
05.05.2022 / Aktuell / Lesezeit: ~ 3 min
Autor/-in: Regina KönigSchwere Waffen aus Deutschland?
EKD-Friedensbeauftragter: „Wer sagt, Waffen seien die Lösung, der lügt.“
Ist es richtig, dass Deutschland schwere Waffen liefert in die Ukraine? In der vergangenen Woche hat der Bundestag das beschlossen und eine Mehrheit der Bevölkerung steht hinter dieser Entscheidung. Doch die Diskussion geht weiter. So sorgt ein offener Brief an den Bundeskanzler für Streit; deutsche Prominente wie die Feministin Alice Schwarzer oder der Sänger Reinhard Mey sprechen sich in diesem Brief gegen Waffenlieferungen aus. Radikaler Pazifismus sei aus der Zeit gefallen, kontert Olaf Scholz. Trotzdem: eine pazifistische Haltung nimmt auch der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland ein, Friedrich Kramer. Regina König hat mit ihm gesprochen.
„Die Behauptung, dass nur Waffen die richtige Lösung bieten, kann ich aus der Notsituation der Ukraine heraus verstehen, aber ich glaube, wir sollten nicht jede Forderung aus der Ukraine 1:1 zu unserer machen,“ so Friedrich Kramer in einem ERF – Interview. Keine Waffen aus Deutschland – für diese Haltung erntet er auch aus eigenen Reihen Kritik.
Kramer ist nicht nur EKD-Friedensbeauftragter, sondern auch Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Seine Position steht konträr zur Meinung anderer führender EKD-Repräsentanten. So hatte sich etwa die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, für Waffenlieferungen ausgesprochen.
Doch Kramer bleibt bei seinem Standpunkt: „Jesus Christus fordert uns dazu auf, anders zu denken und nicht der normalen Logik zu folgen von Macht und Durchsetzung, von Gewalt und Gegengewalt. Wir haben alle keine Lösung. Und wer jetzt so tut, dass Waffen die Lösung bieten, der lügt schlichtweg, weil wir nicht wissen, was das alles bewirken wird.“
Kramer: „Ich befürchte, dass es zum lokalen Einsatz atomarer Waffen kommen kann“
Was bewirken Waffenlieferungen? Friedrich Kramer befürchtet, dass es zu einem lokalen Einsatz von Atomwaffen kommen könnte: „Wir haben es mit einer Atommacht zu tun, die sich nicht an das Recht hält und die die Rechtsdurchsetzung blockiert im Sicherheitsrat. Niemand kann verantwortlich sagen, was geschehen wird. Wir haben alle auch nicht mit der Brutalität des Einmarsches gerechnet. Im Krieg sind wir immer im Nebel, und am Ende ergreift der Krieg Besitz von uns. Niemand weiß dann, wo es hingeht.“
„Am Ende ergreift der Krieg Besitz von dir“
Krieg vernebelt die Sicht, der Ausgang, völlig ungewiss – deshalb dürfen Deutschland und die NATO auf keinen Fall Kriegspartei werden, so der EKD-Friedensbeauftragte. Die Entscheidung des Bundestages, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern – für Kramer ein Schritt in die falsche Richtung: „Ich finde das sehr beunruhigend. Erst hieß es, wir liefern keine Waffen, dann leichte Waffen oder Verteidigungswaffen, jetzt sind wir bei schweren Waffen. Was bedeutet das alles, mit welcher Entscheidung treten wir in den Krieg ein? Die wichtigste Aufgabe sehe ich darin, dass Deutschland und die NATO nicht Kriegspartei werden.“
Deutschland und die NATO dürfen nicht Kriegspartei werden
Lange hat die Bundesregierung gezögert mit ihrem JA zur Lieferung schwerer Waffen und sich dabei harsche Kritik eingehandelt bis hin zum Vorwurf, Deutschland mache sich schuldig wegen unterlassener Hilfeleistung. Diesen Vorwurf weist der EKD-Friedensbeauftragte zurück. „Das ist die Verantwortung der russischen Regierung, die diesen brutalen Krieg begonnen hat. Diese Schuld woanders hin schieben zu wollen, ist ein nachvollziehbarer Reflex, den ich sehr gut verstehe. Aber in alten Zeiten galt z.B. das Prinzip, dass alle Staaten um zwei kriegsführende Länder herum sich neutral verhalten.“
Die Schuld für diesen Krieg trägt allein Russland
Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine stellt der Landesbischof nicht in Frage, nur deutsche Waffen sollen seiner Meinung nach dabei nicht zum Einsatz kommen. Und das habe auch mit der deutschen Vergangenheit zu tun. „Wir sind zweimal verantwortlich gewesen für einen Weltkrieg und haben zweimal die Welt in Schutt und Asche gelegt. Das sollte uns sehr vorsichtig stimmen bei allem, was mit Krieg und Waffen zu tun hat.“
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Es heißt hier eine Mehrheit der Bevölkerung stehe hinter der Entscheidung der Bundesregierung schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Meiner Information nach ist es etwa 1/ zu 1/2 bzw. 45% dafür, … mehr45% dagegen. Den Standpunkt von Herrn Kramer kann ich nur unterstreichen und zustimmen. Aber inzwischen werden wir von der fast täglich sich ändernden Realität überholt. M.E. sind wir, was die veröffentlichte Meinung und die Mehrheit der Politiker angeht mental schon längst Kriegspartei. "Wir sollten nicht jede Forderung aus der Ukraine 1:1zu unserer machen" meinte Herr Kramer. Richtig. Doch unsere Politik wird immer mehr von der Ukraine bestimmt. Es ist erschreckend wie schnell sich der größte Teil einer Gesellschaft vom Freund - Feind Denken, bzw. schwarz - weiß Denken bestimmen lässt. Herr Scholz wurde enorm von verschiedener Seite unter Druck gesetzt, seine Haltung zu ändern. Und noch dazu: Herr Selenski ist ein absoluter Medienprofi (s.seine tägliche Videoansprache, Inhaber einer großen TV Produktion). Das Verhalten seines Botschafters in D ist auch "speziell". Politik ist im allgemeinen Interessengeleitet - in D wohl immer mehr von Emotion und Moral - nicht aber von Seiten anderer Staaten, allen voran der USA. Ich vermisse schon lange eine neutrale Berichterstattung, u.a. über diese Interessenlage. Was Russland angeht so wird viel spekuliert, anderes ignoriert. Wer hat Interesse an der Verlängerung des Krieges? Opfer sind die Menschen und das Land Ukraine (bis jetzt).