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27.05.2022 / Wochenrückblick / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Hängematten-Bischof und Appell an Putin

Der Freitagstalk des ERF Aktuell-Teams.

 

Beten für den Heiligen Geist an Pfingsten, der Karlspreis für mutige Frauen aus Belarus und die Demonstrationen gegen den Umgang der Kirche mit den Fällen sexuellen Missbrauchs sowie die Sorge ums Klima auf dem Katholikentag in Stuttgart – das und mehr sind unsere Themen im Freitagstalk der ERF Aktuell-Redaktion, die Andreas Odrich zusammengestellt hat.

ERF Medien: Andreas, gestern war Christi Himmelfahrt. Kann man den Tag denn noch als christlichen Feiertag bezeichnen?

Andreas Odrich: Das kommt vor allem auf die Christen an. Wenn sie aktiv sind, dann wird es Christi Himmelfahrt als christlichen Feiertag noch lange im Bewusstsein der Menschen geben. So waren wir privat gestern in einem Restaurant zu Gast, das seine Gäste am Eingang mit zwei passenden Bibelversen zu Himmelfahrt begrüßte. Ein kleines, sichtbares Zeichen. Auf jeden Fall versammeln sich Christen gerade rund um das Himmelfahrtsfest 2022 zu verschiedenen Großveranstaltungen. Dazu gehört das Christival in Kassel für Menschen zwischen 14 und 24, über das unser Teamkollege Oliver Jeske berichtet hat, und dann gibt es natürlich den Katholikentag in Stuttgart mit immerhin rund 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

 

ERF: Das sind weniger als vor vier Jahren. Grund sind die Fälle sexuellen Missbrauchs und die Kritik am schleppenden Umgang der katholischen Amts-Kirche mit diesen Fällen.

Andreas Odrich: Zwei Initiativen gegen sexuellen Missbrauch und gegen den Umgang der katholischen Kirche damit wollen dagegen protestieren und haben deshalb Zoff – und zwar nicht unbedingt mit dem Katholikentag, sondern mit der Stadt Stuttgart. Die will den geplanten Demonstrationsort nicht genehmigen und das wurde jetzt gerichtlich bestätigt. Die Demonstranten wollten ursprünglich auf den Schloßplatz demonstrieren, das ist das Herzstück der Stuttgarter Innenstadt, und das hätte natürlich für maximale Aufmerksamkeit gesorgt. Begründung für die Ablehnung: die Zufahrten für Rettungsfahrzeuge seien nicht gewährleistet, das meldet der SWR.

Hängemattenbischof

ERF: Aufmerksamkeit wird es aber dennoch geben, denn die Demonstranten haben für ihre Aktion Besuch aus Köln mitgebracht.

Andreas Odrich: Und zwar den sogenannten Hängemattenbischof. Das ist ein Motivwagen aus dem Kölner Karneval. Ein Bischof im vollen Ornat liegt gemütlich schlummernd mit breitem Grinsen in einer bequemen Hängematte und wird den Katholikentag über gezeigt. Der sexuelle Missbrauch und die mangelnde Aufarbeitung durch die Amtskirche ist also die Grundmelodie, die diesen Katholikentag begleitet und überschattet. Die Frankfurter Allgemeine sieht sich jedenfalls genötigt angesichts des ramponierten Images der katholischen Kirche zu fragen: „Wer hört dieser Kirche eigentlich noch zu?“

Appell an Putin

ERF: Dennoch gibt es ja Themen, die uns alle bewegen, und zu denen Christen einiges zu sagen hätten: Ukrainekrieg und Klimawandel.

Andreas Odrich: Die standen in den vergangenen Tagen bei den zentralen Veranstaltungen des Katholikentages auch im Mittelpunkt. So nutzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Auftaktveranstaltung am Mittwoch für einen klaren Appell an den Verursacher des Ukraine-Krieges, den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Steinmeier vor den 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wörtlich:

 

„Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine, stellen Sie die Kampfhandlungen ein. Herr Putin, beenden Sie das Leid und die Zerstörung in der Ukraine!“

Beim Himmelfahrtsgottesdienst rief der gastgebende Bischof von Stuttgart-Rottenburg, Gebhard Fürst, zum Friedensgebet auf. Das mag für Atheisten banal klingen, ist es aber nicht, wenn man die Haltung des Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I, dagegensetzt, der Putins Angriffskrieg mit nationalistischen Tönen befeuert.

