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© Velizar Ivanov / Unsplash.com

26.07.2019 / Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Am liebsten unverpackt

Wie ich versuchte, auf (Plastik-)Müll zu verzichten, und scheiterte. Ein Erfahrungsbericht.

 

 

Dass Müll nichts Gutes ist, musste man mir nicht beibringen. Schon als Kind schickte mich meine Mutter mit Tupperdose in die Schule statt mein Pausenbrot in Papier einzuschlagen. Und doch – müllfrei war meine Kindheit nicht. Denn neben dem ökologischen Pausenbrot gab es auch KitKat oder Knoppers. Auch Bifi, Sun-Kist und Capri-Sonne sowie andere verpackte Snacks gehörten untrennbar zu meiner Kindheit.

Doch insgesamt nahm ich Müll nicht wahr. Klar, es gab ihn und irgendwer musste regelmäßig den Mülleimer leeren. Aber das einzige Problem mit dem Müll schien die richtige Trennung zu sein. Denn nur richtig getrennt, so bläute man mir ein, konnte der Müll recycelt werden. Es dauerte viele Jahre, bis ich verstand, dass ein Großteil des von mir fein säuberlich getrennten Mülls trotzdem nie recycelt wurde. Das war der Moment, in dem ich aufwachte.
 

Es muss auch anders gehen

Es gab nicht den einen Grund dafür. Es war vielmehr eine Vielzahl von Dingen, die mich aufhorchen ließ. Zum einen gab es ein Platzproblem. Für mich war der Gelbe Sack nie ein Anstoß gewesen, bis ich ihn in unserer neuen Wohnung in einem schmalen Abstellraum lagern musste. Immer, wenn ich den Staubsauger hervorholte, war mir der große gelbe Plastiksack plötzlich im Weg. Zum anderen war da der überquellende Briefkasten an jedem Wochenende, der eingeschlagen in eine hauchdünne Wochenzeitung so viele Werbeblättchen enthielt, dass ich den Eindruck hatte, ich fülle unsere Blaue Tonne ausschließlich damit.

Es muss doch auch anders gehen, dachte ich mir. Meinem Mann ging es ähnlich. Denn auch beim Wandern oder Bummeln durch die Stadt fiel uns immer öfter Müll auf – und zwar nicht in Mülleimern, sondern am Straßenrand oder mitten auf Grünflächen in Parks. Verschiedene Dokus klärten mich auf, dass die Müllverschmutzung bei uns nur der Gipfel des Eisberges war. Und als ich erfuhr, dass ein nicht unerheblicher Teil meines Plastikmülls im Meer landet, wollte ich nur eins: Endgültig Schluss machen mit Plastik!

Als ich erfuhr, dass ein nicht unerheblicher Teil meines Plastikmülls im Meer landet, wollte ich nur eins: Endgültig Schluss machen mit Plastik!

 

Denn mir war klar: Mikroplastik in den Mägen von Fischen, nicht verrottender Müll in unseren Wäldern – all das war nicht die Art, wie Gott sich den Auftrag „Macht euch die Erde untertan“ (1. Mose 1, 28) gedacht hatte. Das Resultat war ebenso klar: Ich selbst musste anfangen, weniger Müll produzieren, vor allem weniger Plastikmüll.
 

Ein vielversprechender Start

Gesagt, getan, dachte ich. Da ich zu dieser Zeit auch gerade Probleme mit meiner Haut hatte, begann ich zeitgleich, mich mit natürlicher Kosmetik zu beschäftigen. Auch diese sollte natürlich so müllfrei wie möglich sein. Weniger Plastik in und um meine Kosmetik, das konnte nur gut sein, dachte ich. Nahezu zeitgleich entschloss sich mein Mann, den Verpackungsmüll durch unsere Lebensmittel drastisch zu reduzieren.

Ab sofort kauften wir mit wiederverwendbaren Tüten Obst und Gemüse ein. Ich selbst begann meine kompletten Kosmetika per Codecheck auf Silikone und Mikroplastik zu testen und war schockiert. Fast alles in meinem Schrank war entweder nicht umwelt- oder nicht hautfreundlich – oder sogar beides. Aber da ich jetzt die App hatte, konnte ich in Zukunft andere Produkte kaufen – und das tat ich auch.
 

