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06.08.2015 / Allianzkonferenz 2015 / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Willkommen Fremder!

Praktische Hilfe für Flüchtlinge muss nicht kompliziert sein. Ein Bericht.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele christliche Gemeinden wollen praktische Nächstenliebe üben, sind aber gleichzeitig verunsichert, welchen Beitrag sie als Gemeinde leisten können – besonders, wenn sie keinerlei Vorkenntnisse in der Arbeit mit Flüchtlingen besitzen. Suse Chmell und Monika Deitenbeck-Goseberg haben Erfahrungen in dieser Arbeit gesammelt und geben diese weiter.

Gleich zu Beginn “ betont die Lüdenscheider Pfarrerin Monika Deitenbeck-Goseberg, dass das Zielsei, so praktisch wie möglich“ zu sein. Die Veranstaltung sei „zum Hausaufgaben machen“, so die Pfarrerin. Dass sich Städte und Kirchengemeinden oft sehr plötzlich mit der großen Not der Flüchtlinge konfrontiert sehen, weiß sie aus eigener Erfahrung. Am 28. Juli wurde in ihrem Stadtteil Oberrahmede ein Auffanglager mit rund 150 Flüchtlingen in einer Schule eröffnet. Seither ist die Kirchengemeinde dort engagiert dabei, Hilfsangebote für die Flüchtlinge zu organisieren. Besonders angewiesen sind die Flüchtlinge hierbei auf praktische Unterstützung, etwa Kleidung, Deutschunterricht oder die Mitfahrgelegenheit in eine Gemeinde.

Flüchtlinge ¿ Menschen, die Gott uns vor die Füße legt

Ein wenig länger ist Suse Chmell bereits in der Arbeit mit Flüchtlingen tätig. Sie ist Mitarbeiterin von „Jugend mit einer Mission“. In diesem Zusammenhang liegt ihr Mission am Herzen. Sie ist überzeugt, dass die große Flüchtlingswelle der letzten beiden Jahre ein Fingerzeig Gottes ist. Auch heute noch gelte der Missionsbefehl (vgl. Matthäus 28,19f ) für alle Christen und „wenn wir nicht in alle Welt gehen, bringt Gott alle Welt zu uns“, so Suse Chmell. Daher ist sie überzeugt, dass Christen keine Angst haben sollten vor dem, was mit Flüchtlingen an Arbeit und Problemen auf sie zukomme, sondern dies als Auftrag und Chance sehen sollten. Als sie selbst im letzten Jahr durch ihre Arbeit als Kreistagsabgeordnete von der Ankunft von 200 Flüchtlingen erfahren habe, habe sie beim Sozialamt die Hilfe von „Jugend mit einer Mission“ zugesagt.

Besonders eindrücklich war für Suse Chmell dabei die Ankunft der Flüchtlinge am Bahnhof. Sie hatte den deutlichen Eindruck, dass Gott sie fragt: „Bist du bereit zu glauben, dass diese Menschen nicht nur bedauernswerte Flüchtlinge sind, sondern junge Menschen, die ich gebrauchen möchte?“ Das führte bei ihr dazu, dass sie begann, eher das Potenzial in Asylsuchenden zusehen als die Probleme, die sie für den deutschen Staat bedeuten. Suse Chmell ist überzeugt: „Wenn wir die gute Botschaft zu diesen Menschen bringen, werden sie zum Segen für uns.“

Doch bei der Hilfe ist es wichtig, sich auf die Menschen und ihre Probleme zu konzentrieren, die „Gott uns vor die Füße legt.“ Zu wissen, dass es 60 Millionen Flüchtlinge weltweit gibt, kann schnell überfordern. Daher ist es wichtig, mit dem zu helfen, was man als Person oder Gemeinde zur Verfügung hat. Besonders Deutschkurse sind bei den Flüchtlingen gefragt, da es von der Regierung oft erst Angebote in dieser Richtung gibt, wenn der Aufenthaltsstatus geklärt ist.

