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© Zan Ilic / unsplash.com

18.12.2007 / Bibel / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Andreas Meißner

Das Zweite Gebot

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen [...].

Die kleine Anna hat sich seit zwei Stunden in ihr Zimmer zurückgezogen. Ihre Mutter wundert sich schon, warum es so still ist, da kommt Anna plötzlich aus dem Zimmer geschossen: „Schau mal, was ich gemalt habe!“, sagt sie mit strahlendem Gesicht. Annas Bild ist ein buntes Durcheinander von Farben und Formen. Neugierig fragt die Mutter nach: „Was hast du denn da gemalt?“ Anna holt tief Luft und sagt feierlich: „Das ist Gott. Aber leider hat er nicht ganz aufs Bild gepasst.“
 

Das zweite Gebot:
Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. (2.Mose 20,4-6 und 5.Mose 5,8-10)

Es ist das zweite Gebot, das verbietet, sich ein Bild oder Bildnis von Gott zu machen. Die kleine Episode der kleinen Anna fasst es ziemlich gut zusammen: Gott kann man nicht in ein einziges Bild oder in ein Schema quetschen. Er ist nicht ausschließlich Dieser oder Jener. Alle Bilder – auch die in unseren Köpfen – würden und werden Gott niemals wirklich gerecht.

Wer ist Gott?

Gott stellt sich im ersten Gebot zuerst als Gott der Liebe und der Rettung vor. Er hatte Israel aus der Sklaverei befreit und erhebt darum den Anspruch, einziger, alleiniger Gott zu sein. Im Götterkult der Ägypter gab es für alles Mögliche Götter mit jeweils eigenen Darstellungen.

Aber Gott ist eine ewige Existenz, ohne Anfang, ohne Ende. Er hat keinen Körper, wie wir ihn uns vorstellen könnten. Schon gar nicht ist er in der Gestalt einer seiner Geschöpfe wiedererkennbar. Gott ist jederzeit überall. Er weiß alles. Er ist allmächtig. Er ist vollkommen und absolut heilig, er ist Liebe, er ist kompromisslos, er ist gerecht, eifernd, zornig, barmherzig, geduldig und gnädig. Das alles – und noch mehr berichtet die Bibel über ihn.

Kann man Gott also darstellen?

Was immer Menschen also anfertigen oder darstellen könnten, würde ihm nicht gerecht werden. Es würde eine Seite, eine Nuance von ihm zeigen. Es geht dabei nicht in erster Linie um eine künstlerische Darstellung, sondern darum, dass ein materielles, sichtbares Bildnis als Ersatz für ihn selber dienen könnte. So geschehen, als das Volk verlangte, einen Gott zu sehen, der von ihnen her gehen sollte und »das Goldene Kalb« anfertigten. (vgl. 2. Mose 32).

Ein sichtbares Bild ist also das eine, was Gott nicht entspricht und deswegen nicht angefertigt werden soll. Es würde den menschlichen Geist von der wahren Existenz Gottes ablenken. Wir Menschen machen uns aber zwangsläufig Vorstellungen – und damit ein Bild – von Gott. Problematisch wird dies, wenn wir Gott auf dieses Bild reduzieren. Das Verbot, uns Bildnisse von Gott zu machen, will uns davor bewahren, dass sich unsere eigenen Vorstellungen zwischen uns und den wahren Gott schieben könnten.

Wie sehen Bildnisse von Gott heute aus? 

  • Manche Leute gehen nicht aus dem Haus, ohne ihren Talisman mitzunehmen. Weil sie so fest auf einen Stein, ein Stück Stoff oder eine Figur vertrauen, nimmt dieser Gegenstand für sie die Stelle Gottes ein.
  • Viele Menschen basteln sich ihren „Patchwork-Glauben“, der aus vielen Stückchen anderer Religionen und Weltanschauungen zusammengemischt wird. Das ist dann ihr Gott. 
  • Wer sagt: „Ich selbst habe alles im Griff und bin mein eigener Maßstab fürs Leben.“, sieht sich sogar selbst als göttlich an. Das Göttliche »ist in uns allen« oder »ist auch in Dir« sind dazugehörige Aussagen. Menschen, die danach leben, wollen durch die unterschiedlichsten Methoden »das Göttliche in sich selbst« herausarbeiten. Eine Verzerrung der eigenen Möglichkeiten und des Selbstbildes werden außerdem mit für wahr gehaltenen Sinnsprüchen auf Gott projiziert: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ 
  • Oder die eigene Vorstellung einer göttlichen Kraft wird personifiziert und ersetzt den wirklichen Schöpfer und Gott. Dabei wird meist eine Seite Gottes wird stark überbetont und als Gesamtbild „verkauft“. 
    Wer streng erzogen wurde und oft kontrolliert wurde, der predigt natürlich einen „Polizistengott“. 
    Oder weil der eigene Vater nicht konsequent in der Erziehung war (oder es gab nicht mal einen Vater), ist dort oben ein schwacher Gott, der Vieles durchgehen lässt und meistens ein Auge zudrückt. 
     

Das richtige Bild? 

Jesus hat einmal gesagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Das ist eine gute Quelle, um ein scharf umrissenes Bild von Gott zu bekommen. In Jesus wurde Gott zum Menschen, um uns mit menschlichen Worten und in menschlichen Umständen etwas von der himmlischen Realität begreifbar zu machen. Wie anders sollten wir auch die Wirklichkeit einer viel-dimensionalen Welt erfassen – oder besser – erahnen können?

Jesus hat diese Aufgabe sehr gut erfüllt. So wie er lebte, transparent und authentisch, zeigte er, wie Gott wirklich ist. Gerade im Johannesevangelium wird viel davon berichtet, was Jesus über die unsichtbare Welt und die Wesenszüge seines Vaters gesagt hat.

Aber auch im Alten Testament, dem ersten Teil der Bibel, bevor Jesus auf die Welt kam, wir immer wieder beschrieben, wie Gott ist. Vor allem die Prophetenbücher sind voll von Darstellungen der Wesenszüge Gottes. Es lohnt sich auch hier, längere Abschnitte am Stück zu lesen.
 

Alle Prophetenbücher auf einen Blick

Die sog. „großen“ Propheten:

Die sog. „kleinen“ Propheten:


Bei all dem lässt sich erkennen, dass die Person selbst viel mehr ist als das beste Bild, das ein Künstler je von ihm machen könnte. Und es lässt sich erahnen, warum es im zweiten Gebot heißt:
Du sollst dir kein Bild machen.“ Die kleine Anna hat schon Recht: Gott würde sowieso nicht richtig drauf passen!

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