
26.12.2017 / Lebensgeschichte / Lesezeit: ~ 5 min
Autor/-in: Martina EibachWeihnachtswunder: Flugzeugabsturz überlebt
Hans Eicher ist 300 Meter in die Tiefe gestürzt – und hat überlebt.
Die Überlebenschance lag bei null Prozent. Dass Hans Eicher im Dezember 1995 einen Flugzeugabsturz überlebte, wurde daher in der Presse nicht umsonst als „Weihnachtswunder“ bezeichnet. Jahre später führen diese traumatischen Erlebnisse zu einer Depression. Und letztlich zum Glauben an Gott. Das ist für ihn heute das eigentliche Wunder.
Der Himmel ist klar, als die Maschine am Donnerstag, 7. Dezember 1995, um 6 Uhr in Linz startet. An Bord des Privatflugzeugs sind sechs Passagiere, sie wollen zu einer Besprechung mit dem VW-Vorstand in Wolfsburg. Der Flug verläuft normal – bis kurz vor der Landung auf dem Flughafen Braunschweig-Waggum. Es ist etwa 7.20Uhr. Plötzlich spüren die Geschäftsleute heftige Turbulenzen.
"Jetzt muss ich sterben wegen einer blöden Präsentation"

Sekunden vor dem Absturz krallt sich Hans Eicher in seinen Sitz: „Jetzt muss ich sterben, wegen einer blöden Präsentation.“ Das sind seine letzten Erinnerungen. Dann stürzt die Maschine im freien Fall aus etwa 300 Metern in die Tiefe.
Sie „landet“ nordöstlich des Ortrandes von Watenbüttel in der Oker. Der Fluss ist an dieser Stelle etwa fünf Meter breit und zwei Meter tief. Im Gutachterbericht von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung wird später stehen: „Überlebenschancen: keine“. Warum die Maschine plötzlich an Höhe verliert, bleibt ungeklärt. Beim Sinken streift sie eine Hochspannungsleitung. Dabei wird ein Stück der rechten Tragfläche abgerissen. Durch die veränderte Flugrichtung segelt das Flugzeug über ein Waldstück. Aufgrund der fehlenden Tragfläche schafft die Maschine es, durch zwei Bäume hindurchzufliegen. Dann fällt die Maschine ins Wasser, hat jedoch noch so viel Wucht, dass sie sich mit der Nase am anderen Ufer aus dem Fluss schiebt. Das Heck bleibt im Fluss liegen.
Alle Passagiere überleben den Absturz. Wäre das Flugzeug im Wasser gelandet, wären sie wahrscheinlich alle ertrunken. „So viele Zufälle in dieser Reihenfolge, das ist statistisch überzufällig“, sagt Hans Eicher heute. Damals betrachtet er es zunächst einfach als Glück. Beim Absturz wird sein Sitz aus der Verankerung herausgerissen, er prallt auf seinen Vordermann. Dabei bricht er sich einen Brustwirbel. Als das Flugzeug zum Stehen kommt, spürt er starke Schmerzen.
Nach sechs Wochen ging es weiter wie vorher
Rettungskräfte sind schnell vor Ort. Sie bringen ihn auf die Intensivstation. Nach einer Woche wird er in Begleitung eines Arztes zurück nach Österreich geflogen. Sechs Wochen wird seine Brustwirbelverletzung in der Reha behandelt, dann geht er wieder arbeiten. „Konsequenzen aus dem Unglück und der Tatsache, dass wir überlebt haben, habe ich nicht gezogen“, sagt er. „Es ging einfach weiter wie vorher.“
Die Arbeit fordert ihn und lenkt ihn ab. Bis Eicher nach etwa fünfzehn Jahren plötzlich aus heiterem Himmel Panik überfällt. Alles wird eng, das Herz schlägt schneller und er hat das Bedürfnis, sofort den Raum verlassen zu müssen. Panikattacken. Immer mal wieder. Manchmal so schlimm, dass er Angst hat zu sterben. Dazu schleicht sich in den nächsten zwei Jahren eine Depression in sein Leben. Als promovierter Psychologe kennt er die Beschwerden aus dem Lehrbuch, für seinen eigenen Zustand hat er damals aber keine Erklärung: „Ich habe doch überlebt und es geht mir körperlich gut.“ Heute weiß er, er reagiert auf ein nicht verarbeitetes Trauma, medizinisch nennt man das eine Posttraumatische Belastungsstörung.
