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© Lina Trochez / unsplash.com

29.06.2021 / Kommentar / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Susanne Ospelkaus

Was wäre wenn?

„Rücksichtnahme“ auf andere ist in aller Munde. Aber wie kann sie gelingen? Ein Kommentar zu Solidarität.

Politiker sprechen davon, Gewerkschaften rufen es aus und Kirchen predigen es. Solidarität!

Während der Coronapandemie gehörte Solidarität zu den an den häufigsten gegoogelten Worten, allerdings zusammen mit dem Stichwort „Aktien kaufen“. Ob man dabei die Solidargemeinschaft im Blick hatte oder nur das eigene Auskommen?

Solidarität ist beweglich

„In solidum!“, nannten es die alten Römer. Es stand für eine verbindliche Verpflichtung als Gesellschaft. Einfacher ausgedrückt: Alle für einen und einer für alle.

Während der Pandemie verpflichtete sich die Gemeinschaft, die Älteren und Schwachen zu schützen. Kinder spielten alleine. Jugendliche blieben daheim. Nun muss sich das Verhältnis wieder ändern, denn Solidarität ist beweglich. Sie bleibt nicht an einer Zielgruppe hängen. Jetzt brauchen die Jüngeren solidarische Unterstützung, um Lebenserfahrungen zu sammeln und sich in Gruppen auszutauschen.

Wenn ein 4-Jähriger ein Jahr zu Hause bleiben musste, kostete es ihm 25 % seiner bisherigen Lebenszeit. Für einen 80-jährigen Menschen hingegen bedeutete es nur 1,25 %. Die Jüngeren haben einen hohen Preis an Lebenszeit gezahlt.

Solidarität hat einen Preis

Solidarität bedeutet auch immer Verzicht.

1955 blieb die Afroamerikanerin Rosa Parks auf ihrem Platz im Bus sitzen, obwohl sie ihn für einen Weißen hätte, freimachen müssen. Sie war müde, nicht nur von der Arbeit, sondern auch von Rassismus. Rosa Parks wurde verhaftet und ihre Mitmenschen solidarisierten sich. Keiner fuhr mehr mit dem Bus. Alle verzichten auf die Fahrt und gingen zu Fuß zur Arbeit oder bildeten Fahrgemeinschaften. Das stärkte die Bürgerrechtsbewegung in den USA.

Es gibt Arbeiter- und Friedensbewegungen die Einzelnen viel kostete, um für Rechte, Würde und Wahrheit einzutreten.

Was kostet uns Solidarität? Füllen wir nur eine Petition aus, setzen Likes und Emoji bei Facebook oder gehen demonstrieren? Eigentlich müssten wir auf Annehmlichkeiten, auf Urlaub oder Konsum verzichten, um uns mit den Menschen zu solidarisieren, die benachteiligt, ausgebeutet oder verfolgt werden.

Gesten sind ein Signal, doch sie haben kaum Veränderungskraft. Was hat der öffentliche Applaus für Pflegekräfte in der Pandemie bewirkt? Gesündere Arbeitszeiten und angemessener Lohn stehen noch aus, stattdessen kann man in den Urlaub fliegen (weil TUI und Lufthansa gerettet wurden). Was wäre, wenn die Gemeinschaft, keine Freizeitreisen machen täte, bis alle Pflegekräfte einen gerechten Lohn bekämen? Was wäre, wenn die Familie Mensch keine Billigkleidung kauft, bis Kinderarbeit verboten werden würde?

„Nur eine solidarische Welt kann eine gerechte und friedvolle Welt sein“, sagte Richard v. Weizäcker. Auch wenn es wie eine Utopie klingt; aber um Gottes Willen müssen wir für eine gerechte und friedvolle Welt kämpfen und manchmal verzichten, beten und manchmal applaudieren, diskutieren und manchmal demonstrieren und uns immer von Barmherzigkeit leiten lassen. Das wäre was!


Susanne Ospelkaus, Jahrgang 1976, zwei Kinder, verheiratet mit ihrem zweiten Mann Alexander. Sie ist gelernte Ergotherapeutin, arbeitet jetzt als Autorin und Dozentin für pflegerische und pädagogische Berufe.

 Susanne Ospelkaus

Susanne Ospelkaus

  |  Freie Mitarbeiterin

Susanne Ospelkaus, Jahrgang 1976, Mutter von zwei Söhnen. Sie ist gelernte Ergotherapeutin, arbeitet jetzt als Autorin und Dozentin für pflegerische und pädagogische Berufe. Nach dem Tod ihres ersten Mannes hat sie wieder geheiratet und lebt mit ihrer Familie östlich von München.

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