
22.01.2010 / Andacht / Lesezeit: ~ 2 min
Autor/-in: Hanna KellerDer kleine Pharisäer in mir
Nach außen hin scheint bei vielen alles in Ordnung zu sein. Die Frage ist: Wie sieht es hinter der Fassade aus?
Es war in der Pause zwischen zwei Vorlesungen. Mein Studienkollege kritzelte auf seinem Block herum und wir kamen ins Gespräch. Im Spaß meinte er irgendwann beiläufig: „Wenn ich mal groß bin, schreibe ich ein Buch mit dem Titel ‚Der kleine Pharisäer in mir’.“ Das verblüffte mich total: Gerade dieser Mitstudent wirkte auf mich überhaupt nicht pharisäerhaft.
Von mir selbst kenne ich das eher. Nehmen wir das Stichwort Barmherzigkeit. Da ich relativ leistungsstark und gesund bin, kann ich meine Pläne meistens so durchziehen, wie ich es mir gedacht habe. Menschen, die das nicht so auf die Reihe bekommen, unterstelle ich schnell, dass sie unfähig sind, sich richtig zu organisieren. Die sollen sich bitte schön mal ein bisschen mehr anstrengen! Von Barmherzigkeit keine Spur.
Außen hui, innen pfui
Was bringt es, wenn ich äußerlich funktioniere, aber andere Menschen verurteile, weil sie nicht so leistungsstark sind? Oberflächlich gesehen mag dann zwar alles in Ordnung sein, aber innerlich vereinsame ich und lebe nicht so, wie Gott es von mir möchte. Das hat Jesus schon seinen Zeitgenossen ziemlich deutlich gesagt:
Wehe euch Gesetzeslehrern und Pharisäern! Ihr Scheinheiligen! Ihr gebt Gott den Zehnten Teil von allem, sogar noch von Gewürzen wie Minze, Dill und Kümmel; aber um das Wichtigste an seinem Gesetz, um Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue, darum kümmert ihr euch nicht. Dies solltet ihr tun, ohne das andere zu lassen! (Matthäus 23,23).
Dieser Bibelvers erinnert mich daran, dass es Wichtigeres gibt, als eine perfekte Fassade. Ich empfinde das nicht als Vorwurf, sondern als heilsam. Jesus hat ja nicht deswegen Klartext mit den Pharisäern gesprochen, weil er sie fertigmachen wollte. Er wollte ihnen zeigen, dass sie so nicht weitermachen können, wenn sie zu Gottes neuer Welt dazu gehören wollen.
Anders werden
Ich bin froh, dass Jesus mir den Spiegel seiner Worte genau so vorhält, wie er es bei den Pharisäern gemacht hat. Er hat weder die Pharisäer im Alten Israel abgeschrieben, noch den kleinen Pharisäer, der in mir sein Unwesen treibt. Sein Ziel ist es, dass ich mir und ihm offen eingestehe, dass vieles in mir nicht so ist, wie es sein sollte.
Wenn das passiert ist, ist der nächste Schritt dran: Ich kann Jesus bitten, dass er mir mein unbarmherziges Verhalten vergibt und mir hilft, anders zu werden. Dieser Veränderungsprozess ist nicht einfach. Aber ich weiß, dass ich immer wieder neu um Vergebung und Hilfe bitten kann.
Das Gespräch mit meinem Mitstudent war ein Impuls, der mir geholfen hat, diese Schritte zu gehen. Ich dachte mir: Wenn selbst er mit einem solchen Verhalten zu kämpfen hat, dann brauche ich nicht mehr so zu tun, als ob bei mir alles in Ordnung ist.