 

Als wir hörten, dass ein Bioladen bald Lebensmittel verpackungsfrei anbieten würde, schien der Erfolg nahe. Wir packten daheim immer direkt nach dem Einkauf das Meiste in verschließbare Behälter um. Es schon im Laden dort reinzupacken, würde Zeit und Müll sparen. Mittlerweile war auch ein unverpacktes Deo bei mir eingezogen und die Umgestaltung des Inhalts meines Badezimmerschrankes nahm auch langsam Gestalt an. Plastikfrei oder zumindest plastikarm zu leben schien greifbar.
 

Plastik als Ersatz für Plastik?

Allerdings kam alles ganz anders: Bei mir wurde eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert, die ab sofort eine spezielle Ernährung nötig machte. Ab da war mit einem Mal gefühlt all mein Essen in Tonnen von Plastik verpackt; ein Einkauf im verpackungsfreien Laden war nicht mehr möglich.

Trotzdem kam Aufgeben für uns nicht in Frage. Auch wenn meine Grundnahrungsmittel nun sehr intensiv verpackt waren, gab mein Mann sich alle Mühe, bei Obst und Gemüse, Käse und Wurst noch mehr auf Plastik zu verzichten, um dies wettzumachen. Regelmäßige Besuche auf dem Markt mit wiederverwendbaren Tüten oder Tupperware gehörten zu seiner festen Samstagsroutine.

Bei mir gesellten sich zum festen Deo festes Shampoo, festes Duschgel, feste Bodylotion und noch einiges mehr. Unser Badezimmerschrank begann langsam überzuquellen und immer mehr stellte sich mir die Frage: Wie hebe ich all dieses verpackungsfreie Zeug auf, ohne dass es mir verdirbt oder meine Badezimmerschränke einsaut?

Es brauchte dringend neue Möglichkeiten der Aufbewahrung für meine unverpackte Kosmetik. Also ging ich in den Laden und kaufte mir – wie sollte es anders sein – genau das, worauf ich eigentlich verzichten wollte: Plastikverpackung. Natürlich waren diese Sachen deutlich haltbarer, wiederverwendbar und auswaschbar. Doch statt Plastik loszuwerden hatte ich neues Plastik angeschafft – aus gerechtfertigtem Grund und zur nachhaltigeren Nutzung. Aber ich war von Plastik nicht losgekommen, nicht im Mindesten.

Statt Plastik loszuwerden hatte ich neues Plastik angeschafft – aus gerechtfertigtem Grund und zur nachhaltigeren Nutzung. Aber ich war von Plastik nicht losgekommen, nicht im Mindesten.

 

„Ich hätte Konsum statt Plastik meiden sollen.“

Außerdem fiel mir noch etwas Anderes auf: Bislang hatte ich die meisten meiner Kosmetika einfach bei Bedarf in einer der hiesigen Drogerien nachgekauft. Durch meine neue Beschäftigung mit diesem Thema hatte ich nun zwar vermeintlich nachhaltigere Produkte gekauft, aber diese kamen meist per Post bei mir an. Langsam realisierte ich, dass das Füllmaterial in all den Paketen, das ich natürlich nicht einfach wegschmiss, sondern genauso wiederverwendete wie alles andere, trotzdem Müll war und blieb. Müll, der vielleicht nur produziert worden war, um mir mein unverpacktes Shampoo liefern zu können.

Hinzu kam, dass ich in dieser Zeit viel Neues ausprobierte und kaufte, einfach nur, um es zu testen. Ich kaufte den unverpackten Conditioner oder das feste Gesichtsöl nicht, weil ich es brauchte, sondern nur, um es mit den bereits vorhandenen verpackten Produkten zu vergleichen. Wenn es besser war, würde ich ab sofort komplett umsteigen, so meine Devise.

Aber plötzlich war mein Schrank voll mit beidem – unverpackter und verpackter Kosmetik und von beidem mehr, als ich eigentlich brauchte. Tatsächlich habe ich in den letzten zwei Jahren seit meiner Entscheidung, verpackungsärmer zu leben, mehr Kosmetik gekauft habe als in den 5 Jahren zuvor. Statt ökologischer und nachhaltiger zu leben hatte ich glattweg das Gegenteil getan.

