Singles werden in Gemeinden meistens nicht gleich stark wahr genommen wie Paare und Familien. Das empfinden viele alleinstehende Männer und Frauen als Manko. Dabei ist es für Familien und Alleinstehende nicht schwer, aufeinander zuzugehen. Davon ist Ingerose Finkbeiner überzeugt - und sie ist immerhin schon fünfzehn Jahren ehrenamtlich in der Singlearbeit tätig. ERF.de hat bei ihr nachgefragt, wie Singles und Familien das (Gemeinde-) Leben miteinander teilen können.
ERF.de: Sie haben zusammen mit anderen Verantwortlichen der Liebenzeller Mission eine Singlearbeit aufgebaut. Wie ist es dazu gekommen?
Ingerose Finkbeiner: 1989 hat meine langjährige Kollegin Rosemarie Baier begonnen, Veranstaltungen für Singles durchzuführen: Freizeiten für Singles und einzelne Single-Tage. Auf einer Single-Freizeit 1995 entstand der Gedanke, ein kleines Team ins Leben zu rufen, das überlegt, welche Bedürfnisse Singles haben und wie man sie unterstützen könnte. Wir hatten eine lange Liste zusammengetragen, bei der es u. a. um folgende Bereiche ging: Freizeit- und Urlaubsgestaltung, Austauschpartner, Krankheitszeiten und Versorgung im Alter. Wir packten dann den Bereich an, der uns am einfachsten umzusetzen erschien und starteten zunächst mit Freizeitangeboten an vier bis sechs Sonntagen im Jahr. Bald merkten wir, dass es gut wäre, einen regelmäßigen Single-Treff anzubieten, damit die Beziehungen und Freundschaften auch wachsen können.
Was ist dann aus dieser Idee eines regelmäßigen Single-Treffs geworden?
1998 starteten wir mit dem Single-Bistro. Inzwischen treffen sich an jedem ersten Freitag im Monat zwischen 40 und 70 Singles im Alter von 30 bis 60 Jahren im Missions- und Schulungszentrum der Liebenzeller Mission in Bad Liebenzell. Es gibt viel Zeit zum Reden in einer gemütlichen Atmosphäre. Man kann Freunde gewinnen und wiedersehen. Jeder kann kommen, für Bewirtung ist gesorgt. Zwischendurch gibt es einen Vortrag zu einem interessanten Thema. Die Themen sollen die Teilnehmer ermutigen, aber auch herausfordern, ihr Leben in die Hand zu nehmen und aktiv zu gestalten.
Nur die Ehe macht den Menschen glücklich?
Gemeindearbeit konzentriert sich oft stärker auf Familien und Ehepaare als auf Alleinstehende. Welche Bedürfnisse und Wünsche hat ein Single im Bezug auf das Gemeindeleben?
Ich denke, dass es wichtig ist, dass Singles überhaupt wahrgenommen werden. Das kann durch Kleinigkeiten geschehen, indem man vielleicht nachfragt, wie ein Single mit dem einen oder anderen Problem alleine zurechtkommt oder indem man Hilfe anbietet beim Autokauf, beim Umzug o. ä. Singles sollten auch nicht das Gefühl bekommen, dass sie nicht vollwertig sind, nur weil sie keinen Partner haben. Dies passiert leicht, weil in vielen Gemeinden die Ehe als die einzig wahre Lebensform gepriesen wird, nach dem Motto „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Umgekehrt fühlen Singles sich eher wohl in den Gemeindekreisen, wenn es nicht nur um Familienthemen, sondern auch um den Beruf oder andere Lebens- und Weltthemen geht.
Bei welchen dieser Anliegen empfinden Singles es als besonders problematisch, wenn sie kaum wahrgenommen werden?
