Navigation überspringen
© Rafael Garcin / unsplash.com

20.09.2021 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Steffen Brack

Mit Gott im Clinch

Was ich vor allem brauche: Gott – und was er mir gibt.

Bis heute fasziniert mich eine Begegnung, von der im ersten Buch der Bibel berichtet wird (1. Mose 32,23-33). Eine Begegnung zwischen Jakob und Gott. Und was für eine Erfahrung ist das, die der Mann hier macht. Oder sage ich besser, machen musste?

Angst

Seit Jahren ist Jakob auf der Flucht. Zuerst vor dem Zorn seines Bruders Esau. Ihn hatte er um den Segen ihres Vaters betrogen. Jahre später flieht er wieder. Diesmal vor Laban, seinem Schwiegervater. Bis Gott schließlich eingreift und zu Laban im Traum spricht: „Hüte dich davor, Jakob zu bedrohen!" (Kapitel 31,24). Nun ist er fast wieder zu Hause. Esau, sein Bruder, kommt ihm entgegen. Mit 400 Männern. Und Jakob hat Angst. Er sucht nach Möglichkeiten, seinen Bruder zu besänftigen.

Im Dunkel der Nacht

Jetzt ist es Nacht. Gerade hat Jakob seine Familie über den Fluss gebracht. Den Jabbok. Allein bleibt er zurück. Da geschieht es: „Plötzlich stellte sich ihm ein Mann entgegen und kämpfte mit ihm bis zum Morgengrauen“ (Vers 25).

Ich war auf einer Skifreizeit in der Schweiz – im Jahr nach dem Mauerfall in Berlin. Einige Christen aus der ehemaligen DDR waren mit dabei. Zum ersten Mal konnten sie in der Schweiz Ski fahren. Wir hatten eine herrliche Zeit. Auf dieser Freizeit schauten wir auch einen neu gedrehten Film über das Leben von Abraham, Isaak und Jakob. Und schon damals war diese Szene für mich absolut faszinierend. Ich saß noch nachts allein im Gemeinschaftsraum und schaute mir diesen Kampf zwischen Gott und Jakob an. Immer wieder. Den Gott wollte ich auch kennenlernen. Immer besser.

Ein Gott zum Anfassen

Den Gott, der alles vorbereitet hatte, um Jakob jetzt hier alleine zu begegnen. Und der ihn in einen Ringkampf verwickelt. Es ist die Nacht vor der gefürchteten Begegnung mit Esau. Jakob hat Angst. Immer wieder hat er sich in seinem Leben mit Täuschungen, Tricks und Lügen durchgeschlagen. Sogar mit Betrug. Das hat ihm auch viel Ärger und Not eingebracht. Aber Gott stand ihm dennoch zur Seite. Er begleitete Jakob. Und segnete ihn.

Doch in dieser Nacht tritt Gott ihm plötzlich entgegen. Und ringt mit Jakob. Der weiß anfangs gar nicht, wer ihn da plötzlich packt. Es ist dunkel. Und für Jakob ist das zunächst erst einmal ein Mann. Der plötzlich mit ihm im Clinch ist. Mehr weiß er noch gar nicht. Jakob hat ja auch gar keine Zeit zu überlegen. Er ist nun gefordert, alle seine Kräfte aufzubieten, um von dem Unbekannten nicht besiegt zu werden. Er weiß ja nicht worum es geht – und er muss mit dem schlimmsten rechnen.

Was geschieht hier eigentlich? Warum ringt Gott selbst mit Jakob? Wieso geht er mit ihm in den Clinch? Das Wort „ringen“ ist in der hebräischen Sprache mit dem Wort „Staub“ verwandt. Gott macht sich staubig. Merkwürdig. Jakob hat Angst. Und Gott verwickelt ihn in einen handfesten Ringkampf? Das habe ich noch in keiner Seelsorgefortbildung so gehört. So stelle ich mir Gott gewöhnlich auch nicht vor. Können Sie sich z. B. Jesus in einer Rangelei mit Petrus vorstellen? Immerhin. Beide waren Handwerker. Die wussten wohl auch ihre Körperkraft einzusetzen.

„Du lässt mich gewinnen“

Was mich fast noch mehr verwundert. Es heißt hier, Gott war Jakob nicht überlegen. Ich verstehe das so. Als meine beiden älteren Kinder noch kleiner waren, schoben wir immer mal wieder den Wohnzimmerzimmertisch zur Seite. So konnten wir auf dem großen Teppich ein bisschen ringen. Meinem Sohn machte das viel Spaß. Meiner Tochter auch. Sie sagte dann oft. „Gell Papa. Du kämpfst jetzt nicht voll. Sondern so, dass ich gewinnen kann?“

Daran erinnert mich der Ringkampf zwischen Gott und Jakob. Gott fordert Jakob zwar alles ab, aber so, dass der am Ende als „Gewinner“ dastehen kann. Gottes eigentliche Überlegenheit zeigt sich auch. Als Jakob in dieser Nacht nicht aufgibt und Gott standhält, berührt er Jakob an der Hüfte. Das genügt schon, um sie zu verrenken.

