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19.04.2011 / Erfahrungsreich / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Prof. Kurt Witterstätter

Weiblich (60), hilfsbereit, sucht...

Die letzten Zivis gehen, der Bundesfreiwilligendienst kommt – und bietet interessante Möglichkeiten, gerade für die Generation ab 60.

„Freiwi“ – das ist das Kürzel für die neuen Bundesfreiwilligen, die Nachfolger der sozial wichtigen und bundesweit beliebten Zivildienstleistenden. Eingebürgert hat sich der „Freiwi“ noch nicht, vielleicht werden wir demnächst aber genauso selbstverständlich von ihm sprechen wie vom Zivi.

2011 ist ein Jahr des Epochenwechsels. In diesem Jahr beenden nach dem Aussetzen der Wehrpflicht zum 1. Juli auch die letzten Zivildienstleistenden ihren Dienst. Wer als Wehrpflichtiger den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen ablehnte, hat sich bislang in der Regel für den Zivildienst entschieden. Zivis wurden und werden im sozialen Bereich eingesetzt. Im Moment leisten in Deutschland noch rund 90.000 von ihnen ihren inzwischen nur noch sechsmonatigen Dienst. Sie arbeiten in Krankenhäusern, Altenheimen, bei der Schülerbetreuung, in der Natur- und Umweltförderung oder sie übernehmen Fahrdienste.

Das Ende der Wehrpflicht ist auch das Ende des zivilen Ersatzdienstes und damit das Ende der Zivis. Was kommt nun auf Wohlfahrtseinrichtungen und andere soziale und ökologische Stellen zu, wer leistet in Zukunft die Arbeit?

Ab 1. Juli 2011 startet der neue Bundesfreiwilligendienst (BFD), er soll der Ersatz für den Zivildienst werden. Bundesfreiwillige können dann nicht nur Männer, sondern auch Frauen jedes Alters werden – sofern sie nicht mehr schulpflichtig sind. Zunächst ist geplant, laufend etwa 35.000 Freiwillige zur Verfügung zu haben und an gemeinnützige Träger zu überstellen. Sie können sich zwischen sechs und maximal 18 Monaten, in Ausnahmefällen bis zu 24 Monate, im sozialen Bereich engagieren. In der Regel soll der BFD für zwölf zusammenhängende Monate abgeleistet werden. Der Dienst ist auch als Ergänzung zu dem weiter bestehenden Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gedacht.

Auch Junge Alte nach dem Beruf

Für junge Erwachsene bis 27 ist ein wöchentlicher Vollzeitdienst von 40 Stunden vorgesehen. Allerdings ist grundsätzlich auch ein Teilzeitdienst möglich. Freiwillige, die älter als 27 sind, sollen aber wenigstens 20 Stunden in der Woche im Freiwilligendienst sein. Hierbei können sich gerade auch Junge Alte nach ihrer Berufszeit engagieren.
Der Bundesfreiwilligendienst soll wie der Zivildienst arbeitsmarktneutral sein und nicht zu einer Verdrängung oder zu einem Ersatz regulärer Arbeitskräfte führen.

Grundsätzlich werden die neuen Bundesfreiwilligen in denselben Bereichen wie die bisherigen Zivis eingesetzt. Es gibt aber auch neue Einsatzmöglichkeiten im Sport, in der Integration von Ausländern oder in Kultur und Bildung.

Entlohnt werden die „Freiwis“ durch ein monatliches Taschengeld mit einer einheitlichen Obergrenze, die in Westdeutschland bei 330 Euro und im Osten des Landes bei sogar nur 288 Euro liegt. Die genaue Höhe  wird aber entsprechend der Regelung beim FSJ nicht gesetzlich vorgegeben, sondern muss mit den Trägern frei ausgehandelt werden. Die Einsatzstellen sind verpflichtet, die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung der Freiwilligen zu tragen.

Pädagogische Begleitung

Ziel des Dienstes ist es, ein Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu entwickeln. Begleitend zum Dienst werden die Bundesfreiwilligen an mindestens 25 Tagen pro Jahr durch den Besuch von Seminaren pädagogisch geschult. Wie früher auch bei den Zivis entfallen fünf Tage davon auf ein Seminar zur politischen Bildung, das in den 17 staatlichen Zivildienstschulen durchgeführt wird.
Freiwillige, die älter als 27 Jahre sind, müssen nur in einem verminderten, der Stelle angemessenen Umfang an den Seminaren teilnehmen.

