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© TobiasGolla / pixabay.com

19.01.2012 / Christ und Politik / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Amy E. Black / Hanna Willhelm

Ruhig Blut im politischen Gefecht

Es schadet der Gesellschaft, wenn Politiker ihre Gegner diffamieren und Bürger einseitig ihren Willen fordern. A. Black zeigt, wie es anders geht.

2009 starten der Republikaner Mark DeMoss und sein demokratischer Freund Lanny Davis eine Initiative, in der sie Senatoren, Gouverneure und Abgeordnete der USA zu einem respektvollen Umgang gegenüber dem politischen Gegner verpflichten wollen. Von den 585 angeschriebenen Politikern erklären sich drei dazu bereit, das Versprechen zu unterschreiben. Mehr nicht. DeMoss sieht das Projekt damit als gescheitert an. Was ihm bleibt, ist die Frage, warum sich so wenige Politiker auf das Versprechen eingelassen haben, das doch eigentlich nicht zu viel verlangt. Aber nicht nur von politischer Seite aus haben die beiden Freunde Gegenwind gespürt. Neben tausenden Bürgern, die das Versprechen als Privatleute unterzeichnen, haben DeMoss und Davis auch zahlreiche bösartige und beleidigende Mails erhalten.

Für Amy E. Black, Dozentin für Politikwissenschaften am Wheaton College, sind diese Reaktionen Grund zu fragen, was sie über die gegenwärtige us – amerikanische Politik aussagen und welche Rolle Christen in der sich immer stärker verschärfenden politischen Debatte spielen. Eine Debatte, in der der politische Gegner diffamiert und beleidigt wird und es oft nur noch schwarz-weiß Lösungen zu geben scheint. Darüber hinaus beobachtet Black bei ihren Landsleuten eine wachsende Frustration über dieses politische Gebaren und die scheinbare Unfähigkeit der Regierung, Probleme zu lösen.

In ihrem Aufsatz „The Cure for Election Madness. How to be political without losing your soul”1 in Christianity Today geht die Politikwissenschaftlerin den Ursachen für diese Entwicklung auf den Grund und versucht Lösungen aufzuzeigen. Unter anderem nennt sie drei Punkte, die gerade Christen für die öffentliche und politische Debatte beachten sollten. Sie nennt sie die Schlüssel für eine respektvolle politisch - gesellschaftliche Gesprächskultur.2

Auch in Deutschland wird der Ton unter politischen Gegnern zunehmend schärfer und polemisch. Auch hier besteht die Gefahr, dass den Bürgern entgegen der Realität einfache schwarz-weiß Lösungen verkauft werden, weil diese Stimmen versprechen. Und auch in der Bundesrepublik scheinen viele Wähler nicht mehr bereit zu sein, gemeinsam mit Politikern komplexe Lösungen zu suchen und auszuhalten. Als Christen sind wir von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Deswegen können die von Black genannten Schlüssel auch für uns in Deutschland  einen wertvollen Beitrag zu einer gesunden Streitkultur liefern. Eine Streitkultur, die nicht nur die Grundlage für ein demokratisches Rechtssystem bildet, sondern für eine multi-ethische und stark individualisierte Gesellschaft unentbehrlich ist.

Schlüssel für eine respektvolle politisch – gesellschaftliche Gesprächskultur
von Amy E. Black3

Mitten in einer heißen politischen Debatte ist es schwierig, einen Schritt von den Fronten zurückzutreten und vorsichtig auszuloten, welchen möglichen Erfolg eine vorgeschlagene politische Lösung hat. Aber wenn wir wollen, dass unser Glaube unser politisches Handeln durchdringt und wenn wir ein positives christliches Zeugnis sein möchten, dann ist eine solch gemäßigte Herangehensweise nicht nur klug sondern unerlässlich. Bedenken Sie folgende drei Vorgehensweisen, durch die Christen ihren Glauben auf der politischen Bühne zeigen können:

1. Gestehen Sie sich ein, dass politische Themen komplex sind.

Viele politische Entscheidungsträger und Bürger reden und handeln so, als ob sie die meisten politischen Probleme auf einen Schlag lösen könnten. Ein markanter, aussagekräftiger Spruch („Wir gewinnen diesen Kampf über Nacht“) verschafft mehr Aufmerksamkeit und Zustimmung als ein Entwurf, der nicht nur mehrere Schritte enthält, sondern einen längerfristigen Weg vorschlägt. Wer will schon hören, wenn ein gewählter Volksvertreter zugibt, dass ein Problem so herausfordernd ist, dass vielleicht das Beste, was die Regierung tun kann, ist, im Laufe der Zeit einige Aspekte davon anzupacken? Die amerikanischen Wähler sprechen viel eher auf Optimismus denn auf Pragmatismus an und deswegen lieben es die Politiker, schnelle Lösungen zu versprechen. In Wirklichkeit können nur wenige diese Lösungen bieten. So lange die Wähler enthusiastisch reagieren, wenn einfache Lösungen versprochen werden, werden wenige Kandidaten den Mut haben und offen über die Probleme sprechen, die eine Regierung angehen muss.

Eine Möglichkeit, wie wir Menschen in öffentlichen Ämtern unterstützen können, ist es wertzuschätzen, wenn die Wahrheit gesagt wird und zu akzeptieren, dass diese Amtsträger schwierige Entscheidungen treffen müssen. Wenn wir von einem langesamen und komplexen politischen System Instantlösungen erwarten und verlangen, machen wir es den Politikern viel schwerer, ihre anspruchsvolle Arbeit zu tun. Wir sollten unsere Leiter zur Verantwortung  ziehen, wenn sie Positionen vertreten, denen wir nicht zustimmen. Aber wir sollten es ihnen erlauben, dass sie ihre Entscheidung erklären können und ihnen dabei wirklich zuhören.