Hochzeiten können für Singles schmerzhaft sein, weil sie an diesem Tag ganz besonders das Gefühl haben, leer ausgegangen zu sein. Viele sehnen sich mit jeder Faser ihres Herzens nach Zweisamkeit. Manche Single-Frau schmerzt es auch, wenn in der Gemeinde der Muttertag gefeiert wird. Viele Singles leider darunter, dass sie keine eigenen Kinder haben. Das gilt auch für kinderlose Ehepaare. Hier könnte der Pastor kurz auf die Situation der Singles eingehen. Das könnte auch helfen, dass manche Familien sensibler mit Singles umgehen würden.
Wie kann ein Paar, das heiratet oder eine Mutter mit einem Single über Freud und Leid ihrer Lebenssituation sprechen, ohne dass es für den Single frustrierend ist?
Natürlich ist das „Zu-kurz-gekommen-sein“ bei vielen Singles der schmerzlichste Punkt. Je nachdem, in welchem Stadium des Bewältigens die Person gerade ist, wird sie offen für ein Gespräch sein oder nicht. Manchmal ist es gut, wenn man die eigene Situation nicht nur rosarot schildert, sondern ehrlich auch über die Schattenseiten spricht.
Als geistliche Großfamilie unterwegs
Was bewegt Singles? Was wünschen sie sich von verheirateten Freunden und ihren Gemeinden? Wenn Sie auf diese Fragen keine Antwort haben, hilft das Buch "Sehnsucht und der ganze Rest" weiter. Bild: Brendow Verlag |
Welche Schritte können die Verantwortlichen einer Gemeinde, aber auch Familien und Paare gehen, um Alleinstehenden zu zeigen: Wir brauchen Euch und ihr seid uns wichtig?
Schön wäre, wenn Begegnungsmöglichkeiten zwischen Singles, Ehepaaren und Familien gefördert würden. Es reicht nicht aus, Singlegruppen in der Gemeinde zu gründen. Ich meine sogar, dass diese nach einiger Zeit den Charakter einer Selbsthilfegruppe annehmen. Oft entstehen Cliquen, in die dann ein neuer Single nicht mehr hineinfindet.
Die bessere Möglichkeit erscheint mir, Singles in bestehende Gemeindegruppen zu integrieren. Das wird dann gelingen, wenn sie sich an- und ernstgenommen fühlen. Es sollten vielleicht weniger programmorientierte Veranstaltungen angeboten werden und stattdessen mehr geschlechts- und altersgemischte Kleingruppen, offene Häuser. Also alle Aktionen fördern, die darauf zielen, „geistliche Großfamilie“ zu sein.
In der Gemeinde sollte Mut gemacht werden, dass Familien auch mal Singles zu sich einladen und etwas Familienwärme abgeben. Es tut Singles gut, wenn jemand an ihrem Ergehen Anteil nimmt. Sie sollten allerdings nicht nur als Babysitter angefragt werden oder nur mit den Erziehungsproblemen der Kinder konfrontiert werden. Bei Gemeindefesten kann darauf geachtet werden, dass es ungerade Sitzmöglichkeiten an Tischen gibt, damit ein Single sich zu Ehepaaren setzen kann, ohne dass der Stuhl neben ihm leer bleibt.
Dass Gemeinden stärker auf Singles und ihre Wünsche achten sollten, ist das eine. Wie können Singles innerhalb einer Gemeinde oder Region selbst aktiv werden?
Singles sollten sich nicht genieren, in der Gemeinde ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Nur wenn das Verständnis füreinander wächst, wird sich langfristig auch etwas ändern. Es hilft nicht, immer nur das Alleinsein zu beklagen. Es ist wichtig, auf andere zuzugehen, sie einzuladen oder mit ihnen eine gemeinsame Unternehmung auszumachen. Das klappt sicherlich nicht auf Anhieb und setzt etwas Beharrlichkeit voraus. Ob sich Singles innerhalb einer Gemeinde organisieren sollten, weiß ich nicht. Überregionale Singletreffs finde ich sinnvoller. Hier besteht die Möglichkeit, Singles (und evtl. einen Ehepartner) aus anderen Gemeinden kennenzulernen.
