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© Denny Muller / unsplash.com

06.11.2018 / Porträt / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Christine Keller

Kehrtwende im Knast

Ruben Phoenix freut sich über seine Verhaftung. Ein neues Leben beginnt – mit einer Begegnung im Knast.

 

Ruben Phoenix (Foto: ERF Medien)
Ruben Phoenix (Foto: ERF Medien)

Die Schlägerei scheint kein Ende nehmen zu wollen. Wenn sie sich gegen einen gewehrt haben, kommt der Nächste. Doch dann, Ruben Phoenix sieht nicht, was sich hinter seinem Rücken abspielt, hört er Serkan. Sein bester Freund schreit: „Ich habe ein Messer abbekommen!“, und sackt zusammen. Jemand wollte Ruben Phoenix von hinten abstechen. Doch Serkan geht dazwischen – und jetzt steckt die 28 Zentimeter lange Klinge in dessen Körper. Sie rasen ins Krankenhaus. Ruben Phoenix will Serkan in die Notaufnahme tragen und merkt, wie schwer sein Körper geworden ist. Aus der Wunde kommt gar kein Blut, Ruben Phoenix wundert sich. Im Krankenhaus will Ruben Phoenix die Hand seines verwundeten Freundes Serkan gar nicht loslassen. Er wird vom Klinikpersonal angeschrien, er müsse sofort den Operationssaal verlassen. Ruben Phoenix geht widerwillig. Das war das letzte Mal, dass er Serkan gesehen hat.

„Heute beginnt ein neues Leben für mich“

Ruben Phoenix wächst mit Gewalt auf – sein Vater schlägt ihn, seine Mutter schlägt ihn, die Nachbarsjungen schlagen ihn. Irgendwann setzt er sich zur Wehr: Er verprügelt andere Kinder und findet in seinem Freundeskreis eine neue Familie. Seine Freunde und er sind ein eingeschworenes Team. Sie lachen zusammen, sie feiern zusammen, sie klauen zusammen. Erst Klamotten, dann Autos. Sie lecken dabei Blut, sagt der Volksmund. Warum nicht so das gesamte Leben finanzieren? Sie begehen Raubüberfälle. Und weil man nie weiß, wer oder was einem dabei begegnet, halten sie sich körperlich fit. Sie können zuschlagen.

 

Doch infolge der Schlägerei stirbt Serkan im Krankenhaus. Von einem Tag auf den anderen „war die Sonne weg“. Der Freundeskreis, die eingeschworene Truppe, bricht auseinander, und Ruben Phoenix ist auf sich alleine gestellt. Aber er macht weiter – klaut, prügelt sich. Und nachdem er von einem der „Hells Angels“ verdroschen wird, will er Rache. Er besorgt sich eine Waffe und schmiedet Mordpläne. Doch als er mit der Beute von einem Raubüberfall und der Waffe unterwegs ist, ist ihm die Polizei auf den Fersen. Ruben Phoenix bemerkt es nicht, will aus seinem Auto aussteigen und in ein Hotel gehen. Da rast ein Polizist auf ihn zu, brüllt ihn an und drückt sein Gesicht auf den kalten Asphalt. Als er im Polizeiwagen sitzt, schaut Ruben Phoenix den Polizisten an und sagt: „Heute beginnt ein neues Leben für mich“.

Eine Begegnung im Knast

Ruben Phoenix landet im Knast. Und er dreht fast durch: „Das Gefängnis macht dich nicht kaputt. Aber es zeigt dir, was in dir drin ist“, beschreibt Ruben Phoenix  seine Erfahrungen. Und in ihm sind Hass, Wut, Zorn. In der ersten Zeit schreit er viel, später wird er ruhiger. Um sich die Zeit zu vertreiben, macht er Sport und liest viel. Er liest alles, was ihm zwischen die Finger kommt. Und so stößt er auf ein Buch über das Volk Israel. Und der Autor kommt zu dem Schluss: „Das Volk Israel wartet schon seit jeher auf den Messias. Dabei ist der Messias, Jesus, schon auf der Welt gewesen.“ Und plötzlich ist für Ruben Phoenix nichts mehr wie es war.

Das Gefängnis macht dich nicht kaputt. Aber es zeigt dir, was in dir drin ist. – Ruben Phoenix

Es passiert etwas Unvorstellbares: Der Gott, über den er gerade noch gelesen hat, der Gott, der einen Messias auf die Welt geschickt hat, taucht im Gefängnisraum von Ruben Phoenix auf. „Seine Gegenwart kam in die Zelle und hat sie ganz ausgefüllt. Ich konnte nicht anders, als auf meine Knie zu fallen“, erzählt Ruben Phoenix von dieser übernatürlichen Begegnung. Dann habe Gott zu ihm gesprochen. „Mein liebes Kind, 24 Jahre lang hast du dein Leben gelebt. Sieh, wo es dich hingebracht hat. Übergib mir dein Leben.“ „Nimm, was dir gehört“, antwortet Ruben Phoenix und bleibt auf seinen Knien. Er weint und lacht, er bereut und freut sich auf einen Neuanfang.

Seine Gegenwart kam in die Zelle und hat sie ganz ausgefüllt. Ich konnte nicht anders, als auf meine Knie zu fallen. – Ruben Phoenix

Hinfallen und aufstehen

Von nun an macht sich Ruben Phoenix gut im Gefängnis. Er macht seinen Schulabschluss nach und schließt seine Ausbildung zum Bäcker ab. Statt sieben Jahren muss er nur fünf hinter Gittern verbringen. Und es wartet draußen jemand auf ihn: Während er im Gefängnis saß, hat er sich Briefe mit einer Frau geschrieben. Erst war es Freundschaft, dann Liebe. Kurz nach seiner Entlassung heiraten sie.

Doch die Ehe zerbricht und das ziemlich schnell – trotz Therapie und zahlreicher Gespräche. „Ich hatte mir im Gefängnis einen genauen Plan für mein späteres Leben gemacht“, sagt Ruben Phoenix . Doch er hat nicht mit eingerechnet, dass das Leben „draußen“ ganz anders ist, dass er Zeit brauchen wird, sich wieder an alles zu gewöhnen. Alle sind enttäuscht von ihm. „Ich habe wieder alles verkackt“, denkt sich Ruben Phoenix. Und wendet sich von Gott ab.

Zwei Jahre lang zieht Ruben Phoenix durch die Clubs und feiert. Spaß hat er, die Freude bleibt aus. Als er im Auto unterwegs ist und vor einer Ampel steht, schreit er zu Gott: „Hol mich zurück!“ Für ihn ist das Erlebnis im Gefängnis noch immer so real, er kann sich sein Leben nicht ohne Gott vorstellen. Es wird grün. Die Autos hinter ihm hupen. Ruben Phoenix braucht einen Moment, dann fährt er nach vorne – und zurück zu Gott.

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

Ihr Kommentar

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Kommentare (1)

Annette von H. /

Wirklich schönes Interview und für Ruben Gottes Segen allezeit.

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