Umstellungen für Wohlfahrtsverbände

Alle anerkannten Beschäftigungsstellen und Dienstplätze des Zivildienstes sind auch für den Bundesfreiwilligendienst anerkannt. Eine Hilfe bei der Suche nach einer verfügbaren Freiwilligenstelle bietet die Zivildienstbörse des Bundesamtes für den Zivildienst oder das Internetportal freiwilligendienste.de

Vom Sommer 2011 an sollen es also die „Freiwis“ oder die „BFD’ler“ sein, die dank ihres Bundesfreiwilligendienstes, kurz BFD genannt, in Altenheimen oder in Kinder- und Jugendeinrichtungen, im Sport, im Bildungsbereich und bei der Integration von Ausländern und Migranten mithelfen: Sie bringen nun das Mittagessen nach Hause.

Die sozialen Dienste müssen sich wieder einmal umstellen, wie schon bei den Verkürzungen der Zivildienstzeiten in den letzten Jahren. Das kann Vorteile haben, da nun Helferinnen und Helfer beiderlei Geschlechts zur Verfügung stehen. Hemmungen beim Waschen und Anziehen können dann geringer werden.


Andererseits erfordert die variablere Dauer des Freiwilligendienstes eine intensivere Schulungs- und Personalplanung. Allerdings lohnt sich bei einer Verpflichtung für 24 Monate auch eine ausführlichere Vorbereitung durch die Träger und Organisationen, die zuletzt über die nur sechsmonatige Dauer für komplexere Aufgaben nicht glücklich gewesen sind. Was geschieht, wenn ein länger verpflichteter, freiwilliger Helfer dann doch früher ausscheidet, als er ursprünglich wollte, ist noch ungewiss.  

Erste Stimmen aus der Praxis

In einem Bericht der „Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe vom 15.01.2011 werden erste Einschätzungen der neuen Situation genannt: „Damit geht die Entwicklung voran, die schon mit der Verkürzung der Dienstzeiten für Zivis begonnen hat“, sagt Albert Wild, Vorsitzender des Caritasverbandes Bruchsal. „Nachdem Zivis nur noch für sechs Monate bei uns waren, haben wir umgestellt: Geringfügig Beschäftigte und FSJ’ler haben zum Teil deren Aufgaben übernommen.“ Wild erwartet jedoch eine Bereicherung in den Einrichtungen, da sich nun auch ältere und lebenserfahrenere Menschen engagieren können.

Der BFD bedeute für die Einrichtung eine genaue Überprüfung der Aufgaben nach solchen für Professionelle und solchen für Ehrenamtliche, sagt Rüdiger Heger, Geschäftsführer der Diakonie im Landkreis Karlsruhe: „Jede einzelne Freiwilligen-Stelle kommt auf den Prüfstand. Was können die festen Mitarbeiter übernehmen? Was eignet sich als ehrenamtliche Aufgabe?“ Für Heger ist das Ehrenamt kein neues Thema: „Dafür gibt es heute schon gute Strukturen: Aber das Reservoir der Freiwilligen ist endlich“.

Verschiedene Träger wollen den jungen Freiwilligen deshalb durch Weiterbildungs-Angebote berufliche Perspektiven für ihr weiteres Leben eröffnen und werben damit bereits in Abschlussklassen der Schulen. „Erst wenn die Zivis nicht mehr da sind, wird man wirklich sehen, was sie geleistet haben“, sagt Stefan Nagel, Geschäftsführer des ASB-Ortsvereins Rheinstetten-Rastatt (Arbeiter-Samariter-Bund). Den BFD zu etablieren sieht er als Herausforderung an. „Man hatte sich ja schon mehr vom Freiwilligen Sozialen Jahr erhofft“, findet er. Bei den FSJ’lern hatte man die Verbindlichkeit durch die Verpflichtung für ein Jahr. „Wird das beim BFD auch so sein?“, fragt sich Nagel. Schließlich habe man beispielsweise beim Schülertransport feste Verträge  mit den Kommunen, die erfüllt werden müssten. „Da kommt organisatorischer Aufwand auf uns zu, wenn BFD’ler unterschiedlich lange bleiben oder früher aufhören möchten als ursprünglich verabredet.“

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Kommentare (1)

WilleWecker /

Das dieser Job eine harte Arbeit ist und bezahlt werden müßte ist wohl nebensächlich oder unerwünscht. An Gemeinsinn fehlt es den Organisatoren. Aber für die Banken sind ja Milliarden vorhanden. Es ist eine Ausnutzung der Ideale.

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