Manche Singles müssen auch aus der Reserve gelockt werden. Sie haben ja meistens niemand, der ihnen den Rücken stärkt oder sie motiviert. Deshalb wäre es schön, wenn sie für die eine oder andere Aufgabe konkret gefragt würden. Es sollte allerdings nicht unter dem Vorzeichen „Du hast ja Zeit“ geschehen.
Gesucht: Engagierte Single-Männer!
Singlearbeit in Gemeinden scheint eher ein Frauenthema zu sein. Gehen Männer anders damit um, dass sie alleinstehend sind?
Männer sind anders als Frauen. Single-Männer sind entweder sehr im Beruf engagiert und auch sonst aktiv und haben deshalb wenig Zeit, sich in der Gemeinde zu engagieren. Andere Single-Männer sind das genaue Gegenteil. Sie sind Nesthocker und machen wenig aus sich. In Finnland sagte mir vor einigen Jahren eine Verantwortliche für Single-Arbeit: „Leider haben wir keine Männer in einer Leitungsfunktion und wenn sich mal einer vor das Mikrophon traut, ist er bestimmt nicht mehr lange Single“. Diese Erfahrung kann ich voll bestätigen.
Ist Singlearbeit in christlichen Gemeinden dann primär ein Frauenthema?
Bis auf wenige Ausnahmen wahrscheinlich ja. Ich möchte noch erwähnen, dass in unser Single-Bistro meistens mindestens 50 % Männer kommen, manchmal sogar noch mehr. Also diese Veranstaltung ist überhaupt nicht von Frauen dominiert. Es ergreifen aber nur wenige die Initiative und stellen selbst etwas auf die Beine. Das große Problem ist, dass die Männer und Frauen ab einem gewissen Alter nicht mehr zusammenpassen. Ich kann es mir nur so erklären, dass die Frauen häufig im Beruf Karriere machen und ihren Mann stehen, wobei viele Männer nichts aus sich machen, im Hotel Mama wohnen bleiben. Da müssten eigentlich die Gemeindeleiter frühzeitig anfangen und in die jungen Männer investieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: privat; harrykeely/ sxc.hu
Bild: Privat, Ingerose Finkbeiner |
Ingerose Finkbeiner ist Jahrgang 1953 und wohnhaft in Calw. Seit 1993 arbeitet sie als Direktionssekretärin bei der Liebenzeller Mission. In der Singlearbeit engagiert sie sich weitgehend ehrenamtlich. Ihre Motivation für die Singlearbeit ist es, den Singles vorzuleben und zu sagen: „’Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche.’ (D. Bonhoeffer) Wenn eine Person ihr Single sein zu akzeptieren gelernt hat, wird sie fröhlicher und entspannter durchs Leben gehen.“
Das Single-Bistro und einzelne Veranstaltungen wie Wandertag, Wochenendseminare usw. laufen unter dem Dach der Liebenzeller Mission. Es besteht eine Kooperation mit folgenden Gemeinschaftsverbänden: Liebenzeller Gemeinschaftsverband, Süddeutscher Gemeinschaftsverband und Altpietistischer Gemeinschaftsverband. Gemeinsam wird drei Mal im Jahr die Single-Mail herausgegeben. Im Rahmen dieser Kooperation findet vom 30.9. - 3.10.2011 auch wieder ein Single-Kongress statt. Mehr Informationen finden Sie unter liebenzell.org/singles.
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Ihr Kommentar
Kommentare (6)
Nun bedauernswert war ich als jetziger Single, wo ich "christlich tot" 13 Jahren in meiner damaligen Ehe ohne Gott lebte (leider). Zudem habe ich durch Christus seit meiner Umkehr; nach dieser Ehe … mehrwar das dann; schon einigen Menschen geholfen als ich das so zugelassen habe. Diese Menschen wären mir natürlich vorher nie aufgefallen. Ich hätte selbst in einer guten Ehe als Christ, für mindestens 2 größere Dinge nie die notwendige Zeit gehabt.
Dann hätte ich auch nie mein jetziges Hobby die Malerei entdeckt und vieles andere mehr. Natürlich gibt es Menschen die manches auch in ihrer Ehe nebenbei ähnlich so könn(t)-en. Wir haben nun einmal aber nicht alle den gleichen Charakter. Ich finde es gibt auch immer Zeiten im Leben, die müssen so sein und nicht anders. Habe ich dann endlich bemerkt, das es alles einen Sinn haben soll, so bin ich in gewisser Hinsicht etwas weiser geworden. Als Single sollte man aber auf jeden Fall die Gemeinde(n) so oft wie nötig besuchen und auch andere Dinge entdecken. Dieses krampfhafte Partner suchen halte ich aber für zwecklos und zudem "am Ziel vorbei" orientiert. Haben wir denn im Himmel Ehepartner? Nee doch. Wer seinen Ehepartner dann als Ersatz für Gott hat, der hat auch irgendwann einmal wohl ein sehr großes Problem. Alle Menschen werden ja gleich gerichtet später. Das ist dann auch gewiss ganz sicher.
Anna hat nicht ganz unrecht, wenn sie sagt: Singles werden gerne von Eheleute und Kirchgemeinden missbraucht: Du hast doch eh nichts zu tun, putz doch mal die Kirche, sei doch mal Ersatzmutter.
Das … mehrSchlimme ist nur, egal wieviel frau für die Kinder der anderen tut, steht sie 'zum Dank' im GoDi am Muttertag abseits. Wo steht in der Bibel, dass der Muttertag ein christlicher Feiertag ist? Nirgends.
Ich gehe am Muttertag jedenfalls nicht mehr in die Kirche.
Meine Freundin lebt auch allein.Aber wir dürfen dankbar sein,sie zu kennen.
Sie hat uns schon oft geholfen,Probleme zu lösen.
Ich denke oft an die früheren Diakonissen.Es gibt doch gerade in … mehrFamilien und bei Paaren immer wieder mal Zeiten,wo sie,trotz dem sie zu zweit sind,den Berg an Sorgen nicht allein schultern können.Wie gut,
wenn dann jemand dasein kann zum Mittragen.
Auch das ist heute noch wichtig.Schalom !D.Isserstedt
Interessanter Artikel. Es ist wie in vielen anderen Lebensbereichen auch. Wir kennen das, was wir leben. Leider setzen wir auch das immer als Normalität. Das es da sehr viele Unterschiede gibt, ist … mehrdoch klar. Nichts ist zu verallgemeinern. Für jeden zeigt sich die Situation anders. Jede/r lebt sie anders. Einen offenen Blick für die unterschiedlichen Situationen zu bekommen finde ich wichtig. Ihr Artikel, ebenso wie die ganze Reihe, hilft dabei.
Natürlich ist das „Zu-kurz-gekommen-sein“ bei vielen Singles der schmerzlichste Punkt.
Menschen, die aus welchen Gründen auch immer allein leben sind keine Bedauerswürdigen … mehrGeschöpfe.
Sie müssen lernen ICH zu sagen. Oft sind sie einfühlsamer als Eheleute, weil sie die Schatten des Lebens immer wieder kennenlernen müssen und sie oft allein durchschreiten müssen.
Singels werden gerne von Eheleute und Kirchgemeinden missbraucht: Du hast doch eh nichts zu tun, putz doch mal die Kirche, sei doch mal Ersatzmutter.
Nur Ersatzgattin sollten sie lieber nicht sein :-)
"viele Männer nichts aus sich machen, im Hotel Mama wohnen bleiben"
Da haben wir es wieder, diese unsägliche, toxische Ideologie von fleissigen Frauen und faulen Männern. Na dann Männer, lass uns mal endlich schön auschlafen und die Müllabfuhr Frauen überlassen ;-)
mfg
Farkas