Vielleicht sollten wir uns öfter darüber unterhalten, welche Bücher wir mal schreiben wollen, wenn wir endlich groß sind…
Ihr Kommentar
Kommentare (6)
Hallo Katrin,
meine Gedanken sollten nur eine Anregung sein, Sprichwörter und Bilder zu überdenken. Du schreibst, Christen dürfen sich selbst auf die Schippe nehmen: Dieses Bild zeigt einen Juden mit … mehrGebetsschal und bedient mit dem einseitigen Bild des Pharisäers ein Klischee! Welches Bild haben wir von gläubigen Juden? König David singt z.B. im Ps 103 von der Barmherzigkeit Gottes: "Er handelt nicht nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten" (Vers 10+11) Jesus hatte auch Freunde unter den Pharisäern. Diese waren sicher nicht in erster Linie scheinheilig. "Was wir von den P. lernen können, ist ihr Bestreben, den Willen Gottes immer wieder neu zu aktualisieren, ihe Wachsamkeit gegenüber fremdartigen Einflüssen auf das alltägliche Leben und ihr entsprechender Gehorsam gegenüber den Geboten in allen Lebensbereichen" (Grünzweig et.al., 1982, Biblisches Wörterbuch. Brockhaus, S.282)
Jesus hat mit den P. diskutiert und sie in Liebe zu überzeugen versucht. "Wir sind frei in Jesus" - ja, das ist wahr und lässt aufatmen!
Viele liebe Grüße, Stephanie
Liebe Hanna Keller,
Ich fand Ihre Ausführung sehr ehrlich. Wie oft habe ich mich dabei ertappt zu urteilen. Wenn ich meinen HERRN Jesus Christus nicht hätte, der mir immer wieder sagt, wie ich mich … mehrzu verhalten habe ( Bergpredigt) oder Jakobus im Jakobusbrief, für mich die kleine Bibel , würde ich oft gar nicht wissen, dass ich mich pharisäisch verhalte. Ich danke Gott für Seine Prüfungen, die ER mir schenkt und ich bitte den Heiligen Geist, dass ich diese Prüfungen erkenne um mich zu verändern. Zu meinem Glauben gehört auch die Demut diesen Glauben auch so zu leben wie Gott es für mich vorgesehen hat.Leider laufe ich oft vor meinem HERRN anstatt IHM zu folgen und ich danke Gott Vater, dass ER mich liebt und mir vergibt und mir bei meiner Veränderung hilft.
Lieben Gruß
G. Baer
Ich finde das Bild einfach nur lustig ! Chtisten dürfen auch Humor haben und sich serlbst auf die Schippe nehmen.
Man muss Stephanie´s Ansicht nicht da hinein interpretieren.
Wir sind frei in Jesus !
Ich finde das Bild überhaupt nicht falsch gewählt. Die Gefahr ist immer da, dass man sich über andere erhebt und unbarmherzig und verurteilend wird. Das war auch das Problem der führenden Juden zu … mehrJesu Zeit, die sich über das einfache Volk erhoben hatten, mit dem Anspruch, Gottes Maßstäben, durch strenge Einhaltung der Gesetze, zu genügen. Wir sollten nie vergessen, dass wir als armselige Sünder, ständig von der barmherzigen Vergebung Gottes leben, dann werden wir nicht unbarmherzig mit anderen umgehen!
Liebe Hanna,
ein erfrischendes und aufrichtiges Statement! Ich denke, Du hast eine essentielle Erkenntnis für Deinen christlichen Wandel gewonnen. Ermahnung ist nicht immer angenehm, aber so wichtig, … mehrum zu dem zu werden, was Christus in uns beabsichtigt. Ein Schlüssel steckt in 1 Kor 11:28 und Heb 4:12.
Viele Grüsse, Chris
Hallo,
die Gedanken finde ich sehr gut. Was wir aber auch überdenken sollten ist, dass dieses Sprichwort und leider auch das Foto, ja, ich möchte nicht übertreiben, aber für mich schon an der Grenze … mehrzum Antijüdischen steht bzw. leicht überschreitet! Für mich ist das Foto unglücklich gewählt, weil es diese Vorurteile untermalt.
Vom Inhalt her trotzdem ein nachdenkenswerter Beitrag!
Viele Grüße
Stephanie Vogel