“Glaube ist kein Gefühl”, habe ich mal gelernt, “sondern eine Entscheidung”. Ich finde diesen Satz heute falsch.
Nicht falsch in dem Sinn, dass das Gegenteil richtig wäre. Denn nicht alles, was Menschen fühlen, hat etwas mit Glauben zu tun. Gott ist die Liebe, aber deshalb ist noch lange nicht in allem, was Menschen als Liebe empfinden, Gott drin.
Keine Gefahr, die Gefühle zu wichtig zu nehmen
Aber falsch deshalb, weil er eine unzulässige Verkürzung darstellt. Eine Verengung auf die Ratio, den Verstand, den Willen. Um mit Adrian Warnock zu sprechen: Ich glaube nicht, dass wir in unseren Gemeinden Angst davor haben sollten, wir könnten Gefühlen einen zu großen Stellenwert beimessen.
Natürlich gibt es so etwas wie Gefühlsduselei. Und nur weil mir mal ein Schauer über den Rücken gelaufen ist, heißt das noch nicht, dass morgen die Erweckung ausbricht. Was ich meine, ist etwas anderes: Solche Gefühle, von denen Gott in der Bibel sagt, dass wir sie haben sollen. Und das ist eine ganz große Bandbreite:
• Freut euch an Gott! (Philipper 4,6)
• Hoffe auf Gott! (Psalm 42,12)
• Seid dankbar! (Epheser 5,20)
Mit Verstand erfassen, mit Gefühlen freuen
Als moderne (oder postmoderne) Menschen empfinden wir es als unsinnig oder unverschämt, Gefühle befehlen zu wollen. Wenn ich Freude empfinde, dann freue ich mich - aber doch nicht deshalb weil es jemand anordnet - und sei es Gott selbst! Sind Gefühle nicht etwas, das in uns entsteht als Reaktion auf etwas, das außerhalb unserer selbst zu finden ist? Wie kann man sie dann anordnen? Wie kann Gott Gefühle erwarten?
Jonathan Edwards, einer der großen Theologen des 18. Jahrhunderts, hat zu dieser Frage sinngemäß gesagt: “Gott hat seine Menschen mit zwei Fähigkeiten geschaffen - der Fähigkeit etwas zu wollen (Verstand), und der Fähigkeit sich an etwas zu freuen (Gefühle). Gott offenbart dem Menschen seine Wahrheit durch das verstandesmäßige Lesen der Bibel - aber er offenbart die Herrlichkeit dieser Wahrheit, damit sich der Mensch mit seinen ganzen Gefühlen an ihr freut. Gott wird nicht wirklich dadurch verherrlicht, dass wir die Wahrheit über ihn mit unserem Verstand erfassen, aber uns nicht mit unserem ganzen Gefühlsleben an ihm freuen.”
Verstand MIT Gefühl
Wo die Bibel Aufforderungen enthält, sich zu freuen, zu hoffen, dankbar zu sein - kurz, Gefühle zu zeigen, dann ist genau das damit gemeint: Mensch, lass die Gefühle doch mal in der Bandbreite zu, wie Gott sie in dich hineingelegt hat! Mensch, begegne Gott doch nicht nur mit deinem staubtrockenen Verstand! Ein großer Teil der weltweiten Christenheit hat das übrigens wesentlich stärker verinnerlicht als wir in Deutschland.
Wenn Gott Gefühle will, dann ist nicht eine Aufforderung zur Gefühlsduselei, die etwas vorspielt oder hochputscht, was gar nicht da ist. Sondern seine Einladung an uns, seine Eigenschaften mit unserem Verstand in der Bibel zu erkennen – und ihm gleichzeitig mit der ganzen Bandbreite unserer Gefühle zu begegnen.
Ich glaube wirklich, wir haben das Gott angemessene Maß an Gefühlen der Freunde, Hoffnung und Dankbarkeit in unseren Gemeinden noch nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck gebracht. Wann fangen wir damit an?
