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© Pietro Tebaldi / unsplash.com

20.04.2020 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Dajka Krenz

Wie geht es dir?

Was wir vom erzwungenen Verzicht lernen können – über uns und über Jesus.

„Wie geht es dir?“ – „Oh, danke, mir geht es gut!“. Heutzutage ist das eine oft gestellte Frage und die oft entgegnete Antwort dazu. Auch bei mir. – Nun, es geht mir gut. Ich bin gesund, ich habe eine schöne Wohnung, die ich erst kürzlich bezogen habe und wo es immer noch genug zu tun gibt, ich habe genug zu Essen und ich habe sogar gestern eine Packung mit acht Rollen Klopapier bekommen.

Mir geht es gut. Aber – ist es wirklich so? Mir fehlt die Gemeinde. War sie doch mir, der alleinerziehenden Mutter, schon früher der Ersatz für eine heile Familie. Und auch in den letzten sechs Jahren, nachdem ich meine jetzt schon erwachsenen Kinder auf Gottes Wort hin verlassen habe, um für eine andere Gemeinde da zu sein, war sie mir alles. Sie verkörperte für mich nicht nur die Familie, sondern auch einen Bergungsort gegen Einsamkeit und Untätigkeit. Mein ganzer Freundeskreis ist dort. Und nun?

Leben ohne Familienbesuche und christliche Events

So alle sechs Wochen fahre ich mit dem Zug nach Stuttgart, um wenigstens einen Teil meiner Familie regelmäßig zu sehen. Immer, wenn ich eine Fahrkarte wegen dem Sparpreis lange im Voraus gebucht habe, freute ich mich auf die nächste Fahrt dorthin. Meine Tochter zu umarmen, mit meinem Enkel in einem Bett zu schlafen, das gab mir wieder Kraft für die nächsten Wochen ohne sie. Und nun?

Seit 18 Jahren nehme ich jedes Mal nach Ostern am SPRING GemeindeFerienFestival teil. In den letzten Jahren immer mit vielen Menschen aus meiner Gemeinde und auch mit einem Teil der Familie. Dieses Jahr wären wir eine Gruppe von 30 Personen. Wir alle freuten uns schon sehr auf diese Woche der Gemeinschaft mit 3500 anderen Christen, auf das geistliche Auftanken, auf das Miteinander im Hotel, bei den Veranstaltungen, auf dem Ettelsberg und der Skisprungschanze. Und nun?

Geht es mir wirklich gut? NEIN! Mir fehlen all diese Dinge. Es tut zunehmend mehr weh, auf sie zu verzichten! Das will ich nicht! Nein, es geht mir nicht gut. Ich bin traurig wegen dieses Verzichts. Nein, es geht mir nicht wirklich gut. Und nun? 

Mir fehlen all diese Dinge. Es tut zunehmend mehr weh, auf sie zu verzichten! Das will ich nicht! Nein, es geht mir nicht gut.

Zum Verzicht gezwungen

Am liebsten würde ich morgens gar nicht aufstehen. Die Bettdecke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Diese schreckliche Zeit einfach verschlafen. Aufwachen, wenn die Corona-Krise vorbei ist. Oder aufwachen und erkennen, dass alles nur ein Alptraum war. Am Sonntag normal in den Gottesdienst gehen, mit Freunden Mittagessen, abends Kino oder Theater besuchen.

Am liebsten würde ich morgens gar nicht aufstehen. Die Bettdecke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Diese schreckliche Zeit einfach verschlafen. Aufwachen, wenn die Corona-Krise vorbei ist.

Nein, keine Angst, ich bin nicht der depressive Mensch, noch reicht mein Wille aus, dagegen anzukämpfen. Was mir jetzt also hilft ist, die Situation zu analysieren.                                                           

Es ging uns seither in Deutschland gut. Viel zu gut. Nichts ist schwerer zu ertragen, wie eine Reihe von guten Tagen, sagt ein Sprichwort. Und ist es nicht wahr? Und wenn es uns schon so viele Jahre, nicht nur Tage, gut geht? Als Christen spüren wir, dass das nicht normal ist. Sieben Wochen lang üben wir deshalb Verzicht aus. Sieben Wochen ohne Schokolade, sieben Wochen ohne Alkohol, sieben Wochen ohne Fernsehen usw. Es gibt auch Dinge, da sagen wir – nein, das halte ich sieben Wochen ohne nicht aus. Und jetzt?

Hätten Sie gedacht, dass die diesjährige Passionszeit so sehr von Verzicht geprägt sein würde? Hätten Sie gedacht, dass Sie auf Gemeinschaft mit anderen, auf Kultur, auf Geburtstagsfeiern, auf den Frisörtermin, auf den Einkaufsbummel, auf Familienbesuche und auf das Reisen verzichten können? Niemals – wenn Sie es freiwillig hätten tun müssen. Jetzt müssen Sie es tun. Wir alle müssen es. Deutschlandweit, europaweit, weltweit! Zu unserer Sicherheit, zur Eindämmung des Virus.

Hätten Sie gedacht, dass die diesjährige Passionszeit so sehr von Verzicht geprägt sein würde? Hätten Sie gedacht, dass Sie auf Gemeinschaft mit anderen, auf Kultur, auf Geburtstagsfeiern, auf den Frisörtermin, auf den Einkaufsbummel, auf Familienbesuche und auf das Reisen verzichten können?

Jesus verzichtete auch

Ist Ihnen schon der Gedanke gekommen, dass das alles Gott zulässt, damit wir einmal wirklich darüber nachdenken, auf was Jesus, sein Sohn, alles aus Liebe zu uns verzichtet hat? Er hat den Himmel verlassen. Dort hatte er alles! Und was erwartete ihn auf der Erde? Kein gebührender Platz für seine Geburt und die Flucht ins unbekannte Land schon als kleiner Säugling. Später im Erwachsenenalter Spott, Hohn, Verrat, Verfolgung, Schmerzen und schließlich ein Todesurteil, das damals nicht hätte schlimmer kommen können. Die Kreuzigung. Ja, aus Liebe zu Ihnen, zu mir. Und ich bin nicht bereit, auf etwas Geliebtes sieben Wochen lang zu verzichten? Nun müssen wir es alle tun – nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen.

Auf einmal wird mir klar, dass es wirklich nur halb so schlimm ist. Es gibt so vieles, auf das ich nicht verzichten muss!

Ich stehe auf, koche mir meinen Tee, schalte das Radio ein und den Computer. Ich habe das Telefon und kann mit jedem reden, zu dem ich Kontakt haben möchte. Ich kann im Fernsehen wählen, was ich schauen möchte. Ich kann einkaufen gehen und - auch wenn hier und da etwas fehlt - es gibt noch viel zu viel von dem, was ich kaufen kann! Ich darf rausgehen, ohne Angst vor Verfolgung oder gar Schüssen zu haben. Die heutige Technik erlaubt mir sogar, meine Familie live zu sehen, mit ihr zu reden und zu lachen – mich einfach zu vergewissern, dass es ihnen allen gut geht. Auch meinem Sohn mit Familie in Oberitalien.

Ja, danke, mir geht es wirklich gut. Jetzt ja. Und Ihnen?
 

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