Schluss mit Weglaufen

Vielleicht beginnt Jakob jetzt zu ahnen, mit wem er es zu tun hat. Sein „Gegner“ nutzt den Vorteil nicht aus. Jakob, der sonst immer geflohen war, wenn es zu Auseinandersetzungen kam, kann jetzt nicht mehr weglaufen. Aber er lässt auch nicht los. Er hält Gott fest. „Lass mich los“, sagte Gott, „der Morgen dämmert schon!“ Aber Jakob erwiderte: „Ich lasse dich nicht eher los, bis du mich gesegnet hast!“ (Vers 27).

Jakob – sein ganzes Leben hat er immer gekämpft, um nicht zu kurz zu kommen. Sein Name „Jakob“ heißt Fersenhalter. Bei der Geburt hielt er seinen Zwillingsbruder an der Ferse fest. Schon da wollte er nicht zurückstehen. Und immer wieder versucht er, seinem älteren Bruder gegenüber nicht zu kurz zu kommen. Bis er ihn schließlich um den Segen des Erstgeborenen betrügt.

Immer die Nummer 2?

Ich kann Jakob gut verstehen. Auch ich habe einen älteren Bruder. Es ist nicht immer leicht der „Kleine“ zu sein. Und ältere Brüder können ihre Überlegenheit auch weidlich ausnutzen.

Aber nun wird Jakob klar, was er wirklich braucht. Gottes Segen. Gottes Zuspruch. Er muss nicht mit allen Tricks kämpfen, damit er nicht zu kurz kommt. Er muss sich auch nicht den Segen des Erstgeborenen stehlen. Was er braucht, bekommt er hier. Vom lebendigen Gott. Der ihn in dieser Nacht gestellt hat. Um ihm das klar zu machen. An Gottes Zuwendung und Begleitung allein liegt es, ob Jakobs Leben gelingt. Mehr braucht er nicht. Aber auch nicht weniger. Und Gott segnet ihn (Vers 32).

Was Gott schenkt – Segen

Die Hände, die ihn zuvor fest gepackt haben, berühren in jetzt, um ihn zu segnen. Wie gut. Der starke Vater aus dem Himmel segnet Jakob. Das tut mir auch gut. Den Gott brauche ich auch. Blaise Pascal hat es einmal so geschrieben: „Nicht der Philosophen Gott, sondern der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“

Noch etwas berührt mich hier sehr. „Die Sonne ging gerade auf, als Jakob weiterzog. Er hinkte, weil seine Hüfte ausgerenkt war.“ (Vers 33) Von Gott gesegnet heißt nicht unbedingt, ohne Blessuren davon zu kommen. Jakob hinkt. Bei jedem Schritt weiß er: „Gott ist stärker als ich. Und doch hat er mir heute Nacht einen „Sieg“ geschenkt. Er will mein Bestes. Was ich brauche ist sein Segen. Und den hat Gott mir gegeben.“

Auch hinkend, verletzt, gehandicapt können wir von Gott Gesegnete sein.

... ein bisschen beschädigt

Mich erinnert das an einen schönen Satz aus dem Film Seabiscuit. Darin geht es um die Geschichte eines berühmten Rennpferdes und dreier Männer. Es ist die Zeit der großen Wirtschaftskrise in den USA. In einer Szene soll ein Rennpferd erschossen werden, weil sein Bein gebrochen ist. Da bietet ein Pferdetrainer dem Besitzer an, sich um das Pferd zu kümmern. Als er später gefragt wird, warum er ein Rennpferd mit gebrochenem Bein versorgt, sagt er: „Man wirft doch nicht ein Leben weg, nur weil es ein bisschen beschädigt ist."

 Steffen Brack

Steffen Brack

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Theologe und Redakteur, verheiratet, drei Kinder. Begeistert von Gottes unerschütterlicher Liebe.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (3)

Ivan P. /

Hallo Steffen, gut ermutigend, danke auch fuer diese tolle Andacht fuer Jakobs Ringen mit Gott!!! Ich brauche auch mal eine gute Predigt zu hoeren. Hallelujah forever, Amen Gottes Segen

Steffen Brack, ERF Redakteur /

Sehr gerne!

Simone M. /

Danke

Das könnte Sie auch interessieren