
24.07.2013 / International / Lesezeit: ~ 7 min
Autor/-in: Ella FriesenLeben mit starken Prinzipien
José Montas auf der Suche nach Freiheit. Ein Erfahrungsbericht.
„Ich war 23 Jahre alt, als ich aus der Dominikanischen Republik nach Deutschland kam. Mittlerweile ist dieses Land zu meiner Heimat geworden.“ Mehr als zwei Jahrzehnte lebt José Montas inzwischen in Deutschland, doch nicht immer konnte er sich das Leben in diesem Land vorstellen. Gegenüber ERF International erzählte er von seiner Krisenzeit in Deutschland, wie er aus dieser schweren Zeit herausgeführt wurde und wofür er sich heute engagiert.

Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, habe ich nur ein besseres Leben gesucht. In der Dominikanischen Republik, in der ich geboren und aufgewachsen bin, habe ich immer wieder Menschen beobachtet, die erfolgreich aus dem Ausland zurückkamen. Sie konnten sich ein Haus und ein Auto leisten und waren immer gut gekleidet. Das wollte ich auch. Also sagte ich mir: „Wow, ich gehe auch ins Ausland und komme dann erfolgreich zurück.“ Zu Hause fühlte ich mich eingegrenzt von der Strenge meines Vaters. Davon wollte ich mich lösen. Ich wollte frei sein, hingehen, wo ich wollte, und nach meinen eigenen Vorstellungen leben. Dann bot sich durch meine Schwester die Gelegenheit, nach Deutschland zu kommen. Ich verliebte mich sehr schnell in dieses Land und blieb.
Ich genoss mein neues Leben in vollen Zügen: Endlich hatte ich die lang ersehnte Freiheit erreicht. Ich feierte viel in dieser Zeit. Ein Problem ergab sich allerdings: Ich konnte nicht jeden Tag feiern. Ich beobachtete Leute, die Freitag, Samstag und Sonntag feierten und denen es scheinbar nie zu viel wurde. Bei mir sah das anders aus. Das wurmte mich. „Was ist bloß mit mir los? Bin ich zu schwach? Warum klappt das bei mir nicht?“, fragte ich mich. Während ich mich in den ersten Jahren in Deutschland noch sehr bemühte, diese Freiheit zu erleben, war es am Ende die Freiheit, die mich gefangen hielt.
„Ich versank in einem Kreislauf von Alkohol und Drogen“
Irgendwann stellte ich fest, wie ich von einem glücklichen Menschen mit vielen Zielen und Träumen zu einer niedergeschlagenen und depressiven Person geworden war. Nach außen hin setzte ich eine Maske auf: Arbeitskollegen und Bekannten gegenüber sagte ich, dass alles gut ist. Doch in meinem Innern war ich tieftraurig. Mir kamen die Sprüche meines Vaters wieder in den Sinn. Er hatte immer gesagt, ich solle einen klaren, guten Weg gehen und mit Prinzipien leben. Diese Grundsätze waren in meinem Leben nicht vorhanden.
Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen und wurde katholisch erzogen. Jeden Sonntag gingen wir in die Kirche. Doch ich verstand nie, worum es dem Pfarrer im Kern seiner Botschaft ging. Nur drei Sachen blieben mir vom Gottesdienst in Erinnerung: Friedenszuspruch, Kollekte, Abendmahl – und dann ab nach Hause.
Als ich jetzt in Deutschland in diesem depressiven Zustand war und feststellte, dass ich nicht erreiche, was ich mir vorgenommen hatte, wurden meine Probleme immer größer: Ich versank in einem Kreislauf von Alkohol und Drogen. Bei einem Familienbesuch in der Dominikanischen Republik hielt ich mich bei einem Zwischenstopp in einem Hotel auf. Als ich dort in einen Spiegel blickte, erschrak ich. Ich sah traurige Augen. Mein Blick war von tiefer Niedergeschlagenheit und Depression gezeichnet. Ich kam mir selbst fremd vor. In meiner Kindheit hatten meine Augen immer gefunkelt und helle Lebensfreude ausgestrahlt, doch dieser Blick war verschwunden. Das hat mich getroffen.
„Warum versuchst du ein Leben zu leben, das dich unglücklich macht?“
Während ich noch tief betroffen dort stand, spürte ich, dass sich jemand an meine rechte Seite stellte. Plötzlich gaben meine Knie nach, ich fiel auf den Boden und fing an zu weinen. Es war ein Weinen, das tief aus meiner Seele kam. Dann hörte ich eine Stimme: „José, warum versuchst du ein Leben zu leben, das dich unglücklich macht? Wieso willst du unbedingt einen Weg gehen, für den du nicht geschaffen bist – obwohl du nicht damit klar kommst?“ Alles, was ich hervorbrachte, war: „Ich habe nicht gewusst, dass du so echt bist.“ Und das, obwohl ich immer an Gott geglaubt hatte.
Gott machte mir klar, dass ich den guten Weg aus meiner Kindheit verlassen hatte und forderte mich auf, diesem wieder zu folgen. Ich solle keine Angst haben, denn er würde mir dabei helfen. Er forderte mich auf, meinen Weg entschlossen zu gehen, ohne meine Blicke abschweifen zu lassen. Ich spürte, dass das, was da vor mir war, heilig und transparent war, und dass ich mich in meiner Art, in meinem Denken und in meinem Handeln selbst verraten hatte. Ich fühlte mich schlecht und schmutzig.
