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© Vera Greiner / unsplash.com

10.10.2022 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Franziska Decker

Bewegte Zeiten

Heilung und ihre Konsequenzen.

 

Er ist chronisch krank. Sein Aktionsradius ist auf eine von fünf Hallen beschränkt, in denen er mit vielen anderen Kranken lebt. Offensichtlich ist er in seinen Bewegungen sehr stark eingeschränkt und kann sich nur mühsam fortbewegen. Seit fast vier Jahrzehnten. Die Frage von Jesus empfinde ich deshalb etwas seltsam. Ist es denn nicht selbstverständlich, dass dieser Mann gesund werden will?

Heilung hat Konsequenzen

Wenn ich heute länger krank bin, bekomme ich, Gott sei Dank, eine finanzielle Unterstützung. Vielleicht eine Invaliden- oder Erwerbsminderungsrente, wenn ich berufstätig war. Werde ich wieder gesund, hat das unter anderem auch finanzielle Konsequenzen. Auch der neu gewonnene Lebensraum will von mir erstmalig oder wieder neu gestaltet werden. Einschneidende Veränderungen können mich selbst und mein Umfeld stark verunsichern. Selbst dann, wenn es positive Veränderungen sind.

Lange Krankheitszeiten oder chronische Erkrankungen prägen Menschen und lassen sie unterschiedlich damit umgehen. Wie reagiert der Kranke auf die Frage von Jesus? Er antwortet nicht mit einem direkten Ja. Seiner Antwort entnehme ich aber, dass er gesund werden will. Denn seit fast vier Jahrzehnten versucht er immer wieder, den richtigen Moment des Wassers zu erwischen. Dabei macht er jedes Mal dieselbe Erfahrung: Dass andere schneller sind als er.

Stark werden in Krisenzeiten 

Ich nehme bei diesem Kranken Stärken wahr, die er vermutlich auf Grund seiner Krankheit entwickelt hat: Ausdauer, Geduld, einen starken Willen. Auch erkennt er Chancen und nutzt sie im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das zeigt mir, dass Krankheits- und Krisenzeiten mich nicht nur einschränken müssen. Ich kann darin auch Stärken entwickeln, die mir in späteren Herausforderungen zugutekommen. Bei dem Kranken beispielsweise in dem Moment, als Jesus ihn auffordert „Steh auf, nimm dein Bett und geh.“

Vielleicht hat der Kranke sich gefragt, ob der Mann, der das zu ihm sagt, ihm überhaupt zugehört hat. Wenn er aufstehen und samt seiner Matte durch die Gegend laufen könnte, würde er kaum seit 38 Jahren hier liegen! Oder? Doch der Kranke kommt der Aufforderung von Jesus nach. Allen negativen Erfahrungen der Vergangenheit zum Trotz. Er lässt sich immer wieder neu auf das Leben ein und lässt sich von den enttäuschenden Erfahrungen, die er gemacht hat, nicht endgültig lähmen und ausbremsen. „Er ist resilient“, würde man heute sagen.

Durch einige wenige Worte von Jesus wendet das Blatt sich komplett. Der Kranke wird so beweglich, dass er jetzt das trägt, was vorher ihn getragen hat. Wenn ich in Bewegung komme, auch geistlich, bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Vielleicht verhalte ich mich anders als bisher. Setze neue Prioritäten, lebe andere Werte, übernehme Verantwortung oder gebe sie ab. Ich werde gelassener oder lasse nicht mehr mit mir umspringen. Das kann für mein Umfeld sehr irritierend sein.

Je länger ich diesen Text auf mich wirken lasse, desto mehr berührt mich aber die Aussage des Kranken, dass er keinen Menschen hat. Hatte er keine Freunde in der Nähe? Keine Familie? Oder hatten sie ihn irgendwann einfach seinem Schicksal überlassen? Das Johannesevangelium sagt darüber nichts aus.

Gnade vor Recht

Wo waren eigentlich die frommen Juden in den letzten 38 Jahren der Krankheitszeit dieses Mannes? Ich weiß es nicht. Aber plötzlich treten sie in sein Leben. Das für sie Wesentliche ist das Fehlverhalten des Geheilten und des Mannes, der ihn am Sabbat geheilt hat. Sie hätten sich doch auch über seine Heilung freuen und Gott anbeten können. Scheinbar geht es ihnen aber gar nicht so sehr um Gott und seinen Willen. Ihr Fokus ist das Gesetz. Die äußeren Ordnungen, die nicht durcheinanderkommen dürfen. Sabbat bleibt Sabbat. Da arbeitet man nicht. Und eine Heilung nach 38 Jahren bildet keine Ausnahme.

Diese Religiösen können durch ihre gesetzliche Brille den Geheilten gar nicht samt seiner Lebensgeschichte sehen und das, was sie sehen, angemessen einordnen. Ich merke, dass auch ich selbst manchmal schnell über einen Menschen urteile, ohne Näheres über ihn zu wissen. Ich tue es einfach auf Grund dessen, was ich gerade sehe.

Manchmal sind wir Christen so sehr damit beschäftigt, unser frommes Kirchen- und Gemeindeleben zu kultivieren, dass wir darüber Gott, den Mittelpunkt, vergessen. Regeln und Abläufe bestimmen unsere Gottesdienste und unser Miteinander in einem Maß, dass für das Wirken des Heiligen Geistes kaum noch Raum bleibt, wie mir scheint.

Der geheilte Mann weiß noch nicht, wem er diese Heilung zu verdanken hat. Vielleicht bringt er sie aber mit Gott in Verbindung. Denn er geht anschließend in den Tempel. Wohin gehe ich, wenn sich in meinem Leben etwas zum Guten verändert hat? Gerade kürzlich war das der Fall. Erleichtert habe ich sämtliche Personen darüber informiert. Und erst dann Jesus Danke gesagt. Dabei erfahre ich bei ihm Wesentliches für mein Leben. Das kann ich anschließend denen weitergeben, die Fragen zu den positiven Veränderungen in meinem Leben haben. Mit welcher Motivation Andere mir Fragen dazu stellen und wie sie sich zu meinen Antworten positionieren, ist deren Verantwortung.

Heil(-ung) ohne Zwang

Jesus zwingt niemandem Heilung auf. Im übertragenen Sinne gilt das auch für seine Erlösung, die mich heilt und von meiner Schuld befreit. Jesus bietet sie mir sowie jedem Menschen an. Ob ich sein Angebot annehme, ist meine freie Entscheidung.

Die religiösen Führer entscheiden, dass Jesus aus dem Weg geräumt werden muss. Er wird zunehmend zur Bedrohung für sie und seine Heilung brauchen sie nicht. Ich bin Jesus dankbar, dass ich an ihn als meinen Erlöser glauben darf. Das neue Leben des Kranken am Teich von Bethesda sowie meine Erlösung waren nur möglich, weil Jesus bereit war, dafür zu sterben. Dafür will ich Gott danken und diese Tatsache nicht aus dem Blick verlieren.
 

 Franziska Decker

Franziska Decker

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Franziska Decker ist Coach „Evangelisation und Follow-Up“ und in Seelsorge und Beratung tätig. Sie fördert Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz und in ein Leben hineinzuwachsen, wie Gott es sich vorgestellt hat. Sie ist gastfreundlich, liebt die Nordsee und Wanderungen sowie Stille und aufmerksame Blicke nach innen.

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