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© Regina König / ERF

08.07.2016 / Reportage / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Regina König

Mit Luther unterwegs

Regina König erwandert den Lutherweg und entdeckt sehenswerte kleine Städtchen.

Der Lutherweg führt nicht nur über Berg und Tal, er lädt auch ein zu einer Zeitreise: Auf mehr als 2000 Kilometern verbindet er in Mitteldeutschland Orte, die Geschichten zu erzählen haben über Martin Luther und die Zeit der Reformation. Und dabei geht es nicht nur nach Eisenach, Erfurt oder Wittenberg; auch eher unbekannte Städtchen liegen auf der Strecke, die es lohnt zu entdecken.

Der Lutherwegabschnitt „Gräfenthal – Spechtsbrunn – Judenbach – Sonneberg – und dann mit der Bahn nach Coburg“ ist ideal geeignet für untrainierte Pilger-Einsteiger wie ich einer bin. Die Strecken sind überschaubar kurz (nicht länger als circa 15 km), landschaftlich schön und abwechslungsreich (tiefe Wälder, lichte Höhenwege, teilweise Straße).

Bis auf zwei Stellen (Ortsmitte Gräfenthal, Wildbergcafe bei Tettau) ist die Ausschilderung perfekt. Das ist auch dringend notwendig, denn das von der Luthergesellschaft und dem Thüringer Tourismusverband für den Lutherweg bereitgestellte Kartenmaterial ist unzulänglich und nur zur groben Orientierung zu gebrauchen. Auch eine „Luther-App“ wurde bisher nicht entwickelt. Pilgerherbergen und Übernachtungsmöglichkeiten in kirchlichen Einrichtungen gibt es auf diesem Wegabschnitt nicht, auch nicht in Coburg (Stand Juli 2016). Deshalb unbedingt vorher eine Pension buchen!

Gräfenthal: Autobahnraststätte des Mittelalters

Als erster Halt grüßt Gräfenthal uns mit Abendsonne − und der Wirt steht schon in der Tür und erwartet uns. Seine Pension hat gleich etwas zu erzählen: In diesem schmucken Fachwerkhaus wurden schon im Mittelalter Knaben unterrichtet, natürlich vom Pfarrer und dem Kantor.

Wie zur Bestätigung schlägt die Kirchturmuhr und nur wenige Schritte entfernt thront die evangelisch-lutherische St. Marienkirche auf einer kleinen Anhöhe. Schnell haben wir die Stufen genommen und stehen unvermittelt vor dem Reformator höchstpersönlich! Eine Büste erinnert an seine Besuche in Gräfenthal.

Früher beliebter Urlaubsort, heute Geheimtipp

Sehenswertes in Gräfenthal:
Schloss Wespenstein
Evangelische Kirche St. Marien, gotische Krypta mit Wandmalerei aus dem 15. Jhd.; Kirchenschlüssel im Pfarrhaus: Kirchplatz 3, Telefon: 0367/03 80357 
Unterkunft: Ferienpension „Alte Schule“: Gastwirt punktet mit historischem Wissen!

Von hier oben schweift der Blick über den Marktplatz hinüber zu den Bergen; dort hinten geht es zum Rennsteig. Der kleine Ort schmiegt sich ins Tal. Verblichener Glanz liegt über den Dächern der ehemals stolzen „Sommerfrische“.

Bis zum 2. Weltkrieg war Gräfenthal ein beliebter Urlaubsort im Thüringer Wald. Auch die Porzellanherstellung sorgte für Wohlstand und Reichtum; Rathaus und Bürgerhäuser erinnern daran. Doch die deutsche Teilung brachte wirtschaftlichen Niedergang; Thüringen wurde sowjetische Besatzungszone und Gräfenthal, wegen der Nähe zur bayrischen Grenze, Sperrgebiet.

Doch der alte Charme liegt in der Luft: Zu schön ist die Berglandschaft, zu freundlich die Gräfenthaler. Manches Gebäude erstrahlt wieder im alten Glanz und schließlich führt jetzt der Lutherweg durch das kleine Städtchen!

Auf zum ersten Abschnitt auf dem Lutherweg!

Unsere Rucksäcke sind gepackt, Tag 1 der Lutherwanderung wartet auf uns. Mit dem Blick aus dem Fenster steigt die Vorfreude: Von unserer Pension aus sehen wir die Berge. Auch mein Hund Cornelius muss sein Ränzlein tragen, etwa 4 Kilo Futter plus „Kosmetikartikel“ wie Hundehandtuch und Bürste. Er macht ein langes Gesicht; ich versuche ihm klarzumachen, dass mein Rucksack mit 11 Kilogramm viel schwerer ist!

