Navigation überspringen
© Kreuz Verlag / verlag-kreuz.de

05.11.2013 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Anders mit Konflikten umgehen

Das Buch „Liebevolle Partnerschaft – Gewaltfreie Kommunikation für Paare“ will helfen, verständnisvoller miteinander umzugehen.

Der Ratgeber „Liebevolle Partnerschaft – Gewaltfreie Kommunikation für Paare“ von Ronald und Anika Hempel stellt das Prinzip der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) vor und zeigt auf, wie Paare von diesem Kommunikationsmodell profitieren können. Nun stellt sich die Frage, was genau gewaltfreie Kommunikation ist. Schließlich wird schon die Lösung eines Konfliktes mit Worten als gewaltfrei angesehen.

Doch wer schon einmal einen heftigen Streit erlebt hat, weiß, dass auch Worte verletzen können. Das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation ist es aber, so zu kommunizieren, dass man sein Gegenüber nicht verletzt. Doch wie ist das möglich beziehungsweise funktioniert das überhaupt?

Konflikte entstehen aus unerfüllten Bedürfnissen

Der Entwickler des Konzepts der GFK Marshall B. Rosenberg geht davon aus, dass hinter jedem Konflikt ein unerfülltes Bedürfnis steckt. Wenn zum Beispiel der Ehemann später nach Hause kommt, reagiert seine Frau verärgert, weil dadurch ihr Bedürfnis nach Zweisamkeit oder auch Verlässlichkeit nicht erfüllt wird. Um also einen Konflikt zu lösen, ist es wichtig zu ergründen, welches Bedürfnis man selbst oder der Partner hat und wie man dieses Bedürfnis erfüllen kann.

Deswegen schlägt Ronald Hempel im Buch „Liebevolle Partnerschaft“ vor, dass man in einer Streitsituation überlegt, welche Gefühle das Handeln des Partners in einem auslöst und welche Bedürfnisse man als nicht erfüllt ansieht. Er hält dafür folgenden Weg für sinnvoll: 1. Beobachtende Äußerung zur Situation, 2. Nennung der eigenen Gefühle, 3. Äußerung des Bedürfnisses, 4. Bitte an den Partner. So könnte die Frau in der obengenannten Situation sagen: „Es ist acht Uhr, du wolltest um sieben daheim sein. Ich bin enttäuscht, denn ich möchte, dass wir uns aufeinander verlassen können. Kannst du mir demnächst Bescheid sagen, wenn du dich um mehr als eine Viertelstunde verspätest?“ Damit hätte die Frau ihre Verärgerung geäußert, ohne ihrem Partner Vorhaltungen zu machen.

Finde deine „O.K.-Zone“

Hempel führt weiter aus, dass jedoch die natürliche Reaktion der meisten Menschen ist, den anderen entweder für sein Verhalten anzugreifen oder sich zurückzuziehen und die Schuld auf sich zu nehmen. Menschen, die die Schuld für einen Konflikt anderen zuschieben, nennt Hempel „Trolf“, Menschen, die sich selbst die Schuld geben, bezeichnet er als „Schnief“. Beide Verhaltensformen sind Hempels Ansicht nach aber nicht hilfreich. Statt in einem Konflikt nach der Schuld zu fragen, solle man demnach überlegen, welche Bedürfnisse hinter dem eigenen Handeln oder dem Handeln des Partners stecken.

So müssten auch Konflikte, in denen beide scheinbar unvereinbare Vorstellungen von einer Lösung haben, nicht damit enden, dass der Eine nachgibt. Hier führt Hempel den Begriff der „O.K.-Zone“ ein. Dieser Begriff bezeichnet eine Lösung, die für beide nicht die Ideallösung darstellt, mit der aber beide leben können. Wenn man gemeinsam überlegt, was für beide okay ist, dann vermeide man, dass es in einem Konflikt Gewinner und Verlierer gibt.

Problematisch ist meiner Ansicht nach aber, dass diese Lösung nicht für alle Lebensbereiche praktikabel ist. Gerade wenn ein Paar in einem Lebensbereich sehr unterschiedliche Überzeugungen oder Gewohnheiten hat, ist es schwierig, eine gemeinsame „O.K.-Zone“ zu finden. Auf dieses Problem geht Hempel leider nicht ein. An manchen Stellen wirkt es sogar so, als wolle das Autorenehepaar die GFK als Allheilmittel darstellen. Insgesamt stellte sich für mich die Frage, wie alltagstauglich das Konzept ist. Denn ich halte es für utopisch, dass man als Paar je völlig gewaltfrei kommunizieren kann.

Autor: Ruthe, Reinhold
160 Seiten, 14,99 Euro,
Buch beim Verlag bestellen

Es gibt richtig und falsch!

Auch andere Problematiken werden meiner Ansicht nach zu kurz und nicht ausreichend behandelt. So widerstrebt es mir als Christin, dass der Autor Seitensprünge allein als Anlass einer Trennung, nicht aber als deren Ursache ansieht. Zwar verstehe ich seine Argumentation, dass sich der fremdgehende Partner in einer Affäre Bedürfnisse erfüllt, die in der Ehe nicht oder nicht mehr erfüllt werden. Doch dafür, wie er damit umgeht, trägt dieser Mensch die volle Verantwortung und eine Affäre dürfte so ziemlich der schlechteste Weg sein, mit unerfüllten Bedürfnissen in der eigenen Beziehung umzugehen.

Insgesamt sehe ich im Modell der gewaltfreien Kommunikation aus christlicher Sicht zwei Probleme, die bei der Anwendung der GFK bedacht werden sollten. Das erste Problem ist, dass die GFK davon ausgeht, dass der Mensch emphatisch eingestellt ist und gerne die Bedürfnisse des anderen erfüllt. Dem ist aus biblischer Sicht zu widersprechen, denn der Bibel und auch meiner Erfahrung nach denken wir Menschen oft sehr egoistisch.

Das zweite Problem ist, dass die GFK auf Wertungen verzichtet. Das mag in vielen Alltagsstreitigkeiten sinnvoll sein, denn vielleicht ist der Ehemann aus dem Beispiel nur länger auf der Arbeit geblieben, um den Rest des Wochenendes mehr Zeit für seine Frau zu haben. Doch wo in einer Beziehung bewusst oder zumindest wissentlich die Gefühle des anderen verletzt und seine Bedürfnisse vernachlässigt werden, sind meiner Meinung nach Wertungen angebracht. Denn es verletzt eben nicht nur die Gefühle des Partners, wenn der Andere fremdgeht, sondern dieser begeht damit auch einen Treuebruch. Dass es trotz aller Einfühlsamkeit in die Gefühle des Anderen in einer Beziehung auch moralische Maßstäbe geben muss, an die sich beide halten, erwähnt der Autor leider nicht.

Fazit

Das Buch „Liebevolle Partnerschaft“ stellt das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation sehr anschaulich vor. Dieses Konzept kann in Konflikten eine enorme Bereicherung für Paare sein und den Umgang miteinander deutlich verbessern. Doch man sollte sich bewusst sein, dass gewaltfreie Kommunikation kein Allheilmittel ist und neben einem emphatischen Miteinander auch gemeinsame Wertmaßstäbe entscheidend für eine gelingende Beziehung sind.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (2)

Gertrud /

Der reife Mensch muss lernen mit unerfüllten Bedürfnissen zu leben. Deshalb kann auch eine Ehe kein Garantieschein für eine lückenlose Bedüfnisserfüllung sein. Das wäre geradezu infantil. Frau Theis mehr

Marion K. /

Liebe Rebecca theis
Samuel sollte mal das Vorwort für ein Ehebruch schreiben das hat er aufgrund mangelnder Erfahrung abgelehnt ...
Ihre hohen moralischen Vorstellungen sind sehr lobenswert doch mehr

Das könnte Sie auch interessieren