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14.10.2015 / Porträt / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Simone Merz

Die Chance liegt im Anderen

Eine Massaifamilie zwischen Naturreligion und christlichem Glauben.

Sie denken anders und glauben anders als er. Aber genau deshalb sind sie dem Vater der jungen Massai Nembuan Loserain ein Dorn im Auge. Sie müssen getötet werden, so viel steht für ihn fest. Doch dann kommt ihm eine entlaufene Herde Kühe dazwischen, die sein Leben, aber auch das seiner Familie für immer verändert.
 

Zwei fremde Kulturen treffen sich

Alles ist anders in Tansania. Ich bin 20 Jahre alt, als ich zum ersten Mal das fremde Land in Ost-Afrika betrete. Als ich aus dem Flugzeug steige, schlägt mir eine Wand von flirrender Hitze entgegen. Mein Abenteuer beginnt. Als Deutsche lerne ich eine Kultur kennen, die mir völlig fremd ist: Menschen, die das Leben anders betrachten, deren Werte sich von meinen unterscheiden. Ich lerne viel, vor allem aber, dass ich nicht der Maßstab aller Dinge bin. Daran muss ich zwei Jahrzehnt später denken, als ich von Nembuan Loserain höre. Sie ist 20 Jahre und reist 2015 zum ersten Mal nach Deutschland. Als sie aus dem Flugzeug steigt, denkt sie: „Oh, das ist aber kalt hier!“. Ich muss unwillkürlich lächeln, als ich das höre. „Deutschland ist anders“, sagt sie. „Ich habe schon viel von den unglaublichen Straßen hier gehört und davon, wie die Menschen hier leben. Jetzt sehe ich es selbst und bin beeindruckt von all dem. Alles ist so anders als bei mir im Massai Land.“

Sie ist nicht als Touristin hier. Sie hat eine Mission: Sie will verbinden, will Verständnis schaffen füreinander, für andere Kulturen, für die Andersartigkeit des anderen. Vor allem aber will sie zeigen, dass da trotz der ganzen Unterschiede, die es auf der Welt gibt, jemand ist, der überall gleich ist und eine Konstante bildet. Dieser Eine ist für sie Gott. Von ihm will sie erzählen und davon, wie Jesus ihr Leben und das ihrer Familie verändert und geprägt hat.
 

Da waren diese hassenswerten Christen

Nembuan Loserian ist eine Massai. Ihr Volk lebt seit Jahrhunderten als Hirtenkrieger in den Steppen Ostafrikas. Sie leben von der Viehzucht. Der Gott der Massai heißt Engai. Sie glauben, dass er auf dem Gipfel des Ol Doinyo Lengai im Norden Tansanias lebt und ihnen alle Rinder der Erde überlassen hat. Das klingt romantisch. Der Glaube der Massai hat aber auch viel mit Angst zu tun. Die Ahnen sind allgegenwärtig, haben aber nicht immer nur Gutes im Sinn. Es gilt, sie zu beschwichtigen oder erst gar nicht zu verärgern. Es gibt verschiedene Rituale, die bei Krankheit, Unglück, Heirat oder Tod unbedingt einzuhalten sind. Andernfalls gelten die Menschen als verflucht. Nembuan Loserian kennt das aus ihrer eigenen Familie.

Nembuan Loserain ist mit vier weiteren Massai nach Deutschland über den Verein Hilfe für Massai e.V. gekommen. Der Verein unterstützt seit 1997 die Arbeit von Angelika Wohlenberg in Tansania. Bekannt ist sie auch als die Mama Massai. Die Arbeit vor Ort hat die Schwerpunkte: Bildung, medizinische Hilfe, Arbeit mit Frauen und Evangelisation. 

Ihre Eltern wachsen mit den traditionellen Gebräuchen auf. Als ihr Vater noch ein junger Mann ist, gibt es einige Menschen in seiner Umgebung, die den ursprünglichen Glauben allerdings aufgegeben haben und sich von nun an Christen nennen. Er hasst diese Menschen. Sie weichen von der Tradition ab und keiner weiß, wie die Ahnen darauf reagieren werden. Damals gehört er zu einer Gruppe junger Männer, die ausziehen wollen, um die Christen zu beseitigen. Nembuans Großvater bekommt mit, was sein Sohn plant. Er ist entsetzt darüber. Obwohl er kein Christ ist, will er nicht, dass seine Sohn Hand an diese Menschen legt. Aber er weiß nicht, was er tun soll, um ihn davon abzuhalten.

