Navigation überspringen
© Krakenimages / unsplash.com

06.12.2022 / Kollegentalk / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katja Völkl

Nikolaus von Myra ohrfeigt Kontrahenten

Doch kein freundlicher Mann mit weißem Bart und Zipfelmütze?


Es ist nur eine von vielen Legenden über den Nikolaus: Er schiebt Kindern etwas in die Schuhe. Eine andere Geschichte über ihn hat mit einem Tintenfass zu tun… Katja Völkl von der Aktuell-Redaktion hat sich genauer damit befasst und ist sogar bis zu dem Ort gereist, an dem der „echte“ Nikolaus gelebt hat.
 

Nikolaus verhängt drastische Strafen

ERF: Was hat denn der Nikolaus mit einem Tintenfass zu tun?

Das bezieht sich auf die Geschichte vom Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann. In der Geschichte von den schwarzen Buben tritt der Nikolaus als Erziehungsinstanz auf.
 

ERF: Erziehung mit einem Tintenfass?

Genau. Es beginnt alles damit, dass ein „kohlpechrabenschwarzer Mohr“ spazieren geht. Die drei Jungs Ludwig, Kaspar und Wilhelm lachen den „Mohren“ aus, weil sie finden, dass er so schwarz wie Tinte ist. Und jetzt kommt der Nikolas mit seinem Tintenfass ins Spiel: Er ermahnt die Jungen, dass sie den „Mohren“ nicht auslachen sollen. Doch die Jungs hören nicht auf ihn und lachen nur noch mehr.

Daraufhin packt Nikolas sie und steckt sie in sein großes Tintenfass. Danach sind sie „viel schwärzer als das Mohrenkind“. Direkt im Anschluss kommt dann auch die Moral von der Geschichte: „Und hätten sie nicht so gelacht, hätt‘ Niklas sie nicht schwarz gemacht.“
 

ERF: Gibt es auch eine Interpretation dazu?

Ja, es wird vermutet, dass die Darstellung von Nikolas mit Bart eine Stichelei gegen den russischen Zaren Nikolaus I. und die Textschwärzungen der russischen Zensur in importierten Büchern ist. Darüber hinaus hat Hoffmann mit seiner Nikolaus-Darstellung die späteren Vorstellungen vom Nikolaus mitbestimmt: Zipfelmütze, weißer Bart und roter Mantel.
 

Faktencheck zu Nikolaus von Myra: „Er wurde auch schon einmal handgreiflich“

ERF: Was weiß man denn über den „echten“ Nikolaus?

Laut Überlieferung wurde Nikolaus zwischen 270 und 286 in Patara geboren. Das liegt in der heutigen Türkei. Er wurde von seinem Onkel, dem Bischof Nikolaus von Myra, zum Priester geweiht, als er 19 Jahre alt war.

Nikolaus wurde zunächst als Abt im Kloster von Sion eingesetzt, später dann als Bischof in Myra. Im Jahr 325 soll er am ersten ökumenischen Konzil der Kirchengeschichte, dem Konzil von Nizäa teilgenommen haben. Und dort soll Nikolaus sogar handgreiflich geworden sein.
 

ERF: Warum das?

Bei dem Konzil in Nizäa ging es offenbar unter anderem um die Frage, ob Jesus Christus wesensgleich mit Gott, dem Vater ist. Eine von Arius aus Alexandria vertretene These war, dass Jesus nicht wesensgleich mit Gott sei. Nikolaus von Myra soll Arius wegen dieser Ansicht geohrfeigt haben. Doch später sollen sie sich auch wieder versöhnt haben.


ERF: Du bist selbst mal in Myra bzw. Demre gewesen – wie war das da?

Also ich habe mir die St.-Nikolaus-Kirche angeschaut, wo Nikolaus offenbar ursprünglich begraben war und das war schon sehr beeindruckend. Diese byzantinische Kirche ist schon sehr alt. Sie wurde vom 5. bis 12. Jhd. Benutzt. Dementsprechend ist sie näher an den Ursprüngen der ersten Christen dran.

Neben dem zerstörten Sarkophag von Nikolaus gibt es auch zahlreiche Fresken, die z.B. die Zusammenkunft beim Nizäischen Konzil zeigen. Außerdem gibt es dort sehr schöne Mosaiken. Was mich auch sehr beeindruckt hat, waren die vielen russisch-orthodoxen Christen, die sehr andächtig vor Nikolaus‘ Sarg gebetet haben. Und es ist ein Stück Entstehungsgeschichte des christlichen Glaubens.
 

Nikolaus als temperamentvoller Wundertäter

ERF: Kannst du noch etwas zu den Legenden sagen?

Offenbar hat es mindestens zwei mit Namen „Bischof Nikolaus“ gegeben. Deshalb wird vermutet, dass die Legenden nicht nur auf einer Person beruhen.

Einer der Legenden zufolge, dem sogenannten Stratelatenwunder, soll Nikolaus auch dort handgreiflich geworden sein: Er rettete drei römische Feldherren vor der Hinrichtung, indem er dem Henker das Schwert aus der Hand riss.

Aber die vermutlich bekannteste Legende ist das Mitgiftwunder: Als Nikolaus‘ Eltern starben, erbte er deren Vermögen und verteilte es an Arme. Eines Nachts soll Nikolaus Gold oder Goldklumpen durch das Fenster von drei armen Jungfrauen geworfen haben. Ihr Vater wollte die Mädchen nämlich zu Prostituierten machen, da er sich keine Mitgift für sie leisten konnte.

Durch das Geschenk des Nikolaus konnten sie standesgemäß heiraten. Das ist vermutlich die Basis für die Darstellung des Nikolaus als heimlicher nächtlicher Gabenbringer. Gestorben ist er angeblich am 6. Dezember zwischen 320 und 370. Das ist ja bis heute der von uns gefeierte Nikolaustag.

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
 

 Katja Völkl

Katja Völkl

  |  Redakteurin und Moderatorin

Die gebürtige Münsteranerin ist für aktuelle Berichterstattung zuständig. Von Hause aus ist sie Lehrerin für Deutsch und Philosophie und Sprecherzieherin. Sie liebt Hunde, geht gerne ins Kino und gestaltet Landschaftsdioramen.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren