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© Raymart Arniño / unsplash.com

09.01.2023 / Aktuelles / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König

Paragraf 218 – bald Geschichte?

Bundesfamilienministerin: Abtreibungsparagraf streichen.


Wird Abtreibung bald legal sein in Deutschland? So will es zumindest Grünen-Bundesfamilienministerin Lisa Paus. In der vergangenen Woche sprach sie sich aus für eine Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, FDP und Grüne darauf geeinigt, die derzeitige gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch auf den Prüfstand zu stellen. Jährlich werden in Deutschland fast 100.000 Kinder abgetrieben. Über den Stand der Debatte zum Abtreibungsrecht und über die Gesetzeslage sprechen ERF-Moderatorin Ute Heuser Ludwig und Regina König.
 

ERF: Regina, in aller Kürze: wie regelt zurzeit der Paragraf 218 den Schwangerschaftsabbruch?

Regina König: Grundsätzlich gilt nach heutigem Recht: Abtreibung ist verboten. Nur unter bestimmten Bedingungen bleibt sie straffrei. Diese Bedingungen regelt der Paragraf 218. So bleibt Abtreibung z.B. straffrei, wenn die werdende Mutter sich in einer Not- und Konfliktlage befindet. Das Kind darf in diesem Fall aber nur abgetrieben werden, wenn die Schwangere zuvor eine Beratung in Anspruch nimmt. Außerdem muss der Abbruch in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft erfolgen. Straffrei bleibt die Abreibung z.B. auch, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist.


ERF: Was will die Bundesregierung ändern?

Regina König: Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, eine Kommission einzurichten, die prüfen soll, ob, so wörtlich, „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ möglich sind. Diese Kommission gibt es bisher noch nicht, doch Abgeordnete von FDP und Grünen drängen Gesundheitsminister Lauterbach, sie noch zu Beginn dieses Jahres auf den Weg zu bringen.
 

Abtreibung – bald Teil der Gesundheitsvorsorge?

ERF: Warum fällt diese Frage in das Ressort des Gesundheitsministers?

Regina König: Weil u.a. die Kommission zu prüfen hat, ob Abtreibung zu einem regulären Teil der Gesundheitsvorsorge werden soll.


ERF: Nun hat die Bundesfamilienministerin noch vor dem Start der Kommission ihre Position öffentlich gemacht. Sie will, dass Abtreibung straffrei wird. Wie begründet sie ihre Position?

Regina König: Mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte sie: "Wer anders als die Schwangeren selbst sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können? Wer anders als die Frauen selbst sollte darüber entscheiden, wann und in welchen Abständen sie Kinder bekommen?“ So die Bundesfamilienministerin.
 

SPD und Grüne: Abtreibung raus aus Strafgesetzbuch

ERF: Wie weit sind die Koalitions-Parteien in diesem Punkt voneinander entfernt?

Regina König: SPD und Grüne wollen den Schwangerschaftsabbruch raus haben aus dem Strafgesetzbuch, so haben sie es in ihren Wahl­programmen angekündigt. Die FDP hat Bedenken: sie sieht im Paragrafen 218 das Ergebnis einer langen gesell­schaft­lichen Diskussion und will ihn deshalb nicht antasten. FDP-Justizminister Buschmann äußert auch verfassungsrechtliche Bedenken; denn auch das ungeborene Leben ist nicht rechtlos.
 

ERF: Wie viele Abreibungen werden in Deutschland überhaupt vorgenommen?

Regina König: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2021 94.596 Schwangerschaftsabbrüche. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Abtreibungen gesunken, doch 2022 stieg sie deutlich an, im dritten Quartal um 16,7 Prozent. Die Gesamtzahl für das zurückliegende Jahr liegt allerdings noch nicht vor.
 

EKD will mitwirken bei Experten-Kommission

ERF: Was halten die Kirchen von einer Reform des Abtreibungsparagrafen?

Regina König: Die EKD hat gegenüber der Bundesregierung schon vor Monaten deutlich gemacht, dass sie beteiligt werden möchte an der Expertenkommission, die über die Abschaffung des Paragrafen beraten wird. Dabei gehe es der EKD um eine Balance von Lebensschutz und Selbstbestimmung, das sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs.

Das Online-Portal katholisch.de meldete nach dem Vorstoß der Bundesfamilienministerin, viele in der Kirche fürchteten nun, die FDP könne einknicken und der Streichung des Paragrafen 218 zustimmen.


ERF: Wie es weitergeht mit einer möglichen Streichung des Paragrafen 218 - wir bleiben dran. Vielen Dank, Regina, für die Fakten, die du zusammengetragen hast.
 

 Regina König

Regina König

  |  Reporterin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

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