Steigende Inflation und galoppierende Energiepreise - seit Sonntag steht fest, wie die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürger in dieser Krise entlasten will. Kritik am 3. Entlastungspaket kommt von Wirtschaftsverbänden und der Opposition, doch die großen christlichen Sozialverbände Diakonie und Caritas begrüßen die Maßnahmen der Ampel-Koalition.
In Leipzig protestierten hingegen am Montag (5.9.) Tausende gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung. ERF-Moderatorin Ute Heuser-Ludwig im Gespräch mit Regina König vom ERF Aktuell-Team.
ERF: Regina, fassen wir nochmal kurz zusammen: was sind die wichtigsten Maßnahmen, die das 3. Entlastungspaket vorsieht?
Regina König: Das Paket sieht u.a. Einmalzahlungen vor: so bekommen Rentner zum 1. Dezember 300 Euro und Studierende 200 Euro. Zum 1. Januar erhöht die Ampelkoalition das Kindergeld für das 1. und 2. Kind um 19 Euro und der Kreis der Wohngeld-Empfänger wird erweitert um etwa 2 Millionen Menschen.
Außerdem will die Bundesregierung die Umsatzsteuer für Gas auf 7% absenken und das neue Bürgergeld, das am 1. Januar HARTZ IV ablöst, erhöht sie auf 500 Euro. Eine Strompreisbremse soll kommen für den Basisverbrauch und: das 9-Euro-Ticket bekommt einen Nachfolger, das neue Nahverkehrsticket wird zwischen 49 und 69 Euro kosten.
Diakonie: Bundesregierung stellt ´richtige und wichtige Weichen´.
ERF: Zusätzlich sind weitere steuerliche Entlastungen geplant. Insgesamt werden diese Maßnahmen 65 Milliarden Euro kosten. Kritik kommt u.a. vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der sieht „erhebliche Mängel und Lücken“. Diakonie und Caritas begrüßen allerdings das 3. Entlastungs-paket.
Regina König: Ja, so ist Diakonie-Präsident Ulrich Lilie überzeugt, dass die Bundesregierung mit diesem Paket „richtige und wichtige Weichen stellt“. Lilie begrüßt u.a. die Einmalzahlungen an Rentner und Studierende, die Erhöhung des Kindergelds und die Einführung des Bürgergelds.
ERF: Das klingt ziemlich kritiklos. Ist die Diakonie wirklich zu 100% mit den Maßnahmen der Ampelkoalition einverstanden?
Regina König: Ganz so ist es nicht. Die Beschlüsse müssen jetzt zügig umgesetzt werden, sagt Diakoniepräsident Ulrich Lilie. Außerdem fordert er weitere Entlastungen für Grundsicherungsbezieher noch vor dem 1. Januar, denn sie könnten nicht bis zur Einführung des neuen Bürgergeldes warten.
Und er bringt ein 29-Euro-Sozialticket für den öffentlichen Personennahverkehr ins Gespräch, das sollte Standard werden. Doch insgesamt sieht der Diakonie-Präsident in dem Entlastungspaket einen wichtigen Baustein für den sozialen Frieden in unserem Land.
Caritas: „Wir unterstützen die Regierung auf diesem Weg.“
ERF: Und auch der katholische Sozialverband Caritas begrüßt die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung.
Regina König: Ja, auch die Caritas zeigt sich grundsätzlich erleichtert über die Einigung der Koalition. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, ist überzeugt, dass mit diesem Paket die sozialen Folgen der Gasknappheit „spürbar abgefedert“ werden. Es ginge darum, das Land sicher durch die Krise zu führen. Wörtlich: „Wir unterstützen die Regierung auf diesem Weg."
Die Caritas-Präsidentin mahnt allerdings an, dass für soziale Einrichtungen ein Schutzschirm aufgespannt werden müsse. Es nütze den Familien, die höheres Kindergeld bekommen, nichts, wenn die Kitas schließen müssen, weil sie die Heizkosten nicht mehr finanzieren könnten, so Welskop-Deffaa.
Proteste in Leipzig: Linke und Rechte verfolgen ähnliche Ziele
ERF: Im Großen und Ganzen sehen Diakonie und Caritas unser Land mit dem 3. Entlastungspaket also auf dem richtigen Weg. Doch gestern gab es die ersten großen Proteste gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung. Die Linke, AfD und die rechte Splitterpartei „Freie Sachsen“ hatten verschiedene Kundgebungen organisiert in Leipzig.
Regina König: Und mehrere Tausend sind gekommen. Die Partei Die Linke hatte eingeladen unter dem Motto „Heißer Herbst gegen soziale Kälte“ und sie betonte, dass sie mit den Rechten keine gemeinsame Sache machen will.
Aber schlussendlich klingen die Ziele der beiden Lager sehr ähnlich: Rechte wie Linke sind gegen die hohen Energie- und Lebensmittelpreise auf die Straße gegangen und beide positionieren sich gegen deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine. Gestern ist es friedlich geblieben in Leipzig und wir verfolgen weiter, wie der „Heiße Herbst 2022“ sich entwickeln wird.
ERF: Die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung auf dem Prüfstand – Regina, vielen Dank für deine Einschätzungen.
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