Als sein Sohn sich fertig macht, um zu seinem blutigen Feldzug aufzubrechen, bemerkt er, dass einige seiner Kühe fehlen. Was für ein schicksalhafter Zufall, denkt sich Nembuans Großvater und sagt zu seinem Sohn: „Du kannst jetzt unmöglich verschwinden, um die Christen zu beseitigen. Du musst zuerst unsere Kühe suchen!“ Was ihr Vater wirklich gedacht hatte, kann Nembuan nicht genau sagen, aber sie weiß, dass ihr Vater zu viel Respekt vor seinem Vater hatte, um sich zu weigern. So lässt Nembuans Vater von seinem Vorhaben ab und macht sich auf die Suche nach den Kühen. Als er später zurückkommt, haben seine Freunde schon längst getan, was sie tun wollten. Es war vorbei. Da sagt Nembuans Großvater zu seinem Sohn: „Auch wenn du nicht einverstanden bist mit dem, was diese Leute glauben, sollst du nicht das Blut anderer Menschen vergießen.“
 

Der christliche Gott gegen Zauberamulette

Dieses Erlebnis verändert Nembuans Vater. Es wächst der Respekt vor dem, der anders ist. Damals weiß er noch nichts vom Gott der Bibel, aber für ihn steht fest, dass das mit den Kühen kein Zufall war. Er weiß nun: Es gibt einen Gott, wer auch immer er ist. Erst viele Jahre später beginnt er mit seiner Frau eine christliche Kirche vor Ort zu besuchen. Bald darauf wird Nembuan geboren. Doch eines Tages wird sie schwer krank. „Mein Vater war unterwegs und meine Mutter hat sich um mich gekümmert. Damals kamen die Leute aus dem Dorf und haben Amulette vom Zauberdoktor um meinen Hals gebunden, damit ich wieder gesund würde. Meine Mutter wehrte sich dagegen. Sie glaubte nicht an den Hokuspokus. Aber als Massaifrau hörte niemand auf sie.“ Als Nembuans Vater nach Hause kommt, sieht er seine Tochter mit dem Amulett um den Hals im Bett liegen. Ihm stockt der Atem. Er will nicht, dass Nembuan so etwas trägt, um die bösen Geister zu vertreiben. Zornig schneidet er das Amulett um den Hals seiner Tochter ab. Nembuan erzählt: „Von da an hassten ihn viele seiner Nachbarn und Freunde. Mein Vater aber beschloss, die Kirchenleute zu rufen, so nannte er sie. Damals wusste er noch nicht, dass sie sich Christen nennen. ‚Ich werde die Kirchenleute rufen und die sollen beten, dann wird meine Tochter gesund werden‘, sagte er bestimmt. Diese Kirchenleute sind dann zu meinen Eltern gekommen und haben für mich gebetet. Ich wurde tatsächlich gesund.“

Von da an ist für Nembuans Vater klar, dass der christliche Gott der wahre Gott ist. Bis heute spielt der Glaube in Nembuans Familie eine zentrale Rolle. Die junge Frau kann gar nicht anders, als von Gott zu erzählen. Daher ist sie mit einer Gruppe von Massai in Deutschland unterwegs. Sie erzählt aus ihrer Kultur, aber auch von Jesus. Das beeindruckt mich, als ich Nembuan treffe. Ihr Leben ist ganz anders als meins. Dabei ahne ich einmal mehr, dass es sich lohnt, dem, was mir so fremd erscheint, offen entgegenzutreten.

 Simone Merz

Simone Merz

  |  Moderatorin

Simone ist Mama und Moderatorin. Sie ist in einem badischen Dorf aufgewachsen, doch seit ihr ihr hessischer Traumprinz über den Weg gelaufen ist, befindet sich in ihrem Haushalt nicht nur der Spätzlehobel, sondern auch ein Bembel. Als Redakteurin und Moderatorin kann sie genau das machen, was sie schon immer machen wollte: Menschen für den Glauben begeistern.

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