Navigation überspringen
© Johannes Holmer

19.11.2013 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Nelli Bangert

„Lydia war ein Geschenk.“

Warum Johannes Holmer den Tod seiner Tochter nicht als Verlust sieht.

 

Lydia Holmer starb mit 28 Jahren am 1. Februar 2012 nach einer langen Krankheitszeit an Krebs. Bis zu ihrem Tod vertraute Lydia darauf, dass Gottes Plan für ihr Leben gut ist. Ihre Eltern Johannes und Eva-Maria Holmer haben ihre Geschichte im Buch „Ich weiß, dass Gottes Plan perfekt ist“ aufgeschrieben. Der ERF hat Johannes Holmer zum Tod seiner Tochter interviewt. 
 

ERF: Herr Holmer, Ihre Tochter Lydia ist im Alter von 28 Jahren an Krebs gestorben. Welche Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an Ihre Tochter denken?  

Johannes Holmer: Einen zutiefst fröhlichen und positiven Menschen. Lydia und ich sind so gestrickt, dass wir in schwierigen Zeiten schauen, was zu tun ist und wie man die Herausforderungen meistern kann. Vielleicht waren deswegen die schwierigen Zeiten auch gar nicht so schwierig. Lydia hat genau das immer wieder realisiert und das Beste aus ihrer Situation gemacht. Das fanden wir Eltern immer sehr bewundernswert.

Lydias ansteckender Glaube

ERF: Sie und Ihre Frau haben die Geschichte von Lydia im Buch „Ich weiß, dass Gottes Plan perfekt ist“ festgehalten. Sie haben sich in dem Buch intensiv mit dem Tod von Lydia befasst. Warum war es Ihnen wichtig, dieses Buch zu schreiben?

Johannes Holmer: Wir sind gefragt worden, ob wir über Lydias Geschichte schreiben können. Allerdings war die Situation von Lydia schon vor dem Erscheinen des Buches relativ öffentlich durch die Internetseite einsehbar, die wir für sie eingerichtet haben. Daher kamen wir nicht von uns aus auf den Gedanken, ein Buch zu schreiben. Wir haben es uns mit der Anfrage nicht leicht gemacht und uns Bedenkzeit erbeten, um darüber nachzudenken und zu beten.

In den Tagen sind wir auf ihre Tagebücher gestoßen. Bei der Intensität der Tagebücher, die beim Lesen sichtbar wurde, konnten wir uns dann doch vorstellen, etwas daraus zu machen. Wir denken, dass es ein Beitrag zur Ermutigung sein kann, Gott zu vertrauen und konsequent mit ihm zu leben.
 

ERF: Haben Sie auch schon konkret erlebt, dass Menschen, die nicht mit Jesus unterwegs sind, durch die Geschichte besonders berührt worden sind? 

Johannes Holmer: Lydias Art zu glauben und mit Leid umzugehen, hat Menschen berührt, die noch nicht gläubig sind. Bis dahin, dass Leute dadurch zum Glauben gekommen sind. Sie war ein Zeugnis dafür, wie man fröhlich leben und Gott vertrauen kann und vielleicht auch gerade durch dieses Gottvertrauen fröhlich ist. Ihre Gewissheit stand fest: „Ich weiß, dass Gottes Plan perfekt ist.“ Sie ordnete sich Gottes Plänen unter.
 

ERF: Was hat Lydias Glauben geprägt, so dass er so spritzig, authentisch und leidenschaftlich war?  

Johannes Holmer: Ich muss ehrlich sagen, ein wenig hat uns ihr Glaube, der durch die Tagebücher sichtbar wurde, selbst überrascht. Lydia ist so, wie man sich Norddeutsche vorstellt. Sie hat nicht groß über das geredet, was sie innerlich beschäftigte. Aus der Ferne bekamen wir vieles ihrer Entwicklung nicht mit. Wir haben selten von ihren inneren Beweggründen und Gedanken gehört und sie war sowieso nicht der Typ, der viele Worte darüber machte.

