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28.12.2010 / Frauen der Kirchengeschichte / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Helga Lampe

Ätheria - Die Pilgerin aus Aquitanien

Sie scheute weder Distanz noch Gefahr, um die biblischen Stätten mit dem eigenen Auge zu sehen. Ätheria gehört zu den ersten Pilgern ins Heilige Land.

In unserer Zeit ist es eine Selbstverständlichkeit fremde Länder zu besuchen und ihre Geschichte, ihre Kulturen und Sprachen kennen zu lernen. Aber wissen wir auch, dass in der Christenheit schon sehr früh der Wunsch aufkam, das Land der Bibel und vor allem Jerusalem als die Stätte des Leidens und Sterbens Jesu mit eigenen Augen zu sehen? Zunächst waren es nur vereinzelte Reisende, aber seit Kaiser Konstantin mit der Kirche Frieden geschlossen hatte und an den Wirkungsstätten Jesu, z.B. am Ölberg, prachtvolle Bauten errichten ließ, setzte nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus dem ganzen Abendland eine beachtliche Pilgerbewegung ein. Waren es zunächst vor allem Geistliche und Gelehrte, so machten sich bald darauf vor allem Angehörige höherer Schichten, die über die nötigen Mittel verfügten, auf den Weg ins „Heilige Land“.

Aufschlussreiche Dokumentationen
Unter den ersten Pilgern, die schon im vierten Jahrhundert aufbrachen, befindet sich erstaunlicherweise auch eine Frau, die ein solches Wagnis nicht scheute: Ätheria von Aquitanien. Sie ist nicht nur wegen ihres Unternehmungsgeistes zu bewundern, sondern auch, weil sie einen Reisebericht verfasst hat, der zu den eindrucksvollsten Zeugnissen frühchristlichen Schrifttums gehört. Die Forschung verdankt den Aufzeichnungen dieser bemerkenswerten Frau wichtige Erkenntnisse über das damalige Leben in Palästina und den Ausdrucksformen christlichen Glaubens der Gemeinden im vierten Jahrhundert.

Vom Herzen bewegt
Ätheria war eine adlige Frau und stammte aus Südfrankreich. Nur ein einziger Pilger vor ihr hatte das Heilige Land aus solcher Entfernung besucht. Obwohl sie nicht mutterseelenallein reiste, sondern eine Gefolgschaft zu ihrem Schutz mitnahm, bedeutete diese Reise für eine Frau doch ein ungemein kühnes Unternehmen. Aber die Sehnsucht, die Stätten der Bibel aus eigener Anschauung zu erleben und somit besser mit der Welt des Alten und des Neues Testamentes vertraut zu werden, war größer als die Angst vor Gefahren.

Es war um das Jahr 386, als Ätheria aus ihrer Heimat aufbrach. Sie zog mit ihrem Gefolge zunächst auf dem Landweg bis nach Konstantinopel. So etwas wie Landkarten, an denen man sich orientieren konnte, standen auch damals schon zur Verfügung. Dennoch erforderte das Unternehmen Mut und Anstrengung. Bei Regen waren die Straßen verschlammt, bei glühender Hitze verstaubt, Flüsse mussten überquert, Gebirgspässe bezwungen und einsame Wälder durchzogen werden. Unterkunft fand die Reisegesellschaft in Klöstern und Kastellen, was ihrem adeligen Stande zu verdanken war. Von Konstantinopel dürfte sie die bekannte Pilgerstraße durch Kleinasien genommen haben. Leider sind Anfang und Ende ihres Reiseberichtes nur noch bruchstückhaft überliefert, so dass man darüber allenfalls Vermutungen anstellen kann.