Langsam wurde mir bewusst, worauf ich statt Plastik eigentlich hätte verzichten sollen: Konsum. So toll ein festes Shampoo ist, das länger hält als eine 250 ml Shampooflasche; so toll ein Recyclingsystem ist, bei dem ich als Kunde meine alte Umverpackung zurückbringen und dafür sogar noch eine Gesichtsmaske gratis bekommen kann; letztlich entscheidet sich alles an einer Frage: „Brauche ich das wirklich oder kann ich auch darauf verzichten?“

Das Verzichten aber fällt mir schwer, viel zu schwer. Mit Sicherheit freut sich Gott darüber, dass ich beim Kauf von neuen Dingen auf Nachhaltigkeit setze, aber wenn er mir heute gegenübersäße, würde er mir dasselbe sagen, was mir mein Mann immer rät: „Brauche doch erstmal auf, was du hast.“ Und er hätte Recht damit, nicht nur bei mir. Unser aller Problem ist oft eher der Konsum als der Müll, der durch die gebrauchten Waren entsteht.

Unser aller Problem ist oft mehr der Konsum als der Müll, der durch die gebrauchten Waren entsteht.

 

Beim Konsum geht es ganz oft letztlich um unser Herz. Bei mir selbst war das offensichtlich. Dadurch, dass ich durch meine Erkrankung beim Essen jetzt zurückstecken musste und meine Essensauswahl plötzlich sehr begrenzt war, erweiterte ich meine Kosmetikauswahl nahezu maßlos – mit einem vordergründig guten Ziel. Für eine begrenzte Zeit war das okay und es hat meine Begeisterung für unverpackte Kosmetik geweckt, aber letztlich ist Konsum als Ersatzbefriedigung nichts, was langfristig funktioniert – ob die Waren nun unverpackt sind oder nicht.
 

Das Gute behaltet

Doch was wurde eigentlich aus dem Vorsatz meines Mannes? Haben wir hier wenigstens unser Ziel erreicht und unsere Umverpackung von Lebensmitteln deutlich reduziert? Nicht ganz wie gewünscht, aber schon merklich. Doch sobald mal ein Einkauf zwischendurch nötig wird, greife ich schnell leicht wieder zu den in Plastik verpackten Produkten − und wenn es nur ist, weil ich die wiederverwendbaren Tüten zu Hause habe liegen lassen oder es dieses Obst nur abgepackt gibt.

Außerdem haben wir gemerkt, dass es nicht ganz günstig ist, den Großteil seiner Waren auf dem Markt zu kaufen und manche ökologische Lösungen wie Glas oder Papier dies nur vordergründig sind. Alles in allem sind wir heute viel informierter, was das Thema Müll angeht. Manches stellte sich als Gamechanger heraus, wie etwa die Waschkugel, durch die wir mit einem Schlag Waschmittel und Weichspüler einsparen konnten, bei anderem – wie etwa den ökologischen Spülmaschinentabs − sind wir noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis und bleiben auf der Suche nach anderen Lösungen.

Alles, was gut funktioniert, haben wir fest in unseren Alltag integriert. Dadurch haben wir einige Dinge langfristig umgestellt und so viel Müll eingespart. Auch sonst achten wir heute in unserem Alltag viel bewusster auf den Müll, den wir produzieren. Doch wir wissen, dass wir immer Scheiternde bleiben. Ganz ohne Plastik zu leben ist für uns nicht möglich. Aber als Christen wissen wir auch, dass wir die Welt nicht retten müssen. Diese Aufgabe hat bereits ein anderer übernommen und irgendwann wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben – eine ohne Müll, wie ich zu mutmaßen wage.

Wir wissen, dass wir immer Scheiternde bleiben. Ganz ohne Plastik zu leben ist für uns nicht möglich. Aber als Christen wissen wir auch, dass wir die Welt nicht retten müssen.

 

Uns ist und bleibt es ein Anliegen, diese Welt für spätere Generationen so müllfrei wie möglich zu hinterlassen. Aber wir machen uns damit nicht verrückt, sondern tun, was wir können und wollen, um die Schöpfung Gottes, die wir lieben und genießen, so schön zu halten wie möglich. Ganz frei und ohne schlechtes Gewissen. Als wäre sie unser eigener Garten, denn das ist sie ja auch.
 

 

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 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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Kommentare (2)

B. Csaba /

Langsam fühle ich mich hier in D wie in eine Irrenhaus. Kunststoff kann man 100% recyceln und Öl gewinnen, bitte googeln. Aber so lange die Arbeitskräfte hier in D übermäßig besteuert werden, ist mehr

Norbert D. /

Frau Schneebeli hat fast alles gesagt und getan. Insgesamt tut uns Entschleunigung not. Darüber geredet wird schon ausreichend. Das Tun ist jetzt nötiger denn je! Als Konsument entscheide ich sehr mehr

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