In ihrer Krankheitszeit bekamen wir mit, dass ihr viele Freunde aus aller Welt schrieben. Da schrieben viele, dass sie der ganz normale alltägliche Glaube von Lydia bewegt hat. Durch solche Briefe merkten wir, dass Lydia eine innere Entwicklung durchgemacht hatte, die zu 80 % an uns vorbeigegangen ist, weil sie immer weit weg war.

Weniger Verlust – mehr Geschenk

ERF: Lydia hatte ein Herz für Menschen und brannte für Jesus Christus. Empfinden Sie es als unfair, dass gerade Lydia so früh sterben musste?

Johannes Holmer: Unfair weniger, denn was ist schon fair? Trotzdem ist es für uns unverständlich. In Jesaja 55,8 sagt Gott: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ Und das stimmt. Wirklich verstehen können wir es nicht. Natürlich könnten wir permanent mit Gott hadern, aber das haben wir eigentlich nie gemacht. Wir wissen nicht, was Gott damit vor hat und was er „hinter den Kulissen“, also in der unsichtbaren Welt, tut.

Ich bin mit Lydia 2011 zu einem längeren Interview bei ERF Medien gewesen. Da hat sie im Gespräch sinngemäß gesagt: „Wenn ich sehe, wie viele Menschen durch meine Krankheit zum Nachdenken über Jesus gekommen sind oder ihn sogar gefunden haben, dann ist es wohl gut, dass ich krank geworden bin.“ Sie hatte Gott einmal ihr Leben gegeben und war der Meinung, dass er nun damit machen kann, was er will.
 

ERF: Der Tod einer Tochter hinterlässt in der Familie eine Lücke. Wie gehen Sie als Familie mit dem Verlust um?

Johannes Holmer: Ich sage mal ganz platt, wir gehen gar nicht mit dem Verlust um, sondern eher mit dem Geschenk, das Gott uns durch Lydia gemacht hat. Das macht es uns ein wenig leichter. Das heißt nicht, dass sie uns nicht fehlt, doch die Dankbarkeit überwiegt. Wir baden bewusst nicht im Leid und in der Trauer, aber wir überspielen sie auch nicht.

Wir sind froh, dass wir Lydia hatten. Sie hat uns und ihren Geschwistern ein Beispiel für bedingungsloses Vertrauen gegeben. Doch wie jeder von unseren Kindern insgeheim damit umgeht, ist für uns nicht hundertprozentig zu erfassen.
 

ERF: Was hat Ihnen persönlich wieder Mut gemacht, an Gott festzuhalten und nicht an diesem Schicksalsschlag zu verzweifeln?

Johannes Holmer: Lydia und ich haben dieselbe Art, Dinge positiv anzupacken und zu schauen, was zu tun ist. Zudem haben wir uns an Lydias positiver Art orientiert. In der fünfjährigen Krankheitszeit gab es viele Situationen, in denen man verzweifeln könnte. Zum Beispiel, als sie am Schluss der Krankheit auch noch die Meningitis bekam.

Foto Familie Holmer
Johannes Holmer, Jhg 1957, ist Pastor einer mecklenburgischen Landgemeinde und verheiratet mit Eva-Maria. Sie haben gemeinsam vier Kinder. Die Älteste, Lydia Holmer, ist bereits im Himmel. Auf dem Foto sieht man sie mit ihrem Vater.

Wenn meine Frau Lydia manchmal am Bett gefragt hat, ob sie nicht lieber in der Ewigkeit bei Jesus sein will, hat Lydia es vehement verneint. Sie wollte kämpfen. Das hat uns animiert, weiterzumachen und mit ihr zu kämpfen. Wir wollten ihr auch kein Klotz am Bein sein, sondern sie ermutigen zu kämpfen, zu glauben und zu leben.

Gebet wird im Leid neu buchstabiert

ERF: Würden Sie sagen, dass Lydias Krankheitszeit Ihren Glauben besonders geprägt hat?

Johannes Holmer: Insgesamt hat uns diese Zeit natürlich schon nachhaltig geprägt. Viele Fragen, die wir früher theoretisch als fromm Aufgewachsene klar beantwortet haben, stellten sich uns plötzlich ganz neu und existentiell.

