„Wenn man sich umbringen will, dann schafft man das auch.“ So hat jemand einmal den Selbstmordversuch einer Freundin von mir kommentiert. Ich war eigentlich auf der Suche nach Hilfe. Und Trost. Nach ermutigenden Worten. Nach Ratschlägen. Und dann sowas. Für mich ein Schlag ins Gesicht. Denn ich weiß, wie es ist, gegen Depression zu kämpfen.
Ich war extremem frühkindlichen Stress ausgesetzt. Und jetzt ist meine Seele krank. Immer noch. Und ich habe keine Lust mehr. Ich wache morgens auf und das erste, was ich fühle, ist dieser zerreißende Schmerz. Bevor ich meinen ersten Gedanken denken kann, ist er da. In meinem Traum war er auch schon. Mein ganzer Körper tut weh. Gestern habe ich ihn gefühlt. In der Nacht davor. Wochen, Monate und Jahre begleitet er mich. Dieser Schmerz scheint der treuste Begleiter meines Lebens zu sein. Ein Begleiter, auf den ich gerne verzichten würde. Er geht aber nicht weg. Er ist da und nimmt mir die Luft zum Atmen. Wann hat dieser Albtraum ein Ende? In wie viele Stücke wird mein Herz noch gerissen? Jeden Tag wundere ich mich, dass ich überhaupt noch lebe. Oft möchte ich aufstehen, aber ich kann nicht. Mein Körper reagiert nicht. Er macht nicht, was ich will. Eine schwere Decke liegt auf mir. Ich fühle mich hilflos. Gefangen.
Sich in solch einer Situation noch weitere Aussagen anzuhören, die verletzend sind, ist der Horror. Trotzdem höre ich es ständig. „Man merkt ja gar nicht, dass du Christ bist.“, „Du bist schon sehr antriebslos.“ und „Du kannst alles Mögliche. Nur das normale tägliche Leben kriegst du nicht auf die Reihe!“
Ich bin Christ, aber ich funktioniere nicht immer perfekt. Denn ich leide auch. Ich habe Hoffnung, aber ich kann auch niedergeschlagen sein. Traurig sein. Psychisch angeschlagen oder krank sein. So wie jeder andere Mensch auch. Was mache ich, wenn ich derart verletzt wurde? Wenn mir Menschen, von denen ich Hilfe erwartet habe, nicht bereit sind, auf mich einzugehen? Wenn sie anscheinend nur in der Lage dazu sind, noch tiefere Verletzungen zu verursachen? Wenn sie die Last noch schwerer machen, als sie ohnehin schon ist? Wenn man Vorwürfe statt Ermutigung bekommt? Wenn einem der Rücken zugekehrt wird, weil man Hilfe sucht? Ich bin jahrelang an viele falsche Menschen geraten. Ich habe das Gefühl, keine Verletzung mehr ertragen zu können. Was ist in solchen Momenten wichtig?
Gefühle nicht verdrängen
Gefühle sollte man auf keinen Fall verdrängen. Das ist nicht gesund. Ich soll meine Emotionen nicht in mir lassen. Sie müssen raus. Nicht zu klagen, macht krank. Ich muss mir die Dinge von der Seele reden, damit ich gesund bleibe oder gesund werde. Zu dieser Erkenntnis kam auch der Autor des biblischen Predigerbuches. Als er das Gefühl hatte, schon alles gesehen zu haben, sagte er ernüchtert, vielleicht sogar schwermütig: „Trauern ist besser als Lachen; denn durch Trauern wird das Herz gebessert.“ (Prediger 7,3) Es war nicht lange her, als jemand mir meine Denkstruktur zerstört hat, die sich in mir festgefahren hatte. Energisch habe ich die Worte zu hören bekommen: „Es ist nicht gut, wenn man alles in sich hineinfrisst.“ Diese Worte haben mich wachgerüttelt. Was mache ich eigentlich? Durch meine ganzen negativen Erfahrungen wollte ich niemandem mehr die Dinge anvertrauen, die mich am meisten beschäftigt haben. Ich wollte niemanden mehr belasten und vor allem hatte ich Angst, noch mehr verletzt zu werden. Nicht verstanden zu werden. Von mir wurde ja so oft erwartet, meine Gefühle zu unterdrücken.
Ich soll nicht aufhören, die Dinge, die ich nicht allein tragen kann, an jemanden loszuwerden. Gerade in der Gemeinschaft mit Christen kann ich Hilfe finden. Christen sind dazu aufgefordert, füreinander da zu sein. In der Regel wollen sie das auch. Wir gehen zusammen durch das Leid, denn „zwei sind allemal besser dran als einer allein“ (Prediger 4,9). Wir können uns einander helfen. Sich immer allein durchzukämpfen, schafft keiner. Wie schlimm ist es, wenn man allein ist und niemand für einen da ist! (Vgl. Prediger 4,10)
Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. – Paulus an die Christen der Gemeinde in Rom (Römer 12,15)
Hoffnung im Schmerz
Irgendwann kommt der Tag, an dem Gott eingreift. Ich weiß nicht, wann. Ich weiß nicht wo und wie. Aber ich weiß, dass Gott zu seinen Verheißungen steht. Er ist der ewig treue Gott. Der Gott, der die Müden und Schwachen stärkt. Der Gott, der in unsere Leben hinein wirkt. Er ist der Gott, der uns sieht. Wie muss sich Josef aus der Bibel gefühlt haben, als er mittlerweile schon über zwei Jahre zu Unrecht in einem ägyptischen Gefängnis sitzen musste? Das war alles andere als fair. Er hatte ja nur das getan, was richtig war und wurde dafür auch noch bestraft. Es wäre total verständlich gewesen, wenn Josef sich in dieser Zeit aus Enttäuschung von Gott abgewendet hätte. Aber er hat innerlich an Gott festhalten. Das Ende der Geschichte war, dass Gott ihn nicht nur aus dem Gefängnis herausgeführt, sondern ihn auch noch zum zweitmächtigsten Mann Ägyptens gemacht hat.
Gott möchte uns nicht nur von unseren Problemen befreien, sondern uns auch noch seinen Segen erfahren lassen – ein Segen, der viel mehr ist als das, was wir uns in unserem Leid vorstellen können. Ich möchte mich an Gottes Versprechen festhalten:
„Der Gott aber, der euch seine Gnade auf jede erdenkliche Weise erfahren lässt und der euch durch Jesus Christus dazu berufen hat, an seiner ewigen Herrlichkeit teilzuhaben, auch wenn ihr jetzt für eine kurze Zeit leiden müsst – dieser Gott wird euch mit allem versehen, was ihr nötig habt; er wird euch im Glauben stärken, euch Kraft verleihen und eure Füße auf festen Boden stellen.“ (1. Petrus 5,10).
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Ja, danke. Ich habe selten Worte gelesen, die so sehr beschreiben was ich erlebt habe und erlebe. Ich bin sehr berührt davon. Es ist gut wenn Jesus und festhält. Trotz aller Zweifel und allem Unverständnis kann ich an IHM bleiben weil ER mich festhält. Danke
Dieser Artikel ist so gut und tiefgehend. Ich verstehe Gott auch nicht. Kämpfe mit Depression. Und irgendwie halte ich weiter an Gott fest, er ist mein Vater und ich will daran glauben das der Tag kommt, an dem es endlich besser wird.