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© Mimi Thian / unsplash.com

16.09.2021 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Micaela Kassen

Interkulturelle Begegnungen erfolgreich meistern

6 Tipps, wie man mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen interagiert.

Ob in der Schule, am Arbeitsplatz oder an der Supermarktkasse – überall begegnen wir im Alltag Menschen aus anderen Kulturen: Dabei kann es auch zu Spannungen kommen, denn die persönliche Kultur prägt Werte, Normen, Glaubenssätze und die Lebensgestaltung einer Person. Kultur beeinflusst unser Denken, Wahrnehmen, Fühlen und Handeln.

Ein Beispiel: Wenn ich in Deutschland jemand bitte, mir auf ein Bild oder einen Textentwurf Feedback zu geben, wird mein Gegenüber meistens verstärkt auf das eingehen, was ihr oder ihm negativ auffällt. Der Grund: In Deutschland haben wir eine eher direkte Feedbackkultur und etwas Negatives zu äußern gilt in solchen Fällen nicht als unhöflich.

In anderen Ländern würde dieses Verhalten allerdings große Irritationen auslösen, da es dort zum guten Ton gehört, vor allem das Positive zu betonen und negative Aspekte eher mit großer Vorsicht anzusprechen.

Äußere ich mich kulturell unbedarft, wird meine gut gemeinte Kritik von meinem Gegenüber möglicherweise nicht als hilfreich, sondern gar als rüpelhaft wahrgenommen.

Im beruflichen Kontext wird deswegen von „Interkultureller Kompetenz“ gesprochen.

Was ist interkulturelle Kompetenz?

Interkulturelle Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen erfolgreich leben zu können, d.h. ihnen mit Verständnis und Respekt zu begegnen, Unterschiede zu akzeptieren und Rücksicht zu nehmen. Sie hat vor allem mit einer positiven Haltung gegenüber der Fremdkultur zu tun.


Hier kommen 6 Tipps, um mit Menschen aus anderen Kulturen zu interagieren.

1. Meine eigene kulturelle Prägung kennen und reflektieren

Wichtig ist es, dass ich meine eigene kulturelle Prägung kenne. Dazu gehört auch das Wissen, wo ich herkomme, wo ich erzogen worden bin und welche Werte ich lebe. Ich kann mir folgende Fragen stellen: Wie bin ich geprägt? Was ist mir persönlich wichtig? Was sind meine Gewohnheiten?

Zudem sollte ich mir meiner Vorurteile bewusst werden. In der Interaktion mit Menschen einer anderen Kultur sollte ich kollektive Zuschreibungen vermeiden, denn jeder Mensch ist individuell und einzigartig – er kann nicht ausschließlich über seinen kulturellen Hintergrund definiert werden.

2. Nicht alles aus meiner eigenen kulturellen Brille sehen

Ich muss mir bewusst machen: Nicht alles der anderen Kultur ist sofort sichtbar. Kultur kann man mit einem Eisberg vergleichen. Es gibt einen sichtbaren sowie einen unsichtbaren Teil. Sichtbar sind z.B. die Sprache, die Musik, das Essen und die Architektur. Unsichtbar sind meist die Kommunikationsstile, Überzeugungen, Verhaltensweisen, Werte, Meinungen und Wahrnehmungen.

Wichtig ist daher, dass ich nicht alles vor meinem eigenen kulturellen Hintergrund interpretiere und bewerte. Um nochmals auf das Eingangsbeispiel einzugehen: Gerade anhand des Themas Feedback kann ich gut erkennen, wie anspruchsvoll es sein kann, interkulturelle Kommunikation zu gestalten.

Selbst zwischen zwei Menschen gleicher Prägung können die Grenzen zwischen angemessener und unhöflicher Kritik völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Wie viel größer ist das Konfliktpotenzial, wenn verschiedene kulturelle Werte aufeinandertreffen.

3. Mich mit anderen Kulturen beschäftigen

Insbesondere, wenn ich zu Gast in einer anderen Kultur bin, kann ich durch die Beschäftigung mit dieser Kultur im Vorhinein das ein oder andere Fettnäpfchen vermeiden. Was ist wichtig, z.B. bei der Begrüßung? Gebe ich die Hand, verbeuge ich mich oder muss ich Seitenküsschen über mich ergehen lassen? – Das ist teilweise ganz unterschiedlich. Für ein gutes Miteinander ist es zudem auch nützlich, sich über grundlegende Religionen und Weltanschauungen zu informieren.

Ein Beispiel: Chinesen sind eher abergläubisch. Während es bei uns Deutschen üblich ist, Schnittblumen zu verschenken, ist dies in China zu vermeiden. Man schenkt sie nur zu Beerdigungen, da sie Vergänglichkeit symbolisieren.

