die Erde "holen. nochmals vielen Dank
Vielen DAnk.
Ich bin mit einer Koreanerin verheiratet und habe anfangs ebenfalls sehr gestaunt. Man muss aber auch die Kehrseite der Medaille sehen. Meine koreanischen Geschwister erzählen, dass Geschäftsleute die Megakirchen als Plattform für ihre Geschäfte nutzen. Man nimmt am Morgengebet teil, um beruflich Erfolg zu haben. Die Frömmigkeit ist oft nur äußerlich und nimmt sogar sektenhafte Formen an. Die Pastoren der Kirchen werden fast wie Gott selbst verehrt und sind daher nicht zu hinterfragen. Die … mehrGründe dafür liegen in der koreanischen Kultur und Tradition. Die SaRang Kirche ist laut meinen koreanischen Geschwistern kürzlich in die negative Presse geraten, da der Doktortitel des Pastors nur ein Plagiat ist. Daraus wurde ein öffentlicher Skandal, trotzdem blieb der Pastor im Amt. Etliche Pastoren beschäftigen Haushälterinnen, tragen teure Kleidung, fahren teure Autos und schicken ihre Kinder ins Ausland zum studieren. Reichtum und Erfolg deuten sie als Signal der Gnade Gottes. Wie man da noch mit gutem Gewissen den 'Zehnten' geben kann, ist mir schleierhaft. Pastor Yonggi Cho, Gründer der größten Kirche der Welt, wurde wegen Steuerbetrug in Milliardenhöhe angeklagt und kommt nun wie zuvor sein Sohn ins Gefängnis. Und zum Thema Mission: viele koreanischen Missionare leiten nur koreanische Gemeinden, in denen sich die im Ausland lebenden Koreaner treffen und ihre Sprache und Kultur pflegen. Das hat natürlich seine Berechtigung, jedoch stellt man sich unter Mission etwas anderes vor.
Vielen Dank für den Beitrag. Ich bin sehr dankbar für unsere koreanischen Geschwister. Sie sind mir ein Vorbild in ihrem Gebetsleben.
Meine Tochter besuchte alleine nach der Schule Seoul. Dort lernte sie einen koreanischer Pastor kennen, der nach Deutschland flog, um dort zu dienen. Spontan lud er sie ein, seine Wohnung in Seoul zu nutzen. Welch eine Großzügigkeit! Das Gebetsleben der Christen hat meine Tochter sehr beeintruckt und, wie ich meine, "angesteckt".
Ich denke oft an Josua, der … mehrnicht von der Stiftshütte wich. Seine Brüder und Schwestern kümmerten sich um ihr Leben und um ihre Bedürfnisbefriedigung. Doch Josua nutzte die Zeit in der Wüste und "verschwendete" sein Leben an Gott. Ihm vertraute Gott den Einzug in das gelobte Land an. Meine koreanischen Geschwister und meine Tochter sind mir ein Anstoß, auch meine Zeit im Gebet an den Herrn zu "verschwenden" ; damit möchte ich ausdrücken, auf Liebgewonnenes zu verzichten zu Gunsten dessen, der uns zuerst geliebt.
Liebe Redaktion. Als Diakon und wiedergeborener Christ bin ich seit über 20 Jahren in Brandenburg. Unser Hauskreis und unsere Gemeinde versuchen verschiedenen Wege missionarisch zu wirken. Auch gemeindeübergreifendes Gebet ist eine Wahl der Mittel.....und trotzdem kommen wir über das von Ihnen besagte Schmunzeln nicht hinaus. Dieses Schmunzeln kenne ich von meinen Regelmäßigen Begegnungen in Gemeinden in Tansania, die in der Regel mit über 2000 Christen überfüllt sind. Die Zahl der Christen hat … mehrsich in Tansania in manchen Regionen fast verdoppelt und es fehlt an Kirchenlehrer, Pastoren und Kirchengebäuden. Das Schmunzeln tut mir weh...... weil ich ein Herz habe für die Menschen hier in Brandenburg. Weil das Schmunzeln suggeriert, man macht nicht genug.....weil, ....!?
Aus Ihrerem Interview könnte man meinen herauszuhören, dass es an der Methode liegt, oder an der geringen Bereitschaft Opfer zu geben.....oder zu wenig zu Beten.......
Der Geit Gottes weht, wo er will....es ist nicht unser Wirken und unsere Leistung....
Als ich bei den Jesus-People in den sibziger Jahren Christ wurde, war es die "Begeisterung" für Jesus, die einen Aufbruch unter uns Hippies hervorgerufen hat.
Es war die Zeit der Gnade für uns. Dies brauchen wir auch für Berlin und Brandenburg. Wenn Sie sich den Veranstaltungskalender christlicher Interpreten ansehen, finden sich die meisten Veranstaltungen in frommen Gegenden westlicher Bundesländer. Wer kommt als Missionar nach Brandenburg? mfG Jörg K.