Außerdem sollten wir langsam auf solche Bestrebungen reagieren, die uns Angst einjagen sollen. Wenn jemand einen alarmierenden Brief oder E-Mail schickt, sollten wir die Behauptungen nachprüfen und ein wenig recherchieren, statt vorschnell Rückschlüsse zu ziehen. Die Beanstandungen mögen berechtig sein, aber es ist auch sehr wahrscheinlich, dass sie auf Zerrbildern oder unverblümten Lügen aufbauen. Wenn eine Geschichte sich zu unwahrscheinlich anhört um wahr zu sein, dann ist sie es vermutlich auch nicht. Wenn Aktivisten behaupten, dass ein politischer Antrag ein schwerwiegendes Problem über Nacht lösen wird, dann sind ihre Ankündigungen sehr wahrscheinlich übertrieben.

2. Halten Sie sich im Krieg der Worte an die Spielregeln.

Christen – egal, ob sie Kandidaten sind oder als Bürger unter Freunden debattieren – sollten gegen böswillige, falsche und irreführende politisches Gerede  Stellung beziehen. So viel von dem, was wir momentan an politischen Debatten erleben, zeigt nur wenig Differenziertheit und ist kein gutes Zeugnis für den christlichen Glauben. Wir sollten uns an gemeinen Attacken nicht beteiligen und wir sollten auch diejenigen nicht unterstützen, die das tun. Stattdessen sollten wir einen ehrlichen und offenen Dialog fördern, Bedenken und Kritik ansprechen, wo es nötig ist, und die Politiker für ihr Handeln verantwortlich machen.

Übertreibungen sind manchmal notwendig, um wichtige Unterschiede zu beleuchten oder komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen. Aber Kandidaten können die Aufmerksamkeit der Medien mit flotten Sprüchen und provozierenden Aussagen gewinnen, ohne dafür ihre Gegner zu dämonisieren oder ihre Positionen zu verzerren.

Machen Sie den einfachen Test und wenden Sie die goldene Regel an, bevor Sie die politischen Ansichten einer anderen Person charakterisieren: Möchten Sie, dass jemand so über Sie und Ihre politischen Positionen spricht, wie Sie es bei anderen tun? Es mag unmöglich erscheinen, ein solches Kriterium anzulegen. Aber es ist nicht unser höchstes Ziel, dass alles problemlos anwendbar ist. Im politischen Dialog – wie auch in allen anderen Interaktionen – sollten wir zuerst und vor allem Gott ehren.

3. Befassen Sie sich mit dem politischen Tagesgeschäft.4

Viele Christen konzentrieren ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf polarisierende Themen4, die von gesellschaftlichem Belang sind. Fragen der persönlichen Ethik sind wichtig und müssen ein Teil der öffentlichen Debatte sein. Gott beruft viele Menschen, um auf diese Belange aufmerksam zu machen und die Kirchen zum Handeln zu bringen. Aber diese Themen bilden nur einen kleinen Teil der politischen Debatten und Vorschläge, mit denen sich die gewählten Volksvertreter jedes Jahr auseinandersetzen müssen. Wenn Christen ihre politische Aufmerksamkeit ausschließlich auf diese Belange konzentrieren, verlieren sie die Möglichkeit, in der öffentlichen Diskussion zu dem breiten Spektrum aller anderen politischen Debatten beizutragen.

Wir danken Christianity Today für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung des Auzuges! Den vollständigen Artikel finden Sie hier (in Englisch). Von der Autorin erscheint im Juni 2012 auch ein Buch zum Thema: Honoring God in Red or Blue: Approaching Politics with Humility, Grace and Reason, Moody Publishers.


1 Auf Deutsch etwa: „Wege aus dem bizarren Wahlkampftheater. Wie man sich politisch engagieren kann, ohne seine Seele zu verlieren.“

2 Keys to Civil Civic Conversation

3 Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus dem erwähnten Artikel. Er wurde ins Deutsche übertragen von Hanna Willhelm.

4 Black spricht hier von hard issues und easy issues: Hard issues sind die Fragen, über die sich die Öffentlichkeit vom Kern her einig ist, aber unterschiedliche Ansicht darüber vertritt, wie ein Ziel erreicht werden soll (Z.B. Bekämpfung von Armut). Easy issues sind Fragen, die polarisieren und denen die Bürger grundsätzlich entweder ablehnend oder zustimmend gegenüber stehen (Z.B. Abtreibung).

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Kommentare (3)

Pravin /

Wie sch n Bernd, in deesim Punkt sind wir uns einig.Atma, die leise g ttliche Stimme in uns nennt man auch Gewissen.Leider wird diese Stimme st ndig von einer lauten Ger uschkulisse bert nt. Oftmals mehr

Thomas /

Es ist egal, wie die Politiker in den USA miteinander umgehen. Sie haben sich bereits, mit dem NDAA gegen das Volk entschieden. Der NDAA erlaubt es der Regierung, Bürger der USA,ohne mehr

RealDeal /

Ich empfehle Hayek "Road to Serfdom" (Der Weg zur Knechtschaft). Dort wird im Kapitel "Why the Worst Get on Top" unwiderlegbar der Parteienstaat als Grundlage der Ochlokratie genannt. Figuren wie mehr

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