Es hatte alles keinen Sinn mehr
„Hätte ich einen Schalter gehabt, der mein Leben abdreht, ich hätte es sofort getan“, so Eicher über den Tiefpunkt seines Lebens. „Ich wollte in der Früh nicht mehr aufstehen, habe es aber wegen der Arbeit weiter gemacht. Aber es hatte alles keinen Sinn mehr.“
„Ich wollte in der Früh nicht mehr aufstehen, habe es aber wegen der Arbeit weiter gemacht. Aber es hatte alles keinen Sinn mehr.“ – Hans Eicher
In seinem Job schafft er es, weiter seine Leistung zu bringen. Zuhause jedoch überfällt ihn immer wieder diese Traurigkeit und Sinnlosigkeit. Von seiner Frau lebt er getrennt, so bekommt lange Zeit niemand etwas mit. Die Kinder jedoch merken, wenn sie zu Besuch sind, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Vater ist ruhiger und manchmal einfach abwesend. Eicher schämt sich dafür. „Das hat die Trauer nur noch verstärkt. Ich wollte doch der Starke sein und wusste aber nicht mehr weiter.“
Schließlich vertraut er sich seinem Hausarzt an. Er diagnostiziert eine Depression, verschreibt ein leichtes Antidepressivum. Eine Besserung merkt Eicher nicht.
Weiter schleppt er sich durch die Tage. Abends will er sich ablenken mit Fernsehen. Doch wenn er Nachrichten oder Krimis schaut, dann tut ihm das weh. „Es war psychisch nicht zum aushalten, ein drückender Schmerz am ganzen Körper.“ Beim Zappen landet er bei einem Film über Jesus. Eicher hat mit dem Glauben nichts zu tun, will schon weiterschalten, bleibt aber hängen. Und merkt: „Das tut mir gut. Es tut nicht mehr so weh. Im Gegenteil. Die Angst ist in dem Moment nicht mehr da.“ Er beginnt, sich mit Jesus zu beschäftigen.
„Plötzlich kam ein Gebet über meine Lippen“

Eindrücklich in Erinnerung geblieben ist ihm ein Spaziergang. Sein Haus liegt am See und so ist er öfter draußen unterwegs. „Plötzlich merke ich, dass mir ein Gebet über meine Lippen kommt. Ein Vaterunser. Das hat mich gewundert, denn jahrelang habe ich nicht nach Gott gefragt“, beschreibt Eicher, was passiert ist.
Plötzlich merke ich, dass mir ein Gebet über meine Lippen kommt. Ein Vaterunser. Das hat mich gewundert, denn jahrelang habe ich nicht nach Gott gefragt. – Hans Eichler
Jetzt lässt er es einfach zu. In der folgenden Zeit spricht er immer wieder Gebete. „Ich habe mich nicht dagegen gesperrt, einfach weil ich gemerkt habe, dass es mir gut tat. Erstaunlich war zu merken, dass die Panikattacken und depressiven Gedanken besser wurden.“ Dieses Heilwerden führt der Katholik auf Gott zurück.
„Für mich ist das heute das eigentliche Wunder“, sagt er. „Ich habe 40 Jahre mit Gott nichts am Hut gehabt. Bei Gott um Hilfe zu suchen, wäre ich alleine nie auf die Idee gekommen. Und obwohl ich ihn nicht gesucht habe, hat er mich gefunden.“
Als Psychologe sagt Hans Eicher heute sogar, dass ein Gebet mehr helfen könne als jede Therapie. Denn es sei heilsam, die Verbindung zu suchen zu dem, der mir zusagt: Du bist gewollt und geliebt. Ich bin bei dir. Und das ist für ihn auch die gute Botschaft zu Weihnachten: „Gott will bei den Menschen sein. Der Glaube kann dich finden. Du musst es nur zulassen.“
Dr. Hans Eicher ist Autor mehrerer Sachbücher und arbeitet heute als selbständiger Trainer, Vortragender und Coach in Österreich und Deutschland. Er lebt in Seeham bei Salzburg.
Dieser Artikel ist zu erst erschienen in ideaSpezial 9.2017 Weihnachten & Jahreswechsel. Hier in gekürzter Fassung.