Doch Kopfrechnen ist nicht seine Stärke. Mit der ungewohnten Last rempelt er durch den Türrahmen, doch draußen siegt schnell die Freude am Herumstöbern über den Rucksack-Kummer. Allerdings, meinem Fährtenhund liegen andere Düfte in der Nase als Luthers Spur: Kaum haben wir uns vom Gastwirt verabschiedet, wissen wir schon nicht mehr, wo es eigentlich lang geht? Auf dem pittoresken Marktplatz ist alles Mögliche ausgeschildert, nur nicht der Lutherweg! Und auch nicht die alte Heeres- und Handelsstraße, die zum Rennsteig führt und die sich auf dieser Wegstrecke decken soll mit dem Lutherweg.

Wo geht´s hier zum Lutherweg?

Die Lutherweg-App „Luther to go“ gibt wertvolle Tipps und Infos und hilft, auf dem richtigen Wanderweg zu bleiben. 

Prompt wählen wir die falsche Strecke, was mir allerdings erst nach einigen Kilometern Asphaltlaufen klar wird. Oh nein, wie soll das nur enden? Eine Lutherweg-App gibt es auch nicht. Wie werden wir uns zurechtfinden in den Thüringer Wäldern? Wir treffen auf eine ältere Dame, die uns unter ihre Fittiche nimmt. Wo der Lutherweg genau herführt, weiß sie auch nicht, aber sie kennt in etwa den Verlauf der alten Heeres- und Handelsstraße, die damals auch Luther genommen hat.

Flugs fragt die ältere Dame in einer Apotheke nach, wo es langgeht. Die Apothekerin ruft eine weitere Kollegin im Nachbardorf an – und mit vereinten Kräften schicken uns die Gräfenthaler wieder zurück in die Lutherspur. Die Wegweiser fehlen zwar in dem Städtchen, aber dafür gibt es allerhand hilfsbereite menschliche Wegweiser, wie schön!

Steile Berghänge, satte Weiden

Kaum haben wir das Ortsschild Richtung Buchberg hinter uns gelassen, sehen wir schon das „weiße L auf grünem Grund“: Wir sind richtig! Auf einer ruhigen Straße geht es durch grüne Wiesen, ein Bach plätschert an unserer Seite. Mit großen Wanderschritten durchlaufen wir das idyllische Dörfchen Buchberg, und dann: Ab in den Wald!

An jeder Weggabelung ist vorbildlich der Lutherweg ausgeschildert. Steil geht es hoch, schließlich ist der Rennsteig unser Ziel. Nach einem kurzen Waldweg öffnet sich der Blick: Satte Weiden an steilen Berghängen liegen vor uns, hier hat der Thüringer Wald fast alpinen Charakter. Dazu noch Sonnenschein und Wind in den Haaren – uns kann nichts mehr aufhalten! Nur die Steigung hält die Wanderbegeisterung in Atem.

Galgen und Todesstreifen

Sehenswertes rund um Spechtsbrunn:
Naturpark-Informationscenter mit den Angeboten
a) MP3- Audiotour am „Grünen Band“
b) Rucksackschule „Vom Todesstreifen zum Lebensraum“
Matthäuskirche Spechtsbrunn, Schlüssel abzuholen bei „Gasthaus am Rennsteig“
Unterkunft: „Gasthaus am Rennsteig“, liebevolles Ambiente, zum Frühstück selbst gemachte Marmelade.
Die Strecke: starke Steigung; ohne Umwege etwa 8 km.

Hier und da bricht die alte Pflasterung der Heeres- und Handelsstraße durch den Weg und tatsächlich: Noch heute kann ich die tiefen Spurrillen erkennen, die vor mehreren hundert Jahren die Ochsenkarren hinterlassen haben. Genau auf diesem Weg ist auch Martin Luther unterwegs gewesen, mehrmals. Wir folgen ihm bis hinauf zum Rastplatz „Kalte Küche“. Den gab es auch schon zu Luthers Zeiten. Damals stand hier eine Kapelle, heute ein Naturparkinformationszentrum.

Verabredet habe ich mich hier mit dem ehemaligen Bürgermeister Wolfgang Wiegand. Der Mann ist ein wandelndes Geschichtsbuch und noch dazu ein begeisterter Lutheraner. Er erzählt mir vom Galgen, der zu Luthers Zeiten hier oben auf Wegelagerer wartete, und vom Todesstreifen, der zu DDR-Zeiten vielen Menschen das Leben gekostet hat. Gemeinsam gehen wir einen knappen Kilometer weiter in den Höhenort Spechtsbrunn. Dort schließt er mir „seine“ Kirche auf: Thüringer Bauernbarock empfängt uns und ein Gefühl von: Hier möchte ich bleiben!


Im zweiten Teil unserer Reihe lesen Sie mehr von Regina Königs Wanderung auf dem Lutherweg.

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Lars E. /

Ein sehr schöner Bericht über den Lutherweg. Wunderbar beschrieben. Das macht wirklich Lust auf mehr-den Lutherweg zu wandern. Danke für die vielen Infos dazu und die Links.

Waltraut W. /

Liebe Frau König,
tolle Sache, toller Bericht!
Um Himmelfahrt erwanderte ich, als Mitglied einer Pilgergruppe einen Teil des Lutherweges in der Wetterau.
Auch sehr schön!
Verfassen Sie weiter so mehr

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