
Buchrezension Lesezeit: ~ 3 min
Liebe Sophie! Brief an meine Tochter
Wie sieht Kindheit heute aus? Henning Sußebach, Journalist und Vater, zieht Bilanz und schreibt seiner Tochter einen Brief.
„Die Schulzeit ist die schönste Zeit des Lebens.“ Wer kennt diesen Satz nicht? Ob er noch auf die heutige Jugend zutrifft, ist allerdings fraglich. Zumindest Henning Sußebach, Redakteur bei der Wochenzeitschrift „DIE ZEIT“, sieht dies skeptisch. In seinem Buch „Liebe Sophie! Brief an meine Tochter“ rechnet er nicht nur mit G 8 ab, sondern macht auch deutlich, dass die Art, wie wir als Erwachsene heutzutage unsere Kinder behandeln, deren Entwicklung nicht immer dienlich ist. Damit führt Sußebach seine bereits in dem Artikel „Liebe Marie“ geäußerte Kritik an der Schulzeitverkürzung weiter aus.
G 8 führt Kinder ins Burn-Out
Sußebachs Hauptaussage ist, dass wir unseren Kindern die Kindheit rauben. Dies geschieht auf vielerlei Weise, unter anderem auch durch die verkürzte Schulzeit. Denn Sußebach ist überzeugt, dass die Kinder nicht ein Jahr gewinnen, sondern eines verlieren. Schließlich wird ihre Kindheit um ein ganzes Jahr verkürzt. Doch nicht nur das, auch innerhalb der Kindheit verkürzen Eltern und Erzieher die Zeiten, in denen Kinder wirklich Kind sein dürfen. Pflichttermine wie Schule und Hobbies nehmen zu, frei gestaltbare Zeit nimmt ab.
Sußebach spricht hier von einem „Misstrauen gegenüber der Kindheit“. Seiner Ansicht nach haben Eltern Angst, ihre Kinder sich selbst zu überlassen. Der Alltag der Kinder wird durchgeplant aus Angst, das Kind könne hinter anderen Kindern zurückbleiben. Dies geschieht nicht erst in der Schule, sondern schon in Vorschule und Kindergarten. Ja, mittlerweile gibt es sogar schon Babybauch-Beschaller, die die kindliche Entwicklung fördern sollen. Frei nach dem Motto: Beschalle dein Baby mit Chinesisch und es wird später in Nullkommanichts diese Sprache lernen.
Um dem Kind keine Chancen zu nehmen, wird jede Minute effektiv gefüllt. Dies tun Eltern laut Sußebach, um ihre Kinder auf die Zukunft vorzubereiten. „Wir ordnen Eure Gegenwart einer Zukunft unter, für die wir Euch jetzt schon wappnen“, so formuliert es Sußebach. Damit aber schrumpfen wir die Gegenwart der Kinder, so ist er überzeugt. Denn neben aller Förderung ist es seiner Ansicht nach auch wichtig, dass Kinder sich selbst ausprobieren können. Das kommt heute aber zu kurz. Das kann zu ernsten Problemen führen, denn mittlerweile haben laut Sußebach schon einige Kinder Burn-Out-typische Symptome.
Kindgerechte Sprache und saubere Recherche
Auf diese Problematik will er aufmerksam machen. Dies tut er in Form eines Briefes an seine Tochter. Sein Stil ist dabei locker, direkt und ehrlich. Man spürt dem Buch ab, dass der Autor selbst Vater ist. Sußebach zeigt Verständnis für den Wunsch vieler Eltern, das Kind bestmöglich zu fördern, sieht sich und andere Eltern aber auch in der Gefahr, zu viel zu fördern bzw. zu fordern. Er wünscht sich für seine Tochter auch die besten Zukunftschancen und gibt ehrlich zu, dass es ihm „wie allen Eltern, zuerst ums eigene Kind geht.“ Gleichzeitig ist ihm wichtig, dass dies allein nicht im Vordergrund steht: „Du sollst wissen, dass du mehr bist als die Summe deiner Leistungen.“
Der persönliche Ton hebt das Buch gegenüber einem reinen Sachbuch positiv hervor. Sußebachs Beobachtungen sind durch die Beispiele aus dem eigenen Familienleben gut nachzuvollziehen. Dadurch, dass er nicht von oben herab urteilt, sondern sich selbst als Teil des Systems versteht, wirkt das Buch authentisch. Gleichzeitig greift Sußebach auch auf Aussagen von Pädagogen, Kinderärzten und Kinderbuchautoren zurück. Seine Ausführungen entspringen nicht allein seinen eigenen Beobachtungen, sondern auch einer sauberen Recherche. Dennoch bemüht er sich, in seiner Sprache klar, verständlich und kindgerecht zu bleiben. Das macht das Buch auch für Erwachsene leicht lesbar.