Wir haben in der Zeit erlebt, dass Hunderte auf Lydias Internetseite geschaut haben und für Lydia gebetet haben. Diese Ermutigung selbst zu spüren und auch an Lydia weitergeben zu können, war nun ganz praktisch greifbar. In der Zeit haben wir auch viel intensiver über das Gebet nachgedacht. Was ist das Gebet und was bewirkt es? Was bringt es, wenn Hunderte für Lydia beten und es passiert nicht das, worum wir gebetet haben.

Für Lydia war klar, wenn Menschen für sie beten, dann heißt das, dass sie mit Jesus im Kontakt sind, mit Jesus leben und auf ihn schauen. „Let us fix our eyes on Jesus“ hat sie dann gesagt. Für sie war es wichtiger, dass ihre Freunde mit Jesus im Kontakt sind, als dass sie selbst gesund wird.

Wir haben aber auch Themen wie Sterben und Vertrauen für uns neu buchstabiert. Vertrauen kann ich nur, wenn ich nichts mehr in der Hand habe und nichts mehr selbst regeln kann. Wenn ein Kind seinem Vater vertraut, weiß es auch nicht, was der Vater eigentlich tut. Trotzdem vertraut es ihm. Dieses Vertrauen buchstabiert man durch solch eine Leidsituation noch einmal ganz anders.
 

ERF: Sie sind nicht der einzige Vater, dessen Tochter aufgrund von Krebs gestorben ist. Was wollen Sie Familien weitergeben, die zurzeit in einer ähnlichen Situation sind? 

Johannes Holmer: Ich will sie ermutigen, an Jesus festzuhalten und ihm zu vertrauen. Letztendlich ist sein Plan perfekt, denn er ist göttlich. Daran brauchen wir nicht zu zweifeln. Mir ist bewusst, dass der Satz provokant und steil ist. Aber es lohnt sich, an ihm festzuhalten. Wir haben auch einige Freunde und Familien kennengelernt, denen es sehr viel schwerer fällt, Gott in der Situation zu vertrauen. Aber Gott macht es letztendlich gut. Vertrauen heißt letztendlich: Nicht sehen und trotzdem an ihn glauben.

ERF: Herzlichen Dank für das Interview.

 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (7)

Ildikó A. /

Jetzt hatte ich im Zeitung Lydia über Euren Lydia-Artikel gelesen! Mit Jesaja 54,10 grüssen wír Euch. Gott gebe für die ganze Familie viel Kraft.
Wír waren bei Euch im Falkenberg! Ildikó, Anikó und Judit. Liebe Grüsse für Euch und Onkel Uwe aus Ungarn

Judith S. /

Ich habe in den letzten Tagen das Buch gelesen und es hat mich sehr berührt. Ihre Einstellung zu Gott, dem Leben und dem Tod ist faszinierend. Und es bringt alle zum Nachdenken über Glaube, Umgang mit Mitmenschen, Einstellung zum Leben und vieles mehr.

Waltraud H. /

es ist ein sehr bewegendes interwiev,das mut zum glauben macht!

Hansjörg K. /

JA - auch ich habe immer wieder beobachet,
dass junge Menschen, die stark im Christus-Glauben standen oft vorzeitig wieder in die Welt Gottes zurückgehen wo sie herkamen.
Wenn sie ihren mehr

Pfr. Hermann Josef B. /

"Erscheinen unsres Gottes Wege
uns seltsam, rätselhaft und schwer...",
will ich mich auch an der Wahrheit dieses Buchtitels orientieren.

Hanna W. /

Vielen Dank für dieses Interview! Ich glaube, den Satz "Vertrauen kann ich nur, wenn ich nichts mehr in der Hand habe und nichts mehr selbst regeln kann." muss jeder für sich durchbuchstabieren, er mehr

winni k. /

Ich, als "Ungläubige" durfte Puschel und ihre Familie kennen lernen. Mit dem Buch habe ich angefangen - ich kann es nicht am Stück lesen. Puschel hat mich zum nachdenken gebracht.

Das könnte Sie auch interessieren