Als ich wieder aufstand, sagte ich: „Ich gehe den Weg!“ Ich suchte eine Bibel, schlug sie auf – und die Bibel sprach zu mir! Sofort schlug ich das Buch wieder zu, denn das, was ich las, beschrieb meine Situation sehr genau. „Du befindest dich in der Hand deines Feindes. Die Sprüche in deinem Mund haben dich selbst gefangen.“ Ich zweifelte an meinem Verstand. Wieder schlug ich die Bibel auf und merkte, dass ich sie verstehe. Sie redete klar und deutlich zu mir. Das war eine große Entdeckung für mich.
„Mein Ziel war jetzt Gott, und ich war glücklich“
Meine Familie reagierte skeptisch auf meine Veränderung. Ich war immer das Sorgenkind, denn mein bisheriger Lebensstil war nicht in ihrem Sinne. Meine Familie stand meinem leidenschaftlichen Eifer für Gottes Wege eher distanziert gegenüber. Trotzdem war mir schnell klar: Ich gehe nicht zurück nach Deutschland. Wofür denn? Als ich zehn Jahre zuvor ausgereist war, verfolgte ich ein klares Ziel: Erfolg im Leben zu haben. Dieses Ziel hatte ich jetzt nicht mehr. Mein Ziel war jetzt Gott, und ich war glücklich in meiner alten Heimat.
Doch Gott redete nochmals zu mir und bewegte mich dazu, zurück nach Deutschland zu gehen. Doch mit meinen Freunden und Bekannten, vor denen ich den größten Respekt hatte, war es am schwierigsten, über meine Erfahrungen zu reden. Ihre Ablehnung öffnete mir ein Stück weit die Augen. Andere Menschen dagegen reagierten zustimmend auf meine Worte und entschieden sich selbst für ein Leben mit Gott.
Ich stellte schnell fest, dass es vielen anderen Menschen bei ihrer Ankunft in Deutschland ähnlich ging wie mir. Ich dachte damals nicht, dass ich mich darauf vorbereiten müsse, wenn ich ins Ausland gehe. Denn die Leute, die ich zurückkommen sah, waren immer reich. Das ist die Mentalität vieler Menschen. Sie glauben, wenn sie ins Ausland gehen, bekommen sie viel Geld. Das Geld hat einen viel höheren Wert als ihre nationale Währung. Wenn sie es umtauschen, kann nichts schief gehen.
Doch dann kommen sie in der Fremde an und stehen vor Barrieren. Als Erstes ist da die Sprache: Was kann man schon erreichen, wenn man sich nicht verständigen kann? Um mit den Einwohnern zu kommunizieren, muss man zunächst ihre Sprache beherrschen. Ein weiteres Problem ist das System: Es ist von Grund auf anders. In der Dominikanischen Republik beispielsweise öffne ich morgens nach dem Aufstehen als Erstes Türen und Fenster – und die bleiben bis zum Schlafengehen offen. Den ganzen Tag über kommen und gehen die Menschen. Genauso sieht es bei meinen Nachbarn aus, die soziale Kultur ist ganz anders.
„Es gibt Prinzipien, die Menschen zu einem glücklichen und sinnvollen Leben führen“
Wer dann in Deutschland ankommt, stellt schnell fest, dass die Leute hier distanzierter sind. Die Türen sind geschlossen und es herrscht eine viel größere Privatsphäre. Menschen wie ich, die aus einem anderen Land kommen, erleben einen Kulturschock, denn sie sind nicht darauf vorbereitet. Sie stehen auf einmal alleine da und merken, dass sie ihre Träume oder Ziele nicht erreicht haben. Das ist ein großes Problem. Sie fühlen sich weit weg von ihrer Heimat, doch in ihrem enttäuschten Zustand und mit dem Gefühl, versagt zu haben, wollen sie nicht zurück. Sie ziehen sich zurück und resignieren. Viele werden depressiv.
Doch es gibt Prinzipien, die Menschen helfen ein glückliches und sinnvolles Leben zu leben. Jeder braucht diese Grundsätze, denn sie integrieren ihn in die Gesellschaft anstatt ihn auszuschließen. Im Umgang mit anderen sind Hilfsbereitschaft, Respekt und Liebe hilfreich. Auch Tapferkeit und Aufmerksamkeit sind wichtige Grundsätze. Bei der Erziehung sollten diese Prinzipien weitergegeben werden. Mit diesen Werten versuche ich in meinen Radiosendungen, einen Zugang zu Menschen aufzubauen.
Entscheidend bei der Umsetzung ist, sich diese Eigenschaften selbst anzueignen, anstatt zu versuchen, sie dem anderen anzuerziehen. Man kann enttäuscht werden, Probleme haben oder depressiv werden, weil das Gegenüber nicht entsprechend handelt. Doch darum geht es nicht. Wichtig ist, dass man selbst diese Eigenschaften verkörpert. Darum geht es letztlich beim Christsein. Denn nicht was der andere denkt, sondern was ich denke, ist entscheidend für meinen persönlichen Lebensverlauf. Wer sich darauf einlässt, diese Prinzipien selbst zu testen, wird überrascht werden. Denn es entsteht eine ganz neue Grundlage für Beziehungen und gute Freundschaften: Eine Basis, die festen Halt gibt.
Ihr Kommentar