Die Bibel wurde zu ihrem Reiseführer. Zusätzlich orientierte sie sich noch an einem geografischen Bibellexikon, das der Kirchenhistoriker Eusebius von Cäsarea herausgegeben hatte als Hilfsmittel für Reisende durch das Heilige Land. In Jerusalem schlug Ätheria ihr Hauptquartier auf und unternahm von hieraus ausgedehnten Besichtigungsfahrten. Ihre erste große Unternehmung führte sie nach Ägypten, das durch seine Bezüge zum Alten Testament von Bedeutung war. Dabei ritt sie gelegentlich auf einem Kamel oder Esel. Dann fuhr sie den Nil aufwärts bis Theben und besuchte dort die Mönche in ihren Wüstenklöstern.

Auf den Spuren des Volkes Israel
Zu ihren kühnsten Unternehmungen gehört die Reise auf die Sinai-Halbinsel in das Land des Mose. Die Besteigung des Sinai, wo sich Gott dem Volk Israel offenbart hatte, wurde zu einem der eindrucksvollsten Erlebnisse ihrer Pilgerfahrt. Wer sie liest, kommt zu dem Schluss, dass auch ein moderner Reisender die Eindrücke nicht lebendiger und eindringlicher hätte schildern können. Sie nahm mit den Augen des Glaubens wahr, was sich ihr darbot.

Vom Sinai kehrte sie nach Syrien zurück und verfolgte von hieraus in umgekehrter Richtung den Zug des Volkes Israel aus Ägypten. Hier führte der Weg durch Niemandsland, in dem eine allein reisende Frau unweigerlich eine Beute von Wegelagerern geworden wäre. Es gelang ihr, von den römischen Behörden eine militärische Begleitung zu bekommen, die ihr bis zur Erreichung des Nils Schutz bot. Von Pelusium aus reiste sie über die alte Küstenstraße wieder zurück nach Palästina und Jerusalem.

Dort nahm sie an den prachtvollen Feierlichkeiten des Osterfestes teil, deren Verlauf sie begeistert als den Höhepunkt ihrer Pilgerreise schildert. Sie beschreibt ausführlich die mit Kränzen geschmückten Häuser von Jerusalem, vom Zug der Gläubigen nach Bethlehem, dem Geburtsort Jesu, und die festlichen Gottesdienste in der Auferstehungskirche, die vom Glanz hunderter von Kerzen erstrahlte. Ihre Schilderungen wurden damit zu einem der schönsten und berühmtesten Zeugnisse der frühchristlichen Kirchenfeste.

Auch eine lange Reise hat ein Ende
Drei Jahre blieb sie in Palästina, unternahm Fahrten in den Osten des Landes, an den Jordan und ans Tote Meer. Sie besuchte Thispe, die Heimat des Propheten Elias, saß am Jakobsbrunnen und suchte, immer mit der Bibel in der Hand, vergeblich nach der Salzsäule von Loths Frau. Es ging ihr immer darum, die biblischen Erzählungen an den jeweiligen Örtlichkeiten lebendig werden zu lassen. Als sie endlich die Heimreise antrat, legte sie noch einen Abstecher von Antiochien nach Edessa ein, wo sich angeblich das Grab des Apostels Thomas befand. Auch Tarsus, die Geburtsstadt des Apostels Paulus, besuchte sie, außerdem Seleukia. Dort suchte sie den Bischof und seine sehr schöne Kirche auf und traf die Diakonisse Marthana, die sie schon in Jerusalem kennen gelernt hatte. Die Wiedersehensfreude war groß und ebenso die Dankbarkeit für die Bewahrung auf der Reise und all das Schöne, das sie hatte sehen und erleben dürfen.

Über Konstantinopel ging es wieder heimwärts. Ihr Reisebericht und die ausführliche Beschreibung der liturgischen Gebräuche in Jerusalem wurden seither vielen Christen ein Ansporn zum Bibelstudium und zu einer Bereicherung ihrer Bibelkenntnis. Wer auch heute noch den Spuren der Propheten und Apostel folgen möchte, kann von dieser mutigen Frau viel lernen.

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