Ein weiteres Beispiel: Während in Deutschland die 13 eher als Unglückszahl gilt, ist es in ostasiatischen Ländern wie China und Japan die Zahl 4. Stockwerksnummern, die eine 4 enthalten, werden in öffentlichen sowie in privaten Gebäuden übersprungen. Tischnummern mit einer 4 ebenso. Bei Feierlichkeiten wird das Auftreten dieser Zahl in jeder Hinsicht vermieden. Zum Geburtstag sollte ich daher jemanden auch keine 40 Euro schenken, sondern eher 30 oder 50Euro.

4. Nichtwissen akzeptieren

Wichtig ist, dass ich es akzeptiere, wenn ich einmal etwas nicht verstehe, warum, wie oder was jemand tut. Ich muss nicht sofort auf Stereotypen zurückgreifen und jemanden gedanklich in eine Schublade stecken. Vielleicht hilft es mir zu wissen, dass manche menschliche Bedürfnisse in anderen Kulturen unterschiedlich ausgeprägt sind, z.B. das Bedürfnis nach Nähe, Harmonie, Geborgenheit, Distanz, Unabhängigkeit, Ordnung, Kontrolle, Kreativität oder Spontaneität.

Es hilft, wenn ich mir dabei bewusst mache: Auch meine eigene kulturelle Prägung ist für andere nicht immer nachvollziehbar. Um ein Beispiel zu nennen: In der westlichen Welt ist ein kräftiger Händedruck ein Zeichen für Selbstbewusstsein und Willensstärke. Ein schwacher Händedruck kann auf Unsicherheit hindeuten. In asiatischen Ländern ist ein schwacher Händedruck jedoch normal, ein kräftiger Händedruck hingegen gilt eher als unhöflich.

Während bei uns direkter Augenkontakt Offenheit und Kontaktfreudigkeit symbolisiert, kann dies bei Asiaten als unfreundlich oder Verletzung der Intimsphäre empfunden werden. Fehlender Blickkontakt ist in vielen Ländern ein Zeichen von Respekt.

5. Offenheit für die Fremdkultur entwickeln

In interkulturellen Begegnungen ist es nötig, Neugier und Offenheit für das Unbekannte und andere Sichtweisen zu haben. Wenn ich nicht bereit bin, eine allgemeine positive Haltung gegenüber der anderen Kultur zu entwickeln, habe ich keine Chance auf ein gutes Miteinander oder eine gute Zusammenarbeit.

Bei meiner Arbeitsstelle kann es bedeuten, dass ich mich offen für andere Vorgehensweisen zeige: dass ich zuhöre und auch Fragen stelle und nicht nur auf meine Gewohnheit beharre. Neue Ideen können eine Bereicherung sein.

6. Mit Kritik vorsichtig sein

Kritik, insbesondere bei der Arbeit, sollte ich vorsichtig äußern. Wie schon erwähnt: In manchen Kulturen wird Kritik einer Sache mit Kritik der Person gleichgesetzt. In kollektivistischen Kulturen – z.B. in asiatischen, wie Thailand und China – ist es üblich, direkte Konfrontation zu vermeiden, da Beziehungspflege im Vordergrund steht. Die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird an moralischen Maßstäben gemessen, ähnlich einer familiären Bindung.

In unserer individualistischen Kultur hingegen ist die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehr ein Vertrag. Bei Kritikäußerung ist daher auf die Formulierung zu achten.

 

Übrigens: Die Erwartung, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund komplett an meine eigene Kultur anpassen, ist unrealistisch. Schließlich höre ich auch nicht auf, deutsch zu sein, nur weil ich in einem anderen Land lebe. Die Aufgabe liegt vielmehr darin, kulturelle Unterschiede zu erkennen und Wege zu finden, gemeinsam Leben zu gestalten. Dabei ist es wichtig, die eigene Position darstellen zu können, aber auch Rücksicht zu nehmen auf Menschen, die z.B. neu im Land sind.

Wichtig ist, die Werte der eigenen Kultur leben und auch kommunizieren zu können. Um Missverständnisse vorzubeugen, hilft es, mich selbst zu offenbaren und erklären zu können, wie meine Verhaltensweisen gemeint sind. Offenheit zeige ich, wenn ich zulasse, dass die andere Kultur auch mich beeinflussen kann. Wenn ich Fragen stelle und wenn ich anderen an dem teilhaben lassen, was mir wichtig ist.

 

 Micaela Kassen

Micaela Kassen

  |  Freie Mitarbeiterin

Theologin, studiert derzeit Psychologie und ist auf Kinder- und Jugendpsychologie spezialisiert. Sie hat als Lerntherapeutin gearbeitet und ist aktuell als Sozialarbeiterin in einer intensiv-pädagogischen Einrichtung tätig. Redaktionell setzt sie ihre Schwerpunkte auf die psychische Gesundheit und Kindererziehung. 

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