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Ihr Kommentar
Kommentare (9)
Shalom! Ein sehr guter Artikel, aktueller denn. In den letzten Monaten bzw. Jahren fiel mir auf, wie lieblos und ruppig besonders bibeltreue Christen sein können. Ich bewarb mich bei einem Hauskreis … mehrund fand dort nichts als Erbsenzählerei. Statt Gottes lebendigem Wort nur Wortklauberei. Auf meine Frage, wie mit Sorgen eines Mitglieds umgegangen wird: Sorgen sind ein Zeichen von Schwäche. Das mag im Kontext fehlenden Gottvertrauens stimmen, aber so kann man den Glauben und die Erlösung durch Christus doch niemandem vermitteln - besonders jenen nicht, die gerade am Anfang in ihrem Weg mit Gott stehen! Es heißt doch in der Bibel, dass Gott die Menschen so sehr liebte, dass er seinen einzigen eingeborenen Sohn für uns gab, damit wir nicht verlorengehen. Und Jesus hat diesen Auftrag aus Liebe zum Vater und zu uns ausgeführt. Diese Form der christlichen Liebe für andere, die wir durch Jesus in uns annehmen und weitergeben dürfen, setzt die Liebe zu sich selbst voraus, wie sie im Gebot der Nächstenliebe festgeschrieben ist. Ich kann andere nicht lieben, wenn ich keinen Zugang zu mir selbst und meinen eigenen Gefühlen habe. Gott ist nicht nur Intellekt, sondern auch Gefühl. Christen, die Jesus wirklich angenommen haben, fallen mir immer durch ihr beseeltes Wesen auf - es ist eine Form von Frieden, Liebe und Dankbarkeit in ihnen zu spüren, die Freude darauf macht, mit ihnen die Ewigkeit zu verbringen - in Gemeinschaft mit unserem Herrn.
Ein liebes Hallo an alle Lesenden,
vielen Dank für den gut zu lesenden Beitrag: Gott will Gefühle. Das sehe ich genauso. Seit 6 Jahren gehe ich dem bei mir auch auf der Spur. Ich habe für mich … mehrfolgendes erkannt. Ich bin ein Gefühlsmensch, das ist von Gott so gewollt. Ich schließe wertvolle Psychologie wie die von Stefanie Stahl nicht mehr aus, sondern heiße sie Willkommen in meinem praktischen Glaubensleben.
Jesus schenkt mir Kraft durch sein System der Werte wie Verbundenheit mit seinem göttlichen Frieden, Jubelkraft (volle Freude) und Fülle im geistlichen Herzen. Wenn ich wie ein Kind meine Erwachsenenthemen auf dieser Grundlage anschauen, stärke ich mich in seiner Liebe also seiner warmen und weichen Zuwendung an meinem Körper(Nervensystem) über meine Atmung (ein Name des Hl. Geistes), an meine Gefühle, die ihre Ursachen aufgrund von Entscheidungen meist in der Kindheit geprägt, geheilt und gesehen und die göttlichen Möglichkeiten zu fühlen und seinem guten, wohlwollenden Plan für mich und mein Hier und Jetzt. Das schenkt mir persönlich Kraft: Loslassen und als geliebtes Kind Gottes, ich selbst zu sein mit meinen Stärken, Schwächen und Fehlern, das ist für mich wahre gelebte Größe. In dieser Größe meines Seins in Verbindung mit Gott, darf ich herrlich wachsen in der göttlichen Liebe. Das will die Welt sehen zu recht.
Ihren Text über Gefühle im Blick auf die Bibel finde ich sehr gut.
Im Glauben und in der Hingabe an Gott fühle ich seine Nähe.
und seinen Schutz.
Manchmal berührt er Menschen mit seiner Liebe mit … mehrseinem Licht,
Vor allem schenkt Gott Frieden und damit einen Glauben besonderer Art.
Der Glaube an Gott rührt die Sinne und Gefühle tiefgreifend an.
Wie kann ich denn sagen: Gott liebt mich?
Und leugne es fühlen zu können.
Wenn Gott mich berührt, lagen die Gefühle noch nie Falsch.
Ich kann nicht verstehen warum Christen am liebsten das Gefühl als solches aus der Bibel verbannen wollen? Für mich ist die ganze Bibel ein Gefühlsbuch
Sind wir denn starr im Wort?