Fazit
Dieses Buch ist allen zu empfehlen, die mit Kindern zu tun haben. Es ist kurzweilig geschrieben und spricht gleichzeitig ein wichtiges und politisch brisantes Thema an. Bereits den ZEIT-Artikel „Liebe Marie“, der den Anstoß zu diesem Buch gab, habe ich mit großer Begeisterung gelesen. Dass unsere Gesellschaft eine Leistungsgesellschaft geworden ist, ist kein Geheimnis. Doch mittlerweile ist das Prinzip „Leistung“ schon in den Kinderzimmern angekommen. Dieser Entwicklung sollten gerade Christen kritisch gegenüberstehen.
Dafür kann dieses Buch ein Augenöffner sein. Es kann helfen, neu zu überdenken, wo wir auch als Christen mehr die Zukunft unserer Kinder als ihre Gegenwart im Blick haben. Gleichzeitig haben wir eine wunderbare Nachricht an unsere Kinder weiterzugeben: Gott liebt dich unabhängig von deiner Leistung. Diese Nachricht im Kindergottesdienst und der Jungschar weiterzugeben, wird immer wichtiger werden, je mehr die Kindheit zu einem „Trainingslager fürs Berufsleben“ wird.
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Ihr Kommentar
Kommentare
Lieber Herr Sußebach,
bei aller Sympathie für Kinder und eine möglichst glückliche Kindheit, vergessen Sie nicht, daß deutsche Kinder trotz G8 und sonstiger Zumutungen weltweit privilegiert sind. Frei von Unterdrückung und Zwangsarbeit. Wie in der Dritten Welt z.B. Aber auch freier und sorgloser als ihre Väter- und Großvätergeneration. Bis in die 1960er Jahre hinein, verließen 90 % der Kinder mit 14 Jahren (!) die Schule, um in das Berufsleben zu gehen. Das war endgültig "Schluß mit lustig". … mehrWie gern hätten sie noch ein wenig die Schulbank gedrückt oder Tennis gespielt oder Klavier geübt. Allein, die Eltern konnten es sich nicht leisten oder der Staat hatte es nicht vorgesehen. Dagegen ist der heutige oft vorzeitige Aufschrei "Stress" ein eher ein Wohlstandsproblem. Das sollten wir bei allem Wohlwollen für heutige Kinder nicht aus den Augen verlieren. Nie war in der deutschen Geschichte die Kindheit länger als heute!
Ich kann diese Meinung nur unterstreichen. Die Kinder heutzutage tun mir wirklich leid, weil sie so eine kurze Kindheit haben. Schon mit 9 Jahren "sollten" sie sich für eine passende Oberschule entscheiden, um die besten Chancen als Erwachsene zu haben. Und was ich besonders schlimm finde, dass in den Schulen (vom Kultussenat bestimmt) in recht frühen Jahrgängen sexuelle Aufklärung stattfindet, um zu verhindern, dass keine unerwünschten Schwangerschaften entstehen. Das ist wirklich krank. Um … mehrauf den ersten Punkt zurückzukommen, zu welchen Menschen ist Jesus gegangen: zu den total gebildeten oder zu den einfachen Menschen. In der Hauptsache zu den einfachen Leuten, die "nur ein einfaches Handwerk lernten. Für Jesus hatte nicht die Bildung eines Menschen Priorität. Das sollten wir uns immer vor Augen führen, dass gute Bildung, so sehr ich das schätze, nicht das allerwichtigste im Leben ist. Lasst doch die Kinder Kinder sein! Meine Kindheit dauerte bestimmt 14 Jahre, die der heutigen Kinder vielleicht 10 Jahre.