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27.05.2014 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Leben allein genügt nicht

Warum es unbedingt Worte braucht, um Menschen mit Jesus in Kontakt zu bringen. Ein Interview mit Tobias Kley

"Evangelisation ist nicht so meine Stärke," hört man immer wieder von Christen. Sie beruhigen sich mit Gedanken, dass nun einmal nicht jeder die Gabe hat und das Leben ohnehin lauter spräche als Worte. Tobias Kley vom Tauernhof in Österreich ist da ganz anderer Meinung. ERF Online hat ihn interviewt.

ERF Online: Franz von Assisi prägte den Satz: „Predige das Evangelium zu jeder Zeit und wenn nötig, benutze Worte.“ Was denken Sie darüber?

Tobias Kley: Auf der einen Seite ist glaubwürdiges Leben die Grundvoraussetzung, um das Evangelium weiterzugeben. Was man über seinen Glauben kommuniziert, sollte man auch von ganzem Herzen leben. Wenn meine Beziehung zu Jesus nicht eng ist, dann ist alles andere nur Heuchelei.

Auf der anderen Seite kann man anhand der Bibel auch erkennen, dass es nicht nur auf den Lebensstil ankommt, sondern dass es vor allem darauf ankommt, das Evangelium verbal weiterzugeben und zu verkündigen. Im Philipperbrief steht sogar, dass es egal ist, aus welcher Motivation das Evangelium verkündigt wird. Hauptsache ist, dass es verkündigt wird. Das Evangelium ist die Wahrheit und bleibt die Wahrheit, selbst wenn ich es nicht aus der richtigen Motivation heraus weitergebe.

Worte vs. Leben

ERF Online: Also würden Sie sagen, dass Worte stärker ins Gewicht fallen als das Leben selbst?

Tobias Kley: Die Balance zwischen Worte und Leben muss stimmen. Das ist eine Herausforderung. Man kann sich nicht auf Worte konzentrieren und das Leben außer Acht lassen, genauso wie auch die Kehrseite laut Bibel falsch ist. Um die Balance dieser beiden Seiten hinzukriegen, braucht man Jesus. Man ist total abhängig von ihm, um einen guten Weg in dieser Diskrepanz zu finden.

ERF Online: „Und er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten“ steht in Epheser 4,11. Muss dann wirklich auch jeder wortkarge Mensch evangelistische Gespräche führen?

Tobias Kley: Natürlich gibt es Menschen, die ein riesiges Herzensanliegen für Evangelisation haben und andere wiederum, die weniger dafür brennen. Doch das heißt nicht, dass sie nicht über Jesus reden sollen. In Apostelgeschichte 1,8 steht, dass jeder, der den heiligen Geist hat, Jesus bezeugen wird. In meiner Arbeit mit Teenagern und Jungerwachsenen merke ich sehr, dass viele von ihnen Vorurteile haben, wenn es darum geht, auf der Straße mit Menschen über Jesus zu reden. In den meisten Gemeinden wird es leider nicht praktiziert.

Wenn die Jugendlichen dann Straßeneinsätze machen, sind die meisten von ihnen positiv überrascht. Sie haben gute Gespräche und merken, dass die meisten Menschen gar nicht so abgeneigt gegenüber Gott sind. Häufig festigen sich bestimmte Vorurteile im Laufe der Jahre. Wenn jemand sagt, er habe Evangelisation auf der Straße ausprobiert und es sei einfach nicht sein Ding, dann würde ich sagen: Dann bete, dass Gott dir zeigt, wie du sonst das Evangelium weitergeben kannst. Doch ohne es ausprobiert zu haben, kann man diese Form von Evangelisation schlecht bewerten.

Wie evangelisiert man richtig?

ERF Online: Sie sagen selbst, dass Evangelisation die Sache ist, die Gott Ihnen aufs Herz gelegt hat. Was halten Sie davon, über sozialdiakonische Möglichkeiten zu evangelisieren?