Ein liebes Hallo, vielen Dank für Ihre gesunde Einschätzung zum Thema Gefühle. Ich teile Ihre Ansicht. Seine eigenen Gefühle zu managen, ist ja bekanntlich der Weg zu einem erfolgreichen Leben. Ich … mehrkenne sehr viele depressive und neutrale Christen. Christen, die mir Selbstliebe fühlend erklären können gibt es nur wenige, obwohl wir uns mit Agape lieben dürfen. Für mich gibt es auch erst dann wirkliches Mitgefühl, wenn ich gelernt habe, meine eigenen Gefühle zu kennen, sogar mit Namen, was etwas Zeit braucht.
Liebe Grüße
Marita S.
Das Bild mit den 2 hüpfenden Kiddies ist super (der ganze Artikel natürlich auch!). Könnte man das irgendwie herunterladen oder bei Ihnen bestellen. Ich würde es im Großformat für den Schaukasten verwenden. Danke für Ihre Antwort.
Shalom,
Ausgewogenheit - genau!!!
Ich denke die Vergangneheit zeigt, dass die Gefahr viel größer ist durch Gefühlsduselei vom Pferd zu fallen. Himmelhochjauchzend - zuTodebetrübt.
Gefühle drohen … mehregozentrisch zu sein statt wie löhr bemerkt selbstlos wie die Frucht des Heiligen geistes Ga.5,22; Liebe, Freude, Friede... alles auch Gefühle, aber begründet im "extra nos" des Glaubens.
Liebe Brüder und Schwester,
hier tritt schon unser erstes Gefühl auf. Die Nähe des Anderen, aus dem Christlichen heraus.
Gefühl soll offen sein und nicht oberflächlich.
Aus dem Herzen heraus, damit … mehrbegegne ich Gott. Es kann nur wachsen, wenn ich selbstlos reagiere, ohne einen Anspruch auf eine Antwort.
Selbstlos
Wenn ich selbstlos bin - ohne irgendwelche Ansprüche- gebe ich mein Herz zum Pfand ab.
Ich bekomme es zurück - wie zeigt es sich?-doch nur, wenn wir eine selbstlose Antwort bekommen.
Weder als Pflicht, noch als Forderung, sondern als Freiheit.
Ich schenke etwas und benötige keine materielle Wiedergabe.
Ein Geschenk, ist der Guten Morgen und der guten Abend Gruß-
mit Gefühl und ohne Anspruch auf
Erfüllung.
Und hier findet sich das Wort -RESPEKT-
Respekt vor dem Anderen-Schwester und Brüder aus der Schöpfung heraus.
Im NT war dieser rote Faden erkennbar, Jesus als Mensch als Mensch mit Mitgefühl.
Gefühl stellt immer einen Anspruch an uns selbst, wir sind nicht wichtig.
Das gegenüber wird mit Respekt begegnet und es schafft uns etwas Distanz.
Gleichzeitig eine offene Achtung vor dem Anderen.
Das ist Gefühl.
Mit Gottes Segen
W.L.
Noch ein Artikel, der offene Türen eintritt. Wir müssen fast jeden Sonntag "Heio" oder "Ich möchte tanzen, auch wenn es töricht erscheint" oder "In deinem liebendem Arm" singen. Anspruchsvolle … mehrBibelkurse finden kaum Zuspruch, weil sie anstrengend sind und "kein gutes Bauchgefühl" machen. Und dann wundert man sich, dass Männer der Kirche fernbleiben. Ich halte es mit Kurt Scherer, der nicht müde wird, gerade auch im Medium ERF auf die Tatsache zu verweisen, dass es die GEDANKEN sind, die Macht über unser Gefühlsleben ausüben. Denkt an den Verheißungen Gottes orientiert und eure Gefühle werden nachziehen. Das habe ich erprobt und für richtig befunden.
Danke für diesen guten, ausgewogenen Gedankenanstoß. Viel zu oft finden wir rein verstandesmäßiges Christentum einerseits und gefühlsduseliges Christentum auf der anderen Seite. Die Ausgewogenheit fehlt oft. Verstand und Gefühl gehören zusammen.