„Sehen wir große Schwierigkeiten oder neue Möglichkeiten?“

Stellvertretend für das Schicksal vieler Flüchtlinge spricht ein eritreisches Ehepaar über seine Flucht und Ankunft in Deutschland. Wichtig war ihnen dabei, zu erwähnen, dass sie nicht des Geldes wegen nach Deutschland gekommen seien, sondern um als Menschen wahrgenommen zu werden. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass sie gerne die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen wollten und schon kennengelernt hätten, es dafür aber kaum oder zu wenige Angebote von der deutschen Regierung gebe. Daher sei ehrenamtliche Hilfe so wichtig. „Helft mit dem, was ihr habt“, ermutigt der Eritreer die Zuhörer.

Suse Chmell schließt daran an und erinnert an das Gleichnis von der Speisung der 5000. Auch hier habe Jesus aus fünf Broten und drei Fischen mehr gemacht. Wenn Christen sich diesen radikalen Gehorsam als Vorbild nähmen, könnten sie viel Gutes bewegen, so Suse Chmell. In diesem Zusammenhang ermahnt die Jugendreferentin auch dazu, sich als Christen nicht mit politischen Diskussionen darüber aufzuhalten, welche Flüchtlinge Deutschland aufnehmen kann und sollte und welche nicht. Viel sinnvoller sei es zu fragen: „Was passiert an meinem Ort? Was kann ich dort tun?“

Gleichzeitig gibt Chmell aber auch unumwunden zu, dass die deutsche Gesetzgebung der Flüchtlingsarbeit oft im Wege stehe. So ständen für einige Flüchtlinge schon Praktikumsplätze zur Verfügung; das Einzige, was noch fehle, sei die Genehmigung der Behörden. Deswegen sei ehrenamtliche Hilfe auch so wichtig. Denn „die Probleme wachsen, wenn wir nicht konkret etwas tun“, so Chmell. Insgesamt ist es für sie vor allem eine Frage der Einstellung. Provokativ fragt sie: „Sehen wir große Schwierigkeiten oder neue Möglichkeiten?“ Wenn man sich entscheide, eher die Möglichkeiten zu sehen und sich zu investieren, würde man auch als Helfer beschenkt. Das habe sie selbst erlebt.

Vom Ausländerhasser zum Ausländerfreund

Über ähnliche Erfahrungen kann auch Christian Miß berichten. Er ist Gemeindemitglied der FeG Lüdenscheid und engagiert sich seit einigen Jahren im Cafe International, einem monatlichen Kaffeetrinken, bei dem bewusst auch Migranten eingeladen werden. Doch er war nicht immer gut auf Flüchtlinge zu sprechen. Als Mitarbeiter der Stadt Lüdenscheid kam er regelmäßig mit Flüchtlingen in Kontakt. Dadurch bekam er Einblicke in deren Leben, die ihn verstörten, da sie mit seinem Wertesystem als Christ nicht in Einklang standen. Dies wurde für ihn über die Jahre hinweg zu einem inneren Konflikt, denn er spürte, dass er Flüchtlingen zunehmend Hass statt Nächstenliebe entgegenbrachte.

Das änderte sich erst, als er begann, bewusst für die Flüchtlinge zu beten, denen er begegnete. Überrascht stellte er fest, dass Gott tatsächlich etwas tat – im Leben dieser Menschen und an seiner inneren Einstellung. Etwa zu derselben Zeit startete ein monatliches Gemeindecafe in der FeG Lüdenscheid, zu dem von Anfang an auch Gäste aus anderen Nationen kamen. Miß nutzte diese Möglichkeit immer stärker, um Asylbewerber einzuladen. Dabei passierte Erstaunliches. Es bildeten sich Hauskreise. Insgesamt haben sich in den letzten vier Jahren dieser Arbeit etwa 25 Migranten bekehrt – größtenteils Menschen mit einem muslimischen Hintergrund.

Heute kann Christian Miß von sich sagen: „Ich bin vom Ausländerhasser zu jemanden geworden, der Ausländer liebt.“ Heute macht es ihm großen Spaß, Menschen aus anderen Ländern zur Gemeinde und zum Glauben einzuladen.

Gut organisiert helfen und vom Evangelium berichten

Abschließend berichtet noch einmal die Lüdenscheider Pfarrerin Monika Deitenbeck-Goseberg von den Erfahrungen, die ihre Kirchengemeinde in den letzten zwei Wochen gesammelt hat. Hierbei hat es sich als hilfreich erwiesen, die ehrenamtlichen Helfer in zwei Gruppen aufzuteilen: Eine Kontakter- und eine Sortierergruppe. Während die Sortierer sich darum kümmern, Lebensnotwendiges für die Flüchtlinge zu sammeln und zu sortieren, bauen die Kontakter Beziehungen zu den Neuankömmlingen auf. Dabei sei besonders wichtig, den Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Schon das Erlernen der Zahlen von eins bis zwanzig oder der Wochentage helfe den Flüchtlingen enorm. Eine Lehrerausbildung brauche man dazu nicht.

Als sehr bewegend erlebte die Pfarrerin, dass circa dreißig Flüchtlinge aus Albanien schon am nächsten Sonntag mit in den Gottesdienst kamen und dort sogar ein Lied kannten und in ihrer Heimatsprache mitsingen konnten. Insgesamt sei die sprachliche Verständigung – so Pfarrerin Deitenbeck-Goseberg – weniger wichtig, als man oft annehme. Vielfach reiche ein Lächeln. Denn das sei international und werde von allen verstanden. Dafür seien aber gute Absprachen zwischen den vom Staat beauftragten Hilfsorganisationen und ehrenamtlichen Helfern umso wichtiger. Nur wenn man gut zusammenarbeite, sei ehrenamtliche Hilfe wirklich hilfreich für die Organisationen und die Flüchtlinge.

Auch einige ehrenamtliche Mitarbeiter aus der Gemeinde Lüdenscheid-Oberrahmede kommen zu Wort. Ihr Votum ist durchweg positiv. Eine Mitarbeiterin weiß zu berichten: „Ich bin beschenkt worden von diesen Menschen, denen ich ein A beigebracht habe.“ Eine andere ermutigt die Zuhörer: „Haben Sie den Mut anzufangen!“ Am Ende der Veranstaltung ruft Christian Miß noch einmal konkret dazu auf, in der Ankunft von Flüchtlingen einen Auftrag zu sehen. Er hat erlebt, dass Menschen in Deutschland Christen wurden und nun – zurück in ihrer Heimat – weiterhin Gemeinden besuchen und bauen. Daher ist gerade die Evangelisation unter Flüchtlingen besonders wichtig.

 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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Kommentare (3)

Jaques L. /

Hallo Libby,
das haben Sie nicht zu entscheiden, sondern die Redaktion. Es passt zu Ihnen, abweichende, vor allem mahnende Worte zu diffamieren. Es sagt viel über Ihre Toleranz aus. Auf Inhalte gehen Sie gar nicht erst ein. Vielleicht können Sie es auch nicht.

Libby /

Jaques L. schreiben Sie bitte Ihre Kommentare auf weltlichen Nachrichtenseiten die eher dazu geneigt sind, Ihre Auffassung zu teilen. Ihre Meinungen die ich zum Thema Flüchtlinge lese sind destruktiv und widersprechen dem, was Gott uns durch die Bibel zeigt

Jaques L. /

Erneut wurde von der Regierung die Zahl der zu erwartenden "Flüchtlinge" für dieses Jahr drastisch nach oben korrigiert - von 450.000 auf 750.000. Man kann also mit gut 1 Mio bis Jahresende rechnen. mehr

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