Tobias Kley: Prinzipiell ist das eine sehr gute Möglichkeit, weil es immer wieder und immer mehr Bedarf an Diakonie und Hilfe geben wird. Allerdings sollte so eine Arbeit eine klare Ausrichtung haben. In der Geschichte wurden sie häufig Christen gegründet und das Ziel war klar: Menschen mit Jesus in Kontakt zu bringen. Doch in vielen Fällen verschob sich der Schwerpunkt auf praktische Hilfe. Alles andere spielte keine Rolle mehr. Das ist eine ungesunde Entwicklung. Ich denke, wir wollen als Christen Menschen nicht nur körperlich helfen. Wir wollen ihnen etwas geben, was bis in die Ewigkeit reicht.

ERF Online: Wenn Gemeinden zu einer Zeltmission einladen, wirkt das für Nichtchristen möglicherweise weniger attraktiv, als wenn sie zu einem Filmabend in die Gemeinde eingeladen werden. Wäre es also sinnvoll, dass Gemeinden Mission weniger offensiv angehen?

Tobias Kley: Letztlich ist es egal, ob man zu einer Zeltmission oder zu einem Filmabend einlädt. Die meisten Menschen würden von sich aus nicht zu solchen Veranstaltungen kommen. Es sei denn, dass sie im Leben gerade Schwierigkeiten erleben und nach Halt suchen oder extrem gelangweilt sind. Das Problem bei jeder Art von Veranstaltung ist, dass es leider nicht viele Christen  gibt, die gute und enge Beziehungen zu Nichtchristen haben. Eine Idee wäre, dass sie sich mit den nichtchristlichen Freunden schon vorher zum Essen treffen und dann gemeinsam die Veranstaltung besuchen.

Hätte mich als Nichtchrist jemand gefragt, ob ich zu einer christlichen Veranstaltung kommen will, hätte ich nachdrücklich abgelehnt. Vielleicht klingt mein Vergleich krass, aber ich sage häufig zu Christen: „Stell dir mal vor, dein Arbeitskollege lädt dich zu einer Geburtstagsfeier im Strip-Club ein. Würdest du mitgehen?“ Die meisten verneinen. Aber ähnlich geht es Nichtchristen, wenn sie zu christlichen Events eingeladen werden. Wir Christen müssen diese Blockaden und Barrieren entfernen, die Menschen daran hindern zu diesen Veranstaltungen zu gehen. In den meisten Fällen geht das nur über persönliche Kontakte.

ERF Online: Nun gibt es ja auch Hardcore-Evangelisten, die auf Straßen mit Schildern auffallen, auf denen Sätze stehen wie „Bekehre dich“ oder „Die Hölle ist nahe“. Ist diese Art von Evangelisation sinnvoll?

Tobias Kley: Mein Stil ist es nicht. Wenn ich mit Teenagern Straßeneinsätze mache, dann mache ich auch schon mal evangelistische Kurzbotschaften auf der Straße. Aber jetzt einfach auf der Straße die Menschen mehr oder weniger anschreien ist denke ich nicht hilfreich. Auch aus dem Grund, dass Menschen ein völlig falsches Verständnis über Worte wie Hölle und Teufel haben. Wenn wir das nicht erklären können, würde ich solche Worte nicht benutzen. Auf der anderen Seite kann Gott auch diese Art gebrauchen, selbst wenn ich mir das kaum vorstellen kann. Ich bemühe mich, die unterschiedlichen Herangehensweisen an Evangelisation nicht zu bewerten.

Tobias Kley ist Evangelist am Tauernhof in Österreich. Ihm und seiner Frau ist der Kontakt zu Nichtchristen sehr wichtig. Das verrät auch ihr Alltag. MIt den "GetAwayDays" wollen sie Jugendliche für Evangelisation begeistern.

Ehrliches Interesse an Nichtchristen nötig

ERF Online: Auf der Straße zu evangelisieren ist die eine Seite. Doch wie kann ich ganz natürlich im Alltag mit Menschen ins Gespräch über Gott kommen?

Tobias Kley: Letztendlich kommt es darauf an, wie die persönliche Beziehung zu Jesus Christus ist. Wenn mein Herz voll ist von Jesus, dann wird es auch in meinen Beziehungen zum Ausdruck kommen. Mein Bruder ist von seinen Gaben her kein Evangelist. Ein Jahr lang war er auf der Bibelschule und in dieser Zeit habe ich viel für ihn gebetet, dass er an seinem neuen Arbeitsplatz mit Arbeitskollegen über Jesus reden kann.

Nach einigen Wochen habe ich ihn gefragt, ob er Gelegenheiten für Gespräche über den Glauben hatte. Er sagte mir: „Es ist total leicht über Jesus zu reden, weil Jesus mittlerweile zu allen Bereichen meines Lebens gehört.“ Damit trifft er den Punkt. Wenn Jesus wirklich in allen Teilen des Lebens involviert ist und er Herr und Freund ist, dann ist es nicht schwer über Jesus zu reden. Wenn ich Evangelisation nur als geistliche Sache sehe und nicht als Teil meines Privatlebens, ist es natürlich schwierig.

ERF Online: In Gesprächen mit Nichtchristen kann schnell der Eindruck entstehen, dass sie als Missionsobjekte gesehen werden. Wie kann man dem vorbeugen?

Tobias Kley: Dafür ist ein Wunder nötig. Wir Christen brauchen erst einmal in uns und unter uns eine Erweckung, damit wir verstehen, dass Menschen keine Missionsobjekte sind. In der Bibel steht immer wieder, dass es Jesus „gejammert“ hat, wenn er Menschen gesehen hat, die richtungslos und verloren waren. Jesus hat Menschen nie als Missionsobjekte gesehen.

Allerdings können wir dieses Herzensanliegen nicht selbst bewirken oder durch Eigendisziplin erreichen. Gott wird uns dieses Anliegen schenken, wenn wir ihn darum bitten. Ohne dieses Anliegen im Herzen sehen wir Menschen nicht als Menschen, sondern nur als Objekte.

ERF Online: Investieren Sie ganz bewusst in Kontakte mit Nichtchristen?

Tobias Kley: Meine Frau und ich sind vor sieben Jahren mit unseren Kindern nach Österreich gezogen, weil wir am Tauernhof mit unserer Arbeit begonnen haben. Wir haben uns ganz bewusst gesagt, dass wir außerhalb leben wollen und nicht direkt auf dem Tauernhof, weil wir uns Beziehungen zu Nichtchristen gewünscht haben. Und die haben wir auch. Mindestens ein oder zwei Male in der Woche haben wir Nichtchristen als Gäste bei uns.

Meine Frau lädt oft Frauen mit ihren Kindern ein. Wenn man Kinder hat, hat man viele Möglichkeiten, Beziehungen aufzubauen. Dabei sollte man selbst die Initiative ergreifen und Leute zu sich nachhause einladen, sonst bleibt der Kontakt eher oberflächlich. Beziehungen können meiner Meinung nur dann in die Tiefe wachsen, wenn man sein Haus öffnet, Menschen einlädt, gemeinsam isst oder gemeinsam Sport macht. Ich stelle immer wieder fest, dass, wenn man zusammen geschwitzt hat, die Hemmschwelle für tiefergehende Gespräche sinkt.

ERF Online: Herzlichen Dank für das Interview.

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Kommentare (2)

Esther /

Ja, ich will auch Stellung beziehen und von dem erzählen was mich gerettet (und ich habe lange ohne Gott gelebt und Gutes und Mist ohne Gott produziert) hat und was mich heute trägt und hält. Ich mehr

Gast /

Ich möchte Herrn Kley widersprechen. Ich denke, man kann die Rahmenbedingungen der Verkündigung des Evangeliums zur Zeit des neuen Testaments nicht mit der heutigen Situation vergleichen, so gerne mehr

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