3 Milliarden Klimaflüchtlinge

ERF: Auch der Klimawandel beschäftigt die 25.000 Teilnehmer des Katholikentages in Stuttgart.

Andreas Odrich: Und da gibt es eine handfeste, sehr einfache Formel: Mit Urlaub auf den Malediven könnte demnächst Schluss sein. Die werden nämlich bald überspült vom steigenden Meeresspiegel. Verantwortlich: der Klimawandel. Darauf hat der Klimaforscher Hansjoachim Schellnhuber gestern beim Katholikentag hingewiesen. Durch die Erderwärmung schmelzen die Pole ab und die Meere steigen. Drei Milliarden Menschen könnten betroffen sein, die vor den veränderten Lebensbedingungen flüchten müssten, sagt Schellnhuber und nennt das den größten Umzug der Menschheit. Oliver Müller, Leiter des katholischen Hilfswerks Caritas international, fordert daher einen Schutzstatus für Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind. Inzwischen rechne man mit 25 Millionen Flüchtlingen pro Jahr aufgrund von Extremwetterereignissen.

Karlspreis für Bürgerrechtlerinnen

ERF: Dazu braucht es Menschen, die sich einsetzen und engagieren. Und das gilt auch in Sachen Menschenrechte überhaupt.

Andreas Odrich: Deshalb hat es auch mehr als symbolischen Wert, dass gestern der Aachener Karlspreis an die führenden Gesichter der belarussischen Demokratiebewegung vergeben wurde. Damit habe man erstmals eine Bewegung aus dem Volk geehrt, die sich gegen ein autokratisches Regime wehrt. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und ihre Mitstreiterinnen Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo seien „die mutigsten Frauen Europas“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock, bei der Verleihung.

Ehrenamt verändert

ERF: Und du hast noch eine ermutigende Zahl zum Thema Ehrenamt.

Andreas Odrich: Viele Menschen im Ehrenamt wollen andere unterstützen und Veränderungen zum Besseren anstoßen. Das hat eine repräsentative Umfrage des evangelischen Magazins chrismon in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Emnid herausgefunden. „Ich habe das Gefühl, dass ich etwas bewirke und verändere“, sagen 50 Prozent der Ehrenamtlichen. 26 Prozent haben das Gefühl, gebraucht zu werden, und viele weitere Ehrenamtliche freuen sich über den Kontakt mit anderen Menschen durch ihr Ehrenamt.

Beten um den Heiligen Geist

ERF: Schön, dass man dadurch ein sinnvolles Leben führen kann, für sich und vor allem für andere. In diesem Sinne willst du uns gerne zum Schluss einladen zu einer besonderen Gebetsaktion am Montag, den 30.05.2022.

 

Andreas Odrich: Das ist die Aktion Deutschland betet. Sie ist ausgerichtet auf das nahende Pfingstfest und wird von einigen prominenten Kirchenvertretern unterstützt. Auf evangelischer Seite ist dies der sächsische Landesbischof Tobias Bilz. Zu den Hauptverantwortlichen gehört der Leiter des Gebetshauses Augsburg, Johannes Hartl. Veranstaltungsort ist die Dresdner Kreuzkirche. Eine Übertragung gibt es am Montag ab 19 Uhr auf Bibel TV und auf YouTube. Im Zentrum steht die Bitte um den Heiligen Geist, wie es auf der Homepage heißt. Über 14.000 Menschen haben sich laut Zähler auf der Homepage bis heute, Freitagvormittag, zur Teilnahme registriert, und wollen sich im gemeinsamen Gebet aufs Pfingstfest vorbereiten.

 

ERF: Und mit dieser Anregung wollen wir Sie gerne ins Wochenende verabschieden. Gebet um den Heiligen Geist ist sicher immer gut, angesichts der Themen, die